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       # taz.de -- Bauernführer über Reform der Tierhaltung: „Müssen den Grünen Druck machen“
       
       > Agrarminister Cem Özdemir habe noch nicht erklärt, wie eine bessere
       > Tierhaltung bezahlt werden soll, meint Bauernführer Schulz. Am Samstag
       > demonstriert er.
       
   IMG Bild: Auch sie sollen bald besser gehalten werden: Ferkel in einem konventionellen Stall
       
       taz: Herr Schulz, Sie wollen am Samstag mit anderen Bauern auf Traktoren
       vor dem Bundesagrarministerium in Berlin demonstrieren. Dieses wird ja seit
       ein paar Wochen von [1][Cem Özdemir] geführt, einem Mitglied der Grünen,
       die den Bioverbänden und Ihrer Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
       Landwirtschaft, der AbL, nahestehen. Warum müssen Sie da überhaupt noch auf
       die Straße gehen? 
       
       Martin Schulz: Im Vertrag der Ampelkoalition ist zu den beiden wichtigsten
       Konzepten vor allem für den Umbau der Tierhaltung nichts zu lesen. Wir
       müssen auch den Grünen Druck machen, dass die Empfehlungen der
       Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission umgesetzt
       werden.
       
       Was will die Borchert-Kommission, in der Experten, Beamte und
       Verbandsvertreter mitgearbeitet haben? 
       
       Ihr Plan sieht vor, dass es Prämien für die landwirtschaftlichen Betriebe
       gibt, wenn sie Ställe Richtung Tierwohl umbauen. Je höher die Anforderungen
       an die Tierhaltung, desto höher die Zahlungen.
       
       Özdemir hat doch schon angekündigt, dass er [2][höhere Erzeugerpreise],
       mehr Tierschutz und mehr Bio will. Was fehlt? 
       
       Vor allem die Finanzierung. Die Borchert-Kommission hat drei Möglichkeiten
       geprüft: eine Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent für Fleisch, eine
       neue Verbrauchsteuer auf Fleisch oder eine höhere Einkommensteuer.
       Favorisieren würde ich die Verbrauchsteuer, aber die ist wohl nicht so
       einfach einzutreiben, weil das dann bei jedem passieren müsste, der mit
       Fleisch handelt. Da wäre die höhere Mehrwertsteuer einfacher.
       
       Die Koalitionspartnerin FDP ist gegen Steuererhöhungen. Warum haben Sie
       trotzdem Hoffnung auf höhere Steuern für mehr Tierschutz? 
       
       Weil das Borchert-Konzept von ganz unterschiedlichen Interessengruppen
       getragen ist, auch von Verbänden, die der FDP sehr nahe sind. Es wäre nicht
       das erste Mal, dass es im Wahlkampf ein Versprechen gab, keine Steuern zu
       erhöhen, und dann im Verlauf der Legislaturperiode doch die eine oder
       andere Steuer erhöht worden ist, einfach weil es sinnvoll ist und, wie in
       diesem Fall, ja auch von der Gesellschaft gefordert wird.
       
       Warum sollten die Verbraucher dafür zahlen, dass Landwirte Tiere ordentlich
       halten? 
       
       Die Gesellschaft möchte, dass Tiere anders gehalten werden.
       
       Warum nicht mehr Tierschutz vorschreiben, ohne den Bauern dafür Geld zu
       geben? 
       
       Die Stallplätze für Schweine, die hier abgebaut werden, werden in Spanien
       wieder aufgestockt. Dann kommt das Fleisch aus anderen Ländern, wo die
       Tiere nicht besser gehalten werden, und wir verlieren die eigene
       Landwirtschaft. Dann ist dem Tierschutz auch nicht geholfen.
       
       Was sagen Sie zu der Kritik, dass der Plan der Borchert-Kommission viel zu
       langsam und zu lasch sei? 
       
       Diese Einwände stimmen nicht. Bis 2030 müssen alle konventionellen Ställe
       für Mastschweine 20 Prozent mehr Platz als jetzt, Ruhebereiche und
       organisches Beschäftigungsmaterial wie Stroh haben. Bis 2040 sollen sogar
       über 40 Prozent mehr Platz, weiche Liegeflächen statt Betonböden,
       Außenklimabereiche und intakte Ringelschwänze vorgeschrieben sein.
       
       Wie soll die Tierhaltung laut Borchert noch aussehen? 
       
       Grundlage ist die geplante staatliche Kennzeichnung etwa von Fleisch, die
       zeigt, wie die Tiere gehalten wurden. Stufe 1 verlangt für Schweine 20
       Prozent mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben,
       Beschäftigungsmaterial und Buchten, die teilweise keine Lücken im Boden
       haben. Durch diese Lücken fallen die Fäkalien. Stufe 2 hat über 40 Prozent
       mehr Platz und zum Beispiel auch Zugang zum Außenklima und die Schwänze
       dürfen nicht gekürzt werden. Das ist schon relativ anspruchsvoll. Stufe 3
       fordert sogar Auslauf und Stroheinstreu und doppelt so viel Platz. Das
       ähnelt dem Bio- oder dem Neuland-Siegel.
       
       Drohen die Borchert-Pläne überholt zu werden durch Gerichtsurteile für mehr
       Tierschutz? 
       
       Das Risiko hat man immer. Das Land Berlin klagt ja vor dem
       Bundesverfassungsgericht gegen Vorschriften für die Schweinehaltung. Wenn
       es recht bekommt, müssen wir neu diskutieren.
       
       Der Bauernverband und andere von der Agrarindustrie beherrschte Verbände
       befürworten Borchert. Ist das ein Zeichen dafür, dass das Konzept nicht im
       Interesse der Bauern und Tiere ist? 
       
       Ich bin selber Mitglied der Borchert-Kommission. Der Bauernverband hatte
       anfangs dagegen gewettert. Aber irgendwann hat er verstanden, dass man sich
       nicht gegen mehr Tierschutz stemmen kann – auch wegen der zu erwartenden
       Gerichtsurteile.
       
       21 Jan 2022
       
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