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       # taz.de -- Utøya-Attentäter vor Gericht: Nichts als ein Kübel Hass
       
       > In Norwegen hat eine Verhandlung über einen Bewährungsantrag des
       > verurteilen Massenmörders begonnen. Der Rechtsextreme nutzt das als
       > Bühne.
       
   IMG Bild: Die beiden RichterInnen müssen Anders Behring Breivik zuhören
       
       Stockholm taz | Nazigrüße, Plakate mit politischer Propaganda und eine
       stundenlange wirre Erklärung seiner Taten und Ziele: Dazu gebrauchte der
       rechtsextreme norwegische Terrorist und Massenmörder Anders Behring Breivik
       die Bühne einer am Dienstag begonnenen Gerichtsverhandlung, in der über den
       von ihm gestellten Antrag auf vorzeitige Haftentlassung entschieden werden
       soll.
       
       Der Attentäter hatte am 22. Juli 2011 einen Bombenanschlag auf das Osloer
       Regierungsviertel verübt, bei dem acht Menschen starben. [1][Anschließend
       richtete er auf einem Sommerlager der Jungsozialisten auf Insel Utøya 67
       Jugendliche regelrecht einzeln hin.]
       
       „Ein politisches Theater“, urteilte der norwegische Extremismusexperte Lars
       Erik Nese Berntzen über die Gerichtsverhandlung, mit der sich der Terrorist
       primär „an das Publikum von auf der ganzen Welt verstreuten potentiellen
       Unterstützern“ gewendet habe. Die Möglichkeit hatte ihm eine
       TV-Direktübertragung der Verhandlung gegeben. Der Termin fand in einem zum
       provisorischem Gerichtssaal umgebauten Gymnastiksaal der
       Hochsicherheits-Haftanstalt Skien statt, in dem der 42-Jährige derzeit die
       21-jährige Haftstrafe absitzt, zu der er 2012 verurteilt worden war.
       
       Die möchte er nach Ablauf der gesetzlich auf zehn Jahre festgeschriebenen
       Mindestdauer gerne in eine Bewährungsstrafe umgewandelt sehen. Eine
       Möglichkeit, die das norwegische Strafrecht grundsätzlich kennt, die aber
       in seinem Fall als völlig unwahrscheinlich gilt. Sollte der Antrag
       abgelehnt werden, könnte der Attentäter in einem Jahr erneut ein Gesuch
       stellen, erläuterte Staatsanwältin Hulda Karlsdottir.
       
       ## Schwere Zeit für Angehörige der Opfer und Überlebende
       
       Solche Gerichtsverfahren würden wohl nun alljährlich zur Szene der
       ideologischen Vorträge des Rechtsextremen werden, kommentiert die linke
       „Klassekampen“. Als „ein Hohn, aber eben auch ein Recht“ stuft sie die
       konservative „Aftenposten“ ein und erwartet von den drei Tagen, die für das
       Verfahren terminiert sind, eine „unbegreiflich schwere Zeit“ für [2][die
       Opfer der Terrortaten und die Angehörigen der Opfer].
       
       „Man soll den Gesetzen und Regeln folgen“, sagte Lisbeth Røyneland, die
       Vorsitzende der nationalen Selbsthilfegruppe für die Opfer und Angehörige,
       vor einigen Tagen in einem Gespräch mit dem Public Service-TV-Sender NRK:
       „Eine Sonderregelung wäre auch falsch gewesen.“ Das hätte letztlich „nur
       seinen Gleichgesinnten in die Hände gespielt“. Der Tag des
       Verfahrensbeginns in Skien war für Røyneland ein spezieller Tag: Ihre von
       dem Terroristen ermordete Tochter Synne wäre am 18. Januar 2022 29 Jahre
       alt geworden.
       
       Ihre Hoffnung, dass die Medien sich diesmal „würdig“ verhalten würde,
       scheint sich zu erfüllen. Teilweise war die Berichterstattung von den
       bisherigen öffentlichen Auftritte des Terroristen stark kritisiert worden,
       weil sie dem Täter teilweise eine unnötige Propagandabühne geboten hatten.
       Mit dem „Dagbladet“ entschied sich nur ein einzige Zeitung zu einer – wenn
       auch zeitversetzt und teilweise ohne Ton gesendeten – Übertragung aus dem
       Gerichtssaal. Andere betonten, es werde bei ihnen weder Bilder noch Zitate
       des Massenmörders geben, man werde sich auf bloße Analysen und Kommentare
       beschränken.
       
       18 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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