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       # taz.de -- Schönheitsnormen für Männer: Penishalter und straffe Hodensäcke
       
       > BH, Tanga und Absatzschuhe geben angeblich ein irre gutes Gefühl von
       > Weiblichkeit. Misstrauisch macht nur, dass Männer solchen Quatsch nicht
       > anziehen.
       
   IMG Bild: Da lässt sich doch bestimmt auch noch etwas optimieren
       
       Neulich spielten [1][meine Friseurin und ich mal] wieder unser
       Lieblingsspiel: Den körperlichen Verfall vergleichen. Das tun wir in einer
       Mischung aus Faszination („Schlabbert die Haut da bei dir auch so?“) und
       Irritation („Schlabbert die Haut da bei dir auch so??!!“). Wir kennen uns
       ja schon seit fast 25 Jahren, und zumindest ich bin immer wieder erstaunt,
       dass ich nicht mehr so aussehe wie mit Mitte 20.
       
       Das fällt mir im Alltag selten auf, nur wenn ich eine Stunde vor dem
       Spiegel in Jessis Salon sitze oder aus Versehen auf meinem Smartphone die
       Selfie-Option drücke. Dann erschrecke ich mich über die faltige Frau, die
       mir entgegen blickt. Ähnlich geht es mir, wenn ich Fotos anderer
       mittelalter Frauen in der Zeitung sehe und lese, dass sie fünf Jahre jünger
       sind als ich.
       
       Nach meinem inneren Bild bin ich höchstens 26 Jahre alt. Damals wusste ich
       leider nicht, wie schön ich nach dem Maßstab des gültigen Normenkatalogs
       für weiblich gelesene Personen war. Das fiel mir erst vor ein paar Jahren
       beim Betrachten von Fotos auf, weshalb ich beschloss, mich immer genau so
       schön zu finden, wie ich gerade aussehe. Weil: Besser wird’s nicht.
       
       Das Komische ist, dass es mir bei meiner Friseurin und gleichaltrigen
       Freundinnen, die ich seit 20 bis 30 Jahren kenne, anders geht. Ich
       registriere, dass auch sie älter geworden sind, aber ich sehe die Falten
       und grauen Haare nach fünf Minuten nicht mehr. Es ist, als ob sich die
       alten Bilder über das aktuelle schieben.
       
       ## Bikinizonen in nicht getrimmtem Zustand
       
       Ich muss mich null anstrengen, sie schön zu finden, sie sind es einfach.
       Auf mich selbst scheine ich hingegen mit dem Blick der 26-Jährigen zu
       blicken, die keinen Schimmer hatte, dass sie selbst mal eine von den Muttis
       am Strand sein würde, deren Cellulitis und hängende Brüste sie so mitleidig
       betrachtete.
       
       Ich zeigte Jessi also die 30 feinen kurzen Härchen, die ich kürzlich auf
       der Unterseite meiner bis dato haarlosen Unterarme entdeckt zu haben
       glaubte, und sie lachte mich aus, bevor sie mir verriet, dass sie unrasiert
       zum Fasching als Pippi Langstrumpfs Äffchen gehen könnte. Ohne Verkleidung.
       Ich geriet in Quartett-Laune und schlug vor, die Breite unserer Bikinizonen
       in nicht getrimmten Zustand zu vermessen, hatte aber Sorge zu gewinnen und
       kniff.
       
       Außerdem kann ich es nicht fassen, dass ich mit Ende 40 mit so einem
       Quatsch anfange. Katja Lewina (ein Pseudonym) schreibt in ihrem großartigen
       Buch „Sie hat Bock“, wie sie mit Mitte 30 aufhörte, sich mittels Intimrasur
       „untenrum zu einem Mädchen zu machen“ und fortan [2][„die Wolle rechts und
       links“ der Bikinihose hervor quellen] ließ.
       
       Das hatte ich 35 Jahre getan; nie war ich des Schwimmbads verwiesen worden.
       Und jetzt wollte ich zwar keinen pornofähigen Kahlschlag haben, aber
       wenigstens ein Dreieck. Wenn das so weitergeht, werde ich mir mit 50 einen
       String-Tanga in die Kimme quetschen, mit 55 meine Brüste in BHs zwängen und
       mit 60 auf Absätzen balancieren.
       
       ## Wo bleibt der Penishalter?
       
       Ich weiß, das ist alles gar nicht schlimm und gibt ein irre gutes Gefühl
       von Weiblichkeit. Misstrauisch macht mich nur, dass es immer noch keinen
       Markt gibt für den PH, den formgebenden und unterstützenden Penishalter,
       der das unangenehme bis schmerzhafte Schlenkern des Schniedels unterbindet.
       Ins Gespräch gebracht hatte ihn 1977 die Norwegerin Gert Brantenberg in
       ihrem Buch „Die Töchter Egalias“.
       
       Eine Kollegin merkte an, ob es nicht auch ein ästhetischer Gewinn wäre, die
       Hodensäcke so zu straffen, dass sie weniger baumeln. Und vielleicht ließe
       sich deren Haut etwas glätten? Wenn die [3][Intimchirurgie Schamlippen
       zurecht stutzen] kann, muss sie das doch auch schaffen.
       
       Aber das würde wohl kaum der Gleichberechtigung aller Geschlechter dienen.
       Und schließlich müssen sich auch Männer längst allen möglichen
       Schönheitsnormen unterwerfen, worauf aufmerksame Leser hinweisen. Sie haben
       so recht. Wissen wir doch alle, dass Männer in erster Linie nach ihrem
       Äußeren beurteilt werden. Es ist wirklich zum Heulen.
       
       1 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Leben-als-weiblich-gelesene-Person/!5809086
   DIR [2] https://www.jetzt.de/sex/gegen-intimrasur-warum-schamhaare-gut-und-wichtig-sind
   DIR [3] /Chirurgische-Veraenderung-der-Intimzone/!5436858
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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