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       # taz.de -- Die Wahrheit: Die Xi-Spiele können beginnen
       
       > Gibt es noch Originelles über die dräuenden Winterspiele anno 2022 in
       > Peking zu berichten? Lose olympische Gedanken.
       
   IMG Bild: Der schon jetzt große Gewinner der Olympischen Winterspiele 2022: der rote Panda Xi Jinping
       
       Irgendwo muss er auch dieses Mal wieder angestellt werden, der olympische
       Gedanke, warum also nicht hier und jetzt! Die Winterspiele – früher fanden
       sie im Sportteil statt und außer Österreichern, Bayern und ein paar
       Bob-begeisterten Sachsen in Altenberg interessierte sich kaum jemand für
       dieses Nischenevent. Die große Nummer, das waren immer die Sommerspiele.
       
       Da lernte der damalige schwedische Prinz Carl Gustaf seine Silvia kennen,
       da fanden die Terroranschläge statt, da wurde der Sport auch mal zum
       Politikum. Für das 100-Meter-Finale pausiert sogar die Bundesliga, im
       Februar wird seit jeher einfach durchgekickt, da konnte der Hackl-Schorsch
       noch so sausen.
       
       In diesem Jahr ist alles anders: Zum einen sind es die ersten Winterspiele
       in der Coronapandemie. Das hat längst jeder mitbekommen, aber man muss es
       trotzdem hinschreiben, sonst gilt man nicht als begeisterter Langläufer,
       sondern als Spaziergänger. Darüber, wie emsig die Chinesen unsere
       Skispringer nun 16 Tage durchtesten wollen, haben ARD und ZDF schon vor der
       Eröffnungszeremonie gut zwei Wochen Material ausgestrahlt. Es wird den
       Leuten anscheinend nicht langweilig.
       
       Und zum anderen ist Peking, wo das Olympische Feuer in diesem Jahr brennt,
       die Hauptstadt der Volksrepublik China. In diesem Einparteienstaat liegt
       einiges im Argen, darüber herrscht beinahe so etwas wie Konsens. So sind
       diese Winterspiele ein Fall für den Politikteil, das waren sie seit dem
       Krieg bisher nur einmal, nämlich als sie 2014 vom jungen Wladimir Putin
       nach Sotschi geholt wurden. Die Gedanken sind damals wie heute dieselben:
       Darf man denn einem quasikommunistischen Schurkenstaat die Gelegenheit
       bieten, sich über den Sport zu produzieren?
       
       Olympische Gedanken sind das freilich nicht, es sind ja nicht einmal
       originelle oder gute. Wo ist das Problem, wenn China ausnahmsweise einmal
       sich selbst produziert statt dem Westen die Tupperdosen,
       Unterhaltungselektronik und Kinderspielwaren? Profitiert Staatspräsident Xi
       Jinping nicht von jedem Frachtcontainer voller iPhones mehr als von der
       Ausstrahlung der Skeleton-Vorläufe? Man will die Antworten gar nicht
       wissen.
       
       ## Das Glück des Präsidenten
       
       Zum Glück gibt es einen Mann, der dafür bezahlt wird, den Olympischen
       Gedanken zu pflegen und ihn alle zwei Jahre aufzufrischen. Er heißt Thomas
       Bach, ist Präsident des Internationalen Olympischen Komitees und sieht
       biederer und also wesentlich vertrauenswürdiger aus als Fifa-Boss Gianni
       Infantino. Aber von Katar soll hier nicht die Rede sein, damit fangen wir
       lieber gar nicht erst an. Zurück zu Thomas Bach. Der hat nämlich ein
       riesiges Problem in diesem Jahr, welches darin besteht, dass für den
       Olympischen Gedanken zwischen Pandemie und Weltpolitik kaum Platz mehr ist.
       
       Im Prinzip hat Bach 2022 nur eine Option und man darf sich gewiss sein,
       dass seine Berater sie längst erkannt, analysiert und auf dem
       unterirdischen Superrechner des IOC-Hauptsitzes in Lausanne durchgerechnet
       haben. Das Ergebnis: Der Olympische Gedanke ist nicht greifbar, aber
       dennoch weltbewegend. Er verschlingt irrsinnige Ressourcen an Energie und
       vor allem Geld – letztlich ist der Olympische Gedanke ein NFT, ein Non
       Fungible Token, eine unschätzbare kryptische Kostbarkeit.
       
       Wenn der IOC-Präsident dann den Olympischen Gedanken bei der großen
       Schlusszeremonie als animiertes GIF einer kleinen, brennenden Fackel
       präsentiert und dieses in einem hochfeierlichen Akt gegen 20 Milliarden
       Dollar in die digitale Wallet der französischen Hauptstadt (Sommerspiele
       2024 in Paris) transferiert – dann wird der Olympische Gedanke trotz aller
       Widrigkeiten viral um den Globus gehen. Thomas Bach weiß: Wenn man Elon
       Musk dazu bekommt, den Olympischen Gedanken zu retweeten, berichtet am Ende
       vielleicht sogar der Wirtschaftsteil.
       
       1 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Moritz Hürtgen
       
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