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       # taz.de -- Filmempfehlungen für Berlin: Fast wie im Krimi
       
       > Echt oder nur täuschend ähnlich? Ein Bild, das als „Leonardo“ durchgeht,
       > eine Angestellter, der Geld verlegt, und eine Chauffeurstochter mit
       > Klasse.
       
   IMG Bild: Frisch aus Paris: Audrey Hepburn spielt eine Chauffeurstochter, die ihren sozialen Status verlässt
       
       Ganz so verloren, wie der Titel des Kunst-Dokumentarfilms „The Lost
       Leonardo“ behauptet, war das besagte Gemälde eigentlich gar nicht. Niemand
       hat es etwa auf Omas Dachboden wiedergefunden und auch nicht in der letzten
       Depotecke eines Museums. Man hatte das stark beschädigte und in vergangenen
       Jahrhunderten schlecht restaurierte, eher grob übermalte Bild, das Christus
       als Salvator mundi zeigt, schlicht einem unbekannten Maler aus der
       Nachfolge des italienischen Renaissance-Genies Leonardo da Vinci
       zugeschrieben, als mögliche Kopie eines verschollenen Originals. Im Jahr
       2005 stand es bei einer Auktion in New Orleans zum Verkauf, und zwei New
       Yorker Kunsthändler investierten schlappe 1.175 Dollar.
       
       Dass die Herren auf Kunstwerke mit „Potenzial“ spezialisiert waren, sagt
       bereits einiges über den Kunstmarkt aus, denn siehe da: Eine Restaurierung
       und mehrere Experten-Begutachtungen später war die preiswerte Kopie zum (so
       gut wie) echten Leonardo-Gemälde herangereift, dem nunmehr eine große
       Karriere bevorstand. Das Bild wurde in einer großen Leonardo-Ausstellung
       der National Gallery in London ausgestellt, und sein Preis schoss in
       schwindelerregende Höhen: Die ursprünglichen Investoren verkauften es für
       rund 190 Millionen Dollar, und zuletzt wurde es 2017 vom Auktionshaus
       Christie’s für 400 Millionen Dollar plus 50 Millionen Aufgeld als teuerstes
       Gemälde aller Zeiten versteigert.
       
       Neuer Besitzer scheint der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman zu sein,
       aber öffentlich gesehen wurde „die männliche Mona Lisa“ seither nicht mehr.
       Eine Ausstellung im Rahmen einer Leonardo-Schau im Louvre kam nicht
       zustande, man konnte sich über die Modalitäten der Ausleihe und der
       Präsentation nicht einigen.
       
       Der Dokumentarfilm des dänischen Regisseurs Andreas Koefoed lässt viele der
       der beteiligten Personen zu Wort kommen und geht dieser Geschichte fast wie
       in einem Krimi nach, was einen wirklich interessanten Einblick in die
       Interessen von Händlern, Experten, Museen, russischen Oligarchen und
       saudischen Prinzen bietet. Natürlich geht es dabei sehr oft um Geld, aber
       eben auch um Eitelkeiten, gelungene Marketingkampagnen und
       Staatsinteressen.
       
       Und ab einer bestimmten Summe auch um eine politische Machtdemonstration.
       Nur das Gemälde bleibt, was es ist: ein stark restauriertes Bild von
       zweifelhafter, nicht nachvollziehbarer Provenienz. Leonardo? Die Experten
       streiten. Wie immer (Vorstellungen: 13.1., 15.1., 18.1., 14.15 Uhr,
       [1][Delphi Lux]; 14.1., 15.30 Uhr, [2][Bundesplatz]; 15.-16.1., 11 Uhr,
       [3][B-ware! Ladenkino]; 16.1., 11.45 Uhr, [4][Passage]; 16.1., 15.45 Uhr,
       [5][Xenon]).
       
       ## Schein und Sein
       
       Mit der Frage von Schein und Sein beschäftigt sich auch „Komedie om geld“,
       eine 1936 in Holland entstandene satirische Tragikomödie von Max Ophüls. Im
       Wesentlichen handelt der Film von einem braven Bankboten, der eine Tasche
       voller Geld verlegt, das seinem Arbeitgeber gehört. Dass alle Welt nunmehr
       glaubt, er habe es auf irgendeine clevere Art beiseite geschafft, führt
       zunächst zum gesellschaftlichen Abstieg seiner Familie, dann jedoch auch zu
       – strikt kapitalistischer Geschäftslogik folgenden – Businessvorschlägen
       und einem merkwürdigen Wiederaufstieg, dem allein seine Grundehrlichkeit im
       Wege steht.
       
       Die Story ist – auf nette Weise – so verworren, dass der Regisseur sie in
       späteren Interviews gar nicht mehr richtig wiedergeben konnte, doch der
       Film besticht mit eleganter Inszenierung sowie der Fotografie des
       Meisterkameramannes Eugen Schüfftan, mit dem Ophüls immer wieder gern
       zusammenarbeitete (16.1., 16 Uhr, [6][Zeughauskino]).
       
       Der Erfolg des [7][temporären Kinos im Flughafen Tempelhof,] der sich in
       einer ständigen Verlängerung der Saison manifestiert, verdankt sich
       vermutlich weniger dem eher unspektakulären Programm als vielmehr der
       coolen Location. Zum Nachkriegsflair, das die Empfangshalle auch heute noch
       verbreitet, passt aber sehr gut Billy Wilders romantische Komödie „Sabrina“
       (1954), in der Audrey Hepburn als Chauffeurtochter Sabrina Fairchild
       zwischen einem Lebemann (William Holden) und einem Industriemagnaten
       (Humphrey Bogart) wählen muss. Das waren noch Entscheidungen!
       
       Auch dieser Hauswirtschaftskram, mit dem sich junge Frauen damals offenbar
       zur perfekten Gattin qualifizierten, ist ein wenig von gestern. Das macht
       die Komödie insgesamt nicht weniger liebenswert, und der Charme von Audrey
       Hepburn – irgendwo zwischen Natürlichkeit, Sophistication und Chic – ist
       sowieso unschlagbar (14.1., 18 Uhr, [8][THF Cinema im Flughafen
       Tempelhof]).
       
       13 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://yorck.de/kinos/delphi-lux
   DIR [2] http://www.bundesplatz-kino.de/
   DIR [3] https://ladenkino.de/
   DIR [4] https://yorck.de/kinos/passage
   DIR [5] https://www.xenon-kino.de/
   DIR [6] https://www.dhm.de/zeughauskino/
   DIR [7] https://thf-cinema.de/
   DIR [8] https://thf-cinema.de/2-12-5-12/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Penning
       
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