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       # taz.de -- Globale Klimagerechtigkeit: Braucht es Öko-Patriotismus?
       
       > Wenn Deutschland die Verpflichtungen ernsthaft angeht, dann ist das auch
       > eine historische Bringschuld. Es ist planetarpatriotisch.
       
   IMG Bild: Markus Söder und Robert Habeck bei ihrem Treffen vor einer Woche
       
       Klassische Linksliberale sind bekanntlich die Konservativen von heute. Sie
       sehnen sich in ihre heile linksliberale Welt zurück, die für sie um 1999
       herum endet, also mit der Regierungsübernahme von Rotgrün (sic!). Wenn man
       solche Leute fragt, ob sie denn bereit seien für den „ökologischen
       Patriotismus“, den Vizekanzler Robert Habeck [1][soeben ausgerufen] hat,
       erhält man sehr zurückhaltende Reaktionen.
       
       „Der Begriff macht die Tür nach rechts auf“, ist eine beliebte Antwort.
       Gerade angesichts der deutschen Vergangenheit! Dieses Gefühl ist immer noch
       stark, obwohl Habermas doch mit dem Paradigmenwechsel zum
       „Verfassungspatriotismus“ die Tür nach rechts längst geschlossen hat. Du
       verknüpfst dich als Gemeinschaft eben nicht mit Blut und Boden,
       Chauvinismus und Welteroberung, wie Habeck schon vor einem Jahrzehnt
       schrieb.
       
       Sondern mit Inhalten, den liberalen und emanzipatorischen Werten der
       Bundesrepublik, und nach dem historischen Urteil aus Karlsruhe nun auch mit
       der ökologischen Generationengerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht
       hat uns zum Wohle der Kinder und Kindeskinder zu ökologischem Patriotismus
       verpflichtet. So sieht’s aus!
       
       Und was ist mit der globalen Klimagerechtigkeit, den Schulden, die der
       Kolonialismus angehäuft hat und die von westlichen liberalen Demokratien
       endlich beglichen werden müssen? Sehr guter Einwand. Auch deshalb haben
       sich die Staaten durch die Unterzeichnung des Pariser Abkommens
       verpflichtet, ihren Beitrag zum Erreichen des globalen 1,5- bis
       2-Grad-Ziels innerhalb der eigenen Grenzen zu leisten. Wenn die
       Bundesdeutschen nun die Verpflichtung ernsthaft angehen, dann ist das auch
       eine historische Bringschuld, und das über die Gattung Mensch hinaus. Es
       ist planetarpatriotisch.
       
       ## Planetarpatriotismus
       
       Mit dem Wort könnte man es sich gerade als Linker mal wieder bequem machen.
       Aber Grundlage von Planetarpatriotismus ist der nationalstaatliche
       Öko-Patriotismus – und wenn wir ihn um 2030 herum mit 80 Prozent
       Erneuerbaren, erheblicher CO2-Reduktion und einer rapide voranschreitenden
       postfossilen Wirtschaft eingelöst haben, dann können wir auf diesen Inhalt
       sogar stolz sein.
       
       Voraussetzung dafür ist aber die Überwindung des innerdeutschen
       Kleinstaatendenkens, für das bisher der Freistaat Bayern, die CSU und ihr
       Ministerpräsident mit seiner Windenergie-Verhinderungspolitik stehen. Der
       fast unmöglich scheinende Gigawatt-Zubau kann nur gelingen, wenn Windräder
       nur so aus deutschen Böden schießen.
       
       Wenn der Vizekanzler deshalb von Söder „ökologischen Patriotismus“
       erbittet, dann ist das erst mal pointiert, weil der Konservative ja früher
       seinem Vaterland stärker verpflichtet schien als der vaterlandslose Grüne
       vor Habeck. Es heißt aber auch, dass das in der Krisenrealität eben nicht
       so ist, und Söder doch bitte die nationalstaatliche Verpflichtung gegenüber
       der Weltgesellschaft vor seine Provinzinteressen stellen möge.
       
       Viel verlangt, klar. Aber es war ein Ministerpräsidentenkollege von Söder,
       der die Atomendlagersuche neu möglich machte, als er sagte, eine
       Lagerung sei auch in seinem Bundesland vorstellbar. Damit hat Winfried
       Kretschmann genau den ökologischen Patriotismus geleistet, den Habeck
       fordert und den die Gesellschaft jetzt braucht, damit die sozialökologische
       Transformation eine Chance hat.
       
       30 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/inland/habeck-soeder-treffen-windkraft-10h-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Unfried
       
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