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       # taz.de -- Bezahlbare Mieten: Bauplan für Deutschland
       
       > Die Ampel-Koalition möchte 100.000 Sozialwohnungen bauen. Eine
       > Pestel-Studie zeigt: die bereitstehenden Gelder reichen dafür nicht.
       
   IMG Bild: Neue Wohnungen in Baulücken, hier in Berlin
       
       Berlin taz | „Wohnen ist ein Grundbedürfnis.“ So steht es zumindest im
       Koalitionsvertrag. Eine Studie des Pestel-Instituts in Hannover, die das
       Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ in Auftrag gegeben hatte und am Freitag
       in einer Pressekonferenz vorstellte, zeigt jedoch: [1][2021 fehlten in
       Deutschland 450.000 Wohnungen]. Rund elf Millionen Mieterhaushalte haben in
       Deutschland Anspruch auf eine Sozialwohnung. Doch die Chance auf eine
       solche Wohnung liegt bei 1 zu 10.
       
       SPD-Bundesbauministerin [2][Klara Geywitz hat sich zur Aufgabe gemacht, das
       Grundbedürfnis auf Wohnen zu gewährleisten]. 400.000 neue Wohnungen pro
       Jahr, darunter 100.000 Sozialwohnungen, sollen neu entstehen, so lautet ihr
       Versprechen.
       
       „Mit Geywitz haben wir eine Bundesbauministerin, die bauen will. Aber: Sie
       muss auch bauen können,“ sagte Robert Feiger, Bundesvorsitzender
       Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), am Freitag. Das hänge
       jetzt stark von Finanzminister Christian Lindner ab: Er müsse dringend
       einen milliardenschweren Topf für den Wohnungsbau schaffen.
       
       In der aktuellen Studie zum Wohnungsbau stellte das Pestel-Institut fest:
       die jährlichen 2,2 Milliarden Euro, die zurzeit für den Wohnungsbau
       bereitstehen, sind zu wenig. Für mehr bezahlbaren, klimaneutralen und
       barrierearmen Wohnraum bräuchte es die drei- bis sechsfache Menge der
       momentan geplanten Gelder. Außerdem: die Bevölkerung wächst und wird immer
       älter. Vor allem [3][in den großen sieben Städten] fehlt es an bezahlbarem
       sowie barrierefreiem Wohnraum.
       
       ## Energieeinsparung kostet Geld
       
       Das Bündnis „Soziales Wohnen“, zu dem die Industriegewerkschaft
       Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), der Deutsche Mieterbund, der Bundesverband
       Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, die Deutsche Gesellschaft für
       Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie der Bundesverband Deutscher
       Baustoff-Fachhandel gehören, stellte drei große Forderungen, um die Wende
       auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen.
       
       Zunächst müsse dafür gesorgt werden, dass die 100.000 Sozialmietwohnungen
       mit Mieten um die 6,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter auch wirklich gebaut
       werden können. Zudem müsse genug Geld investiert werden, um zusätzlich
       jährlich 60.000 sogenannte „bezahlbare Wohnungen“ bereitstellen zu können,
       deren Miete 8,50 Euro pro Quadratmeter nicht übersteigt.
       
       Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds, meinte dazu: „Es
       braucht intelligente Politik, die Klimaschutz und sozialen Wohnungsbau
       verbindet.“ Die Pestel-Studie kalkuliert, dass es allein für den sozialen
       und bezahlbaren Wohnungsbau mindestens sechs Milliarden Euro an jährlichen
       staatlichen Investitionen brauche. Möchte man zudem maximalen Klimaschutz
       gewährleisten und energieeffizient bauen, bräuchte es sogar jährlich 12.9
       Milliarden Euro Zuschüsse.
       
       Weiter fordert das Bündnis, der [4][Wohn-Diskriminierung] entschieden
       entgegenzutreten. Dafür sollen mindestens zehn Prozent der neu gebauten
       sozialen Wohnungen an ältere Menschen mit Behinderungen und andere
       benachteiligte Personen gehen wie psychisch Erkrankte, aus der Haft
       entlassene Personen oder Geflüchtete.
       
       ## Altersarmut nimmt zu
       
       Janina Bessenich, Geschäftsführerin Bundesverbands Caritas,
       Behindertenhilfe und Psychiatrie, sprach von einem sozialen Drama. „Es geht
       nicht nur um Zahlen, sondern um persönliche Schicksale. Die Wohnungsnot ist
       längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen,“ sagte sie.
       
       Außerdem steige die Zahl der Menschen über 65, die in Armut leben, so die
       Studie. „Altersarmut, von der man früher sagte, die gebe es in Deutschland
       nicht, ist inzwischen sehr verbreitet,“ so Matthias Günther, Vorstand des
       Pestel-Instituts.
       
       Die Zahl der Erwerbsfähigen werde vor allem in den östlichen Regionen
       Deutschlands in den nächsten Jahren zurückgehen, die Anzahl an alten
       Menschen und somit auch die der Menschen mit Schwerbehinderungen oder
       körperlichen Einschränkungen hingegen steigen, heißt es in der Studie. Das
       müsse im Wohnungsbau berücksichtigt werden.
       
       ## Bauprozesse und Bauämter müssen digitalisiert werden
       
       Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, wurde zudem eine deutliche Verkürzung
       der Planungs- und Genehmigungszeiten gefordert. Dafür müsse der Ausbau der
       Fachkräfte in den Bauämtern kurzfristig vorangetrieben werden. Und es
       brauche eine schnelle Digitalisierung im Baubereich. Außerdem müsse für
       niedrigere Bau- und Grundstückkosten gesorgt werden. Eine Heruntersetzung
       der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Baumaterialien würde die Kosten
       ebenso erheblich senken, heißt es in der Studie.
       
       Robert Feiger betonte, dass der soziale und bezahlbare Wohnungsbau eine
       klare Priorisierung verlange. Geywitz und auch Lindner dürften somit keine
       Zeit verlieren, in diesen zu investieren.
       
       Wo die Sozialwohnungen gebaut werden sollen, wurde kaum diskutiert. Es sei
       aber wichtig, Sozialwohnungen nicht an den Rand der Städte zu drängen. In
       den deutschen Innenstädten sei noch genug Platz für sozialen Wohnungsbau,
       so Lukas Siebenkotten.
       
       14 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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