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       # taz.de -- Wohnraum für Obdachlose: Eine Hängepartie
       
       > Zwei Jahre ist Hannovers Oberbürgermeister schon im Amt. Noch immer hat
       > er die Obdachlosigkeit in der Stadt nicht ausrechend bekämpft.
       
   IMG Bild: Die Notschlafstelle für Obdachlose im Alten Flughafen in Hannover
       
       Im Wahlkampf hatte der grüne Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay,
       noch angekündigt, der [1][Obdachlosigkeit den Kampf] anzusagen. Doch mehr
       als zwei Jahre nach seinem Einzug ins Rathaus gibt es immer noch keinen
       genauen Plan. Schätzungen gehen von etwa 4.500 Wohnungslosen aus, die in
       der Stadt leben, Hannover hat 530.000 Einwohner*innen. Auf der Straße leben
       laut Straßenmagazin Asphalt etwa 900. Die Situation ist so [2][desolat],
       dass einige von ihnen in der Fußgänger*innenzone vor dem riesigen
       leerstehenden ehemaligen Karstadt-Gebäude zelten.
       
       Über die Zelte vor dem Kaufhaus wird in der Stadt gestritten. Die Rats-CDU
       sorgt sich um das Image, es entstehe der Eindruck, in Hannover werde nichts
       für Obdachlose getan. Sie fordert die Verhängung von Bußgeldern und eine
       Räumung. Die Grünen finden das „respektlos gegenüber den Betroffenen“.
       
       Dabei ist es nicht so, dass der Stadt die Einsicht fehlt. Sie hat viele
       Projekte angekündigt, doch die Pläne hängen bisher in der Luft. So stehen
       mindestens vier städtische Gebäude, deren Nutzung zur Unterbringung
       wohnungsloser Menschen zum Teil schon vor mehreren Jahren beschlossen
       wurde, noch immer leer. Das hat der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit
       Hannover“ herausgefunden. Renovierungsmaßnahmen hätten zwar zum Teil
       begonnen oder seien sogar zu Ende gebracht worden, genutzt würde allerdings
       keines der Gebäude. „Wir fordern, dass die Stadtverwaltung offen und
       transparent erklärt, wieso Wohnraum für 200 Menschen über Jahre leer steht
       und verwahrlost, während Menschen auf der Straße leben“, schreibt der
       Arbeitskreis.
       
       Eines dieser Gebäude ist eine ehemalige Bedürftigenunterkunft in der
       Schulenburger Landstraße. Bereits im Dezember 2020 besetzten linke
       Aktivist*innen den Komplex, um diesen obdachlosen Menschen zur
       Verfügung zu stellen. Die Stadt erklärte, nicht mit Besetzer*innen
       verhandeln zu wollen, und nach wenigen Stunden stürmte die Polizei [3][mit
       einem Großaufgebot das Gebäude]. Ein Großteil der Verfahren wegen
       Hausfriedensbruch wurde mittlerweile eingestellt, heißt es von der
       Staatsanwaltschaft Hannover.
       
       ## Unterkünfte für Obdachlose lassen auf sich warten
       
       Die Stadt erklärte, der Leerstand werde nun an das Wohnungsunternehmen
       Hanova verkauft. Dort solle dann eine Wohnmöglichkeit für Obdachlose
       geschaffen werden. Die Hanova will sich vor Abschluss der Verhandlungen zu
       künftigen Plänen allerdings nicht äußern.
       
       Auch die übrigen leerstehenden Gebäude sollen „für die Belange Obdach- und
       Wohnungsloser“ verwendet werden, erklärt die Stadt. Unter anderem soll eine
       Unterbringung für 90 Personen mit Einzelzimmern entstehen, ein Wohnprojekt
       für Obdachlose mit bis zu 40 Wohnungen und eine Verlegung des
       „Mecki“-Kontaktladens in der Innenstadt. Immerhin dafür ist eine Eröffnung
       für 2023 oder 2024 zu erwarten. An seiner jetzigen Adresse war der
       Kontaktladen in den vergangenen Wochen immer wieder geschlossen. Zu den
       anderen Projekten heißt es von der Stadt, der genaue
       Fertigstellungszeitpunkt könne noch nicht genannt werden.
       
       Als eine Reaktion auf die Proteste und die anhaltend schwierige Situation
       wurde das Wohnungsamt aus dem Bau- ins Sozialreferat verlegt und ein
       „Runder Tisch Wohnungslosigkeit“ geschaffen. Einwohner*innen von
       Hannover und gezielt auch Betroffene wurden zur Obdachlosigkeit befragt.
       Mehrere Stiftungen mieteten angesichts der Gefahren durch die Pandemie
       Hotels an, um obdachlose Menschen in Einzelzimmern unterzubringen.
       
       Vor einem Jahr eröffnete die Stadt ein erstes Pilotprojekt nach dem
       Housing-first-Prinzip mit 21 Plätzen, die nach und nach auf 70 erweitert
       werden sollen. Erste Mieter*innen bezogen außerdem das
       Housing-first-Projekt „Ein Zuhause“, das aus 15 Einzelwohnungen besteht und
       von Stiftungen und der Stadt getragen wird. Der Vorstand des Trägers sieht
       sich nach zehn Monaten im Konzept, Menschen zunächst unmittelbar von der
       Straße zu holen, bestätigt. Eine hohe Fluktuation an Mieter*innen gebe
       es nicht. Die Wohnungen seien sehr gefragt und sofort belegt gewesen.
       
       Neben diesen offiziellen Bemühungen gab es auch weitere praktische,
       unbürokratische Ansätze. So öffneten Aktivist*innen heimlich eine leer
       stehende Wohnung. Eine Weile kamen dort Obdachlose unter. Das Kiezkollektiv
       Hannover, das gegen Gentrifizierung und Wohnungslosigkeit kämpft, ruft dazu
       auf, weiteren Leerstand zu melden.
       
       30 Jan 2022
       
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