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       # taz.de -- Islamfeindlichkeit in Deutschland: Keine Heimat für den Tod
       
       > Normalerweise kommen Nevin Celik und Aylin Bakirtan auf den Iserlohner
       > Friedhof, um der Angehörigen zu gedenken. Seit Silvester ist das
       > schwierig.
       
       Tarik Çopuroğlu. Geboren am 17. 9. 1980. Gestorben am 9. 12. 2014. Sein
       großer, schwarzer Grabstein muss mit einem Holzbalken und einem Spanngurt
       gehalten werden. Der Halbmond aus Marmor, der auf dem Grab liegt, ist in
       fünf Teile zerbrochen, die notdürftig zusammengesetzt wurden. Beim kleinen
       Stern daneben ist eine Zacke abgebrochen. Es ist das Grab eines jungen
       Familienvaters, der sich für Deutschland als letzten Ruheort entschieden
       hatte. Für seine Heimat.
       
       Seine Frau Nevin Celik ist erst 45 Jahre alt, ihre zehn- und 13-jährigen
       Töchter erzieht sie nun allein. Die beiden könnten nicht verstehen, was da
       mit dem Grab von ihrem Papa geschehen ist, erzählt Celik: „Sie schlafen
       schlecht und weinen viel. Sie fragen immer, warum das passiert ist. Ich
       weiß es aber auch nicht. Es ist furchtbar.“ Es ist ein großes Grab, ein
       Doppelgrab. „Wenn ich sterbe, möchte ich neben meinem Mann liegen. Ich habe
       mir also schon mein eigenes Grab gekauft. Umso schlimmer ist es, dass ich
       weiß, dass ich selbst im Tod nicht ganz geschützt bin“, sagt Celik.
       
       Der Grabstein, zusammengesetzt aus zwei Bögen, steht am Kopfende der
       Grabstätte, zusammen wiegen die Teile etwa 40 Kilo. Celik glaubt, dass
       mehrere Täter:innen mit großer Gewalt dagegengetreten haben. Wie auch
       bei anderen Steinen auf den Nachbargräbern, die teilweise noch dicker sind.
       Das Grab ihres Mannes ist nur eines von offiziell zwölf muslimischen
       Gräbern, das in der Neujahrsnacht geschändet wurde. Die Angehörigen der
       Toten sprechen sogar von einigen mehr.
       
       Noch immer liegen Einzelteile von Grabsteinen auf den Gräbern verteilt –
       manche konnten nicht einmal mehr provisorisch zusammengesetzt werden. Auf
       manchen Grabstellen stehen nur noch die Sockel. Erfahrungen mit
       Diskriminierungen habe sie bereits gesammelt, sagt Nevin Celik, sie führt
       sie auf ihr Aussehen zurück. „Als Frau mit langen schwarzen Haaren bekomme
       ich öfter mal einen Spruch ab. Auch meine Töchter werden mit,Scheiß Türken'
       beleidigt, wenn es mal Streit in der Schule gibt.
       
       Aber das ist ein Problem, das es nicht nur in Iserlohn gibt.“ So etwas wie
       den Angriff auf den Friedhof habe sie allerdings hier noch nie erlebt. Ihr
       Gesicht möchte Celik in den Medien nicht zeigen. Sie hat Angst, dass die
       Täter:innen sie in der Stadt, die rund 90.000 Einwohner:innen zählt,
       erkennen könnten. Andere Angehörige der Toten trauen sich überhaupt nicht,
       offen zu sprechen, oder haben einen Monat nach der Tat schlicht nicht die
       Kraft dazu.
       
       [1][Noch immer sucht die zuständige Staatsanwaltschaft Hagen nach Hinweisen
       und Zeug:innen aus jener Nacht.] Die Tat ist zwar offiziell als
       „islamfeindlich“ eingestuft worden, von einem rechten Anschlag möchte die
       Staatsanwaltschaft aber nicht sprechen: „Dafür gibt es bisher weder
       Hinweise noch Beweise“, heißt es dazu aus der Pressestelle. Hinweise gebe
       es laut Innenministerium in Nordrhein-Westfalen bisher nur auf einen
       betrunkenen Mann und auf eine Gruppe von Jugendlichen, die hier auf dem
       Friedhof in der Neujahrsnacht gesehen worden sei. Die Betroffenen lässt
       dies ratlos zurück.
       
       ## Christ:innen, Muslim:innen, Jüd:innen und Nichtgläubige ruhen hier
       gemeinsam
       
       Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Hauptfriedhof im
       sauerländischen Iserlohn Tausende Menschen begraben: Christ:innen,
       Muslim:innen, Jüd:innen und Nichtgläubige. Das Grab von Celiks Mann liegt
       auf dem muslimischen Teil des Friedhofs. Dieser ist durch Hecken und Büsche
       etwas abgetrennt von den anderen Ruhestätten. In fünf Reihen liegen hier
       etwa 45 Menschen. Auf der Wiese daneben gibt es ein Dutzend weitere Gräber
       und viel Platz für weitere Bestattungen.
       
       Begraben werden die Toten nach muslimischem Glauben mit Blick in Richtung
       der heiligen Stadt Mekka, eingewickelt in Leinentücher. Letzteres ist in
       Deutschland allerdings nicht erlaubt. Ansonsten sind die muslimischen
       Gräber genauso unterschiedlich geschmückt wie alle anderen Gräber auch:
       Manche haben viele Blumen und Schmuck, andere weniger. Die großen oder
       kleinen Grabsteine haben die Form eines Herzens oder eines Buchs. Darauf
       stehen Sprüche auf Arabisch und Deutsch. Einige Gräber bestehen aus einem
       Bett aus Kies oder anderen Steinen. Ein paar Gräber sind wohl länger nicht
       mehr besucht worden. Ein Grabstein ist fast komplett von Unkraut
       überwuchert.
       
       Grabschändungen wie die in Iserlohn haben in Deutschland eine lange
       Geschichte. Dabei geht es nicht um den bösen Nachbarn oder die böse
       Nachbarin, die Blumen stiehlt. Es geht um Hass auf bestimmte Religionen.
       Vor allem jüdische Friedhöfe waren oft von antisemitischen Attacken
       heimgesucht. Dokumentiert sind Schändungen im Mittelalter, im 18.
       Jahrhundert und auch während des Ersten Weltkriegs.
       
       Ihren Höhepunkt erreichten die Grabschändungen aber im Nationalsozialismus,
       als jüdische Friedhöfe landesweit fast komplett zerstört oder verkauft
       wurden. In den 1940er und 1950er Jahren gab es dann erneut eine ganze Welle
       von Schändungen auf jüdischen Friedhöfen in beiden Teilen Deutschlands, bis
       heute kommt es vereinzelt zu Angriffen. Muslimische Friedhöfe sind in der
       Vergangenheit seltener betroffen gewesen, wahrscheinlich weil sie in
       Deutschland noch nicht so lange üblich sind. Doch auch hier mehren sich in
       letzter Zeit die Fälle.
       
       Die Grabsteine von Aylin Bakirtans Eltern sind bei den Schändungen in
       Iserlohn nicht zerstört worden. Die Täter:innen sind allerdings über die
       Grabstellen getrampelt. Bakirtan war in der Türkei, als sie davon erfuhr.
       Sie kam sofort zurück und war als eine der Ersten auf dem Friedhof. Ihre
       Mutter wurde erst vor drei Monaten neben ihrem Vater begraben. „Es fühlt
       sich erniedrigend an. Da ist gerade ein Mensch beerdigt worden, und
       irgendwelche Menschen gehen so respektlos mit den Toten um. Das tut weh.
       Das tut sehr weh“, sagt die 32-Jährige.
       
       Während sie spricht, kommen die Worte immer schneller und lauter aus ihrem
       Mund. Sie hält einen Moment lang inne, guckt nachdenklich durch ihre runde
       Brille und setzt neu an. Zwischendurch schaut sie auf den massiven
       herzförmigen Grabstein ihres Vaters. Die Stele für ihre Mutter ist auch
       herzförmig, allerdings aus Holz. „Wenn die Zeit endet, beginnt die
       Ewigkeit“, steht darauf geschrieben. Davor liegt ein kleineres Herz auf dem
       Boden. Aufschrift: „Beste Mama der Welt“.
       
       ## Rassismus könnte Grund für die Schändungen gewesen sein
       
       Lange hatte Bakirtan keinen Kontakt zu ihrer Mutter. In den letzten Jahren
       ihres Lebens hat sie ihn wiedergefunden, ihre Mutter gepflegt und sehr viel
       Zeit mir ihr verbracht. Ihre Mama bedeutete ihr die Welt. „Sie war am Ende
       sehr zerbrechlich. Ich habe heute noch Angst, dass ich ihr wehtue, wenn ich
       auf das Grab trete. Die Vorstellung, dass fremde Menschen auf ihr
       herumgetreten sind, macht mich fertig. Sie kann sich doch nicht dagegen
       wehren. Sie ist schon tot.“
       
       Normalerweise sitzt die junge Frau hier stundenlang mit einer Freundin auf
       der Parkbank und schaut auf die Grabstätte. Mindestens einmal pro Woche
       kommt sie her und redet mit ihren Eltern. Sie betet. Sie ist glücklich,
       obwohl es ein Ort der Trauer ist. Das hat sich seit Silvester geändert.
       Jetzt muss sie sich mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
       auseinandersetzen. Rassismus könnte Grund für die Schändungen gewesen sein.
       Sie selbst habe noch nie so eine Diskriminierung erlebt. Eine, die sich so
       stark gegen sie selbst wendet. „Es ging nicht darum, den Toten etwas
       anzutun. Das ging gegen uns Hinterbliebene, um bei uns Hass und Wut
       auszulösen. Außerdem frage ich mich: Muss ich jetzt jeden Feiertag hier
       sitzen und aufpassen, dass nichts passiert? So wie an Silvester?“
       
       Eine Antwort darauf hat sie noch nicht gefunden. Seit dem Anschlag laufen
       häufiger Polizist:innen über den Friedhof. Die Stadt versuche die
       Streifengänge „an Tagen mit besonderer Gefährdung wie zum Beispiel
       Silvester mit einem Sicherheitsdienst zu ergänzen“, erklärt Iserlohns
       parteiloser Bürgermeister Michael Joithe. Er zeigt sich entsetzt: „Da wir
       keine auffällige rechtsradikale Szene in Iserlohn haben, kamen diese
       Grabschändungen völlig unerwartet und waren daher besonders erschreckend.
       Das gute Zusammenleben der Kulturen und Religionen in unserer Waldstadt war
       bisher eine unserer Stärken und soll es auch in Zukunft bleiben.“ Wie lange
       die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen andauern, ist noch nicht klar.
       
       Aylin Bakirtan und Nevin Celik wünschen sich Kameras für den muslimischen
       Teil des Friedhofs. Zumindest nachts sollten sie laufen und mögliche
       Täter:innen abschrecken. Jede Videoüberwachungsmaßnahme sei im
       Einzelfall auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin zu prüfen, so der
       Bürgermeister. Diese Prüfung werde jetzt von der Verwaltung vorgenommen.
       Vor einer Woche lud der Integrationsrat der Stadt Iserlohn zu einer
       Sondersitzung ein. Bürgermeister, Stadträte, Verwaltungsmitarbeitende und
       Angehörige kamen.
       
       Drei Stunden lang diskutierten die unterschiedlichen Parteien darüber, was
       jetzt geschehen kann. Das Ergebnis war für Angehörige wie Bakirtan
       ernüchternd. Die Stadt wird mit den Mitgliedern des Integrationsausschusses
       und dem Runden Tisch der Religionen eine Arbeitsgruppe einrichten. Die soll
       die Schutzmaßnahmen auf dem Friedhof diskutieren. Bakirtan wirkt wütend,
       wenn sie darüber spricht. „Es wird viel geredet und diskutiert. Es wird
       aber nie etwas umgesetzt. Es wird nie ein Zeichen gesetzt“, sagt sie
       verärgert.
       
       ## Viele Bundespolitiker:innen zeigten sich entsetzt
       
       Einer, der für den Integrationsausschuss in der Arbeitsgemeinschaft sitzen
       wird, ist Aymann Alaiz. Der 20-Jährige trägt einen grauen
       Rollkragenpullover, eine dunkle Hose und einen grauen Mantel. Auch er ist
       wieder einmal zum Friedhof gekommen. Wie so oft in den vergangenen vier
       Wochen. Er ist auch enttäuscht von der Sitzung: „Vonseiten der Stadt heißt
       es immer, man werde Dinge prüfen. Das dauert zu lange. Das zeigt doch, dass
       wir Musliminnen und Muslime mit unseren Sorgen einfach nicht ernst genommen
       werden.“
       
       Vor einem Jahr wurde er in den städtischen Integrationsrat gewählt. Ihm ist
       es wichtig, den Muslim:innen eine Stimme zu geben und auf den Rassismus,
       den sie erleben, aufmerksam zu machen. Drei Tage nach Neujahr hatte er
       deshalb eine spontane Kundgebung auf dem Friedhof organisiert. Rund 300
       Menschen kamen, darunter auch CDU-Politiker Paul Ziemiak, der hier seinen
       Wahlkreis hat. In den nächsten Tagen folgten weitere Landespolitiker:innen,
       die sich den Friedhof anschauten. In den sozialen Netzwerken haben sich
       viele Bundespolitiker:innen entsetzt gezeigt und mit den Menschen in
       Iserlohn solidarisiert. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir
       twitterte: „Die Schändung von Gräbern in Iserlohn ist zutiefst abstoßend &
       nichts anderes als ein feiger antimuslimischer Anschlag.“
       
       Für Alaiz ist solcher Zuspruch ein starkes Zeichen und ein wichtiger erster
       Schritt. Trotzdem glaubt er, dass viel mehr geschehen muss. Vor allem müsse
       es überhaupt ein Bewusstsein in Deutschland dafür geben, dass es
       antimuslimischen Rassismus gibt. Dafür hält er die Attacke hier auf dem
       Friedhof. Während er spricht, wählt er seine Worte sehr bedacht. „Wenn wir
       als Integrationsrat nicht auf die Angriffe auf dem Friedhof aufmerksam
       machen, dann macht es niemand. Wahrscheinlich hätte niemand drüber
       gesprochen.“
       
       Aufmerksamkeit gibt es im Moment viel. Wieder steht ein Kamerateam auf dem
       Friedhof neben ihm, interviewt die Angehörigen und filmt die Gräber. Aber
       wie lange sich die Menschen für antimuslimischen Rassismus interessieren
       werden, fragt sich Alaiz. Er und der Integrationsrat möchten sich noch
       besser mit den Muslim:innen in Iserlohn zusammenschließen, damit das
       Thema präsent bleibt. Die verschiedenen muslimischen Gemeinden haben schon
       vor Jahren den Verein „Bündnis der Muslime in Iserlohn“ gegründet, den
       Alaiz sehr gut kennt. „Wir müssen um unsere Rechte kämpfen, über
       antimuslimischen Rassismus sprechen und Forderungen an die Politik stellen.
       Die Veränderung fängt bei uns hier in Iserlohn an, denn irgendwo muss sie
       anfangen“, sagt Alaiz.
       
       Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat auf die Attacken
       reagiert, die es in diesem Jahr bereits gab: Neben den Grabschändungen in
       Iserlohn [2][wurde auch auf eine Moschee in Halle geschossen]. In Chemnitz
       brannten ein Auto und ein Mülleimer vor einer Moschee. Jetzt sollen in
       muslimischen Gemeinden bundesweit sogenannte Sicherheitsbeauftragte
       ausgebildet werden. Sie sollen dafür sensibilisiert werden, antimuslimische
       Straftaten zu erkennen, sie richtig anzuzeigen und andere Menschen nach
       Erfahrungen eines antimuslimsichen Rassismus zu unterstützen. Sie sollen
       aber auch lernen, wie Gebäude sicherer gemacht werden können.
       
       ## Die Chancen, die Täter:innen zu finden, sind niedrig
       
       Ob das auch in Iserlohn nötig wird? Eigentlich sei das eine Stadt, in der
       alle Menschen gut miteinander auskommen und selbstverständlich
       zusammenleben, erzählt Alaiz: „Die allermeisten sind von Frieden und
       Freiheit überzeugt. Obwohl ein Drittel der Menschen in Iserlohn eine
       Migrationsgeschichte hat, müssen wir noch viel aufklären. Das ist leider
       überall anders auch so.“ Seine eigenen Großeltern kamen in den 1960er
       Jahren als Gastarbeiter:innen aus der Türkei. Angriffe wie der auf den
       Friedhof in Iserlohn lassen sie noch immer zweifeln, ob sie einen Ort ihre
       Heimat nennen können, an dem sie nicht willkommen sind. „Sie überlegen
       jetzt, ob sie sich hier beerdigen lassen wollen oder doch lieber in die
       Türkei überführt werden wollen. Auch jüngere Musliminnen und Muslime sagen
       mir, dass sie sich nicht wie Deutsche fühlen, weil sie anscheinend nicht
       erwünscht seien“, berichtet Alaiz.
       
       Konkrete Gründe dafür gibt es einige. So wurde bereits ein Jahr zuvor ein
       muslimisches Grab geschändet. Eine Anzeige gab es damals jedoch nicht, auch
       in den Medien wurde nicht darüber berichtet. Auch in diesem Jahr haben
       wieder nicht alle Angehörigen Anzeige erstattet. „Die Menschen verlieren
       das Vertrauen in die Gesellschaft, die Polizei und andere Behörden. Sie
       fühlen sich nicht ernst genommen und zeigen solche Dinge dann auch nicht
       an“, erklärt Alaiz.
       
       Nevin Celik zum Beispiel hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Die
       Chancen, dass die Täter:innen gefunden werden, sind erfahrungsgemäß
       nicht sehr hoch. Das bedeutet für Celik ganz konkret: Niemand muss für
       ihren Schaden zahlen. 8.500 Euro hat das Grab inklusive Grabstein und
       Marmorplatten gekostet. Das türkische Generalkonsulat aus Essen hat ihr
       Hilfe angeboten. Es hat versprochen, das Grab zu ersetzen: Halbmond und
       Stern sollen in der Türkei neu angefertigt und dann nach Iserlohn gebracht
       werden.
       
       Auch Aylin Bakirtan bekommt einen richtigen Grabstein für ihre Mutter.
       Hülya Eren möchte ihr den schenken. Die komplett in Schwarz gekleidete Frau
       hatte in der Schweiz von den Grabschändungen auf dem Iserlohner Friedhof
       gehört und sofort Kontakt zum Integrationsausschuss der Stadt gesucht. Eren
       hat angeboten, allen Angehörigen einen Grabstein zu schenken, wenn sie das
       finanziell allein nicht stemmen können. „Ich möchte helfen“, sagt sie, „es
       geht um Menschlichkeit, und dafür ist kein Weg zu weit. Mir ist es hier in
       Iserlohn wichtig zu zeigen, dass es von überallher Solidarität gibt.“
       
       Eren, die gebürtig aus der Türkei stammt, kennt die Betroffenen erst seit
       sehr kurzer Zeit, trotzdem umarmt sie Celik und Bakirtan beim Treffen auf
       dem Friedhof immer wieder oder flüstert ihnen etwas auf Türkisch ins Ohr.
       Sie hat in Luzern einen, wie sie ihn nennt, Grabsteinverein gegründet. Sie
       berät dort Muslim:innen bei anstehenden Beerdigungen und verkauft
       passende Grabsteine. Für viele sei eine Beerdigung in Europa noch nicht
       lange ein Thema, berichtet Eren. Erst seit etwa zehn Jahren, so ist ihr
       Eindruck, würden immer mehr Menschen ihren letzten Ruheort hier und nicht
       in ihren Ursprungsländern suchen und finden. „Die Menschen wollen in ihrer
       Heimat bleiben – wo sie auch gelebt haben und wo auch immer noch die
       Familie lebt. Sie kennen sich aber mit den Gegebenheiten nicht aus.“ Es
       besteht also viel Beratungsbedarf.
       
       Auch weitere Privatmenschen und Institutionen haben ihre Hilfe angeboten
       und möchten Geld spenden. Doch wohin sollen sie spenden? Aylin Bakirtan
       kann sich vorstellen, mit anderen Angehörigen einen Förderverein zu gründen
       und den Friedhof irgendwie selbst sicherer zu machen. Außerdem will sie die
       Arbeit der Mitglieder der neu eingerichteten Arbeitsgemeinschaft aufmerksam
       begleiten und versuchen, die Prozesse dort zu beschleunigen, falls es nötig
       werden sollte. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Toten endlich in Frieden
       ruhen können.“
       
       4 Feb 2022
       
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