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       # taz.de -- Bundesregierung gegen EU-Taxonomie: Atom bremsen, Gas geben
       
       > Die Regierung lehnt die EU-Kriterien für nachhaltige Investitionen ab.
       > Kernkraft gehöre nicht da rein. Beim Erdgas hätte sie es aber gerne
       > lascher.
       
   IMG Bild: Umweltministerin Lemke geht mit der EU-Kommission auf Kollisionskurs
       
       BERLIN taz | Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag der EU-Kommission zu
       den Detailregeln der umstrittenen „Taxonomie“ in seiner jetzigen Form ab.
       Die [1][Einbeziehung von Atomkraft in die EU-weiten Kriterien] bei
       nachhaltigen Investitionen [2][will die Ampelregierung verhindern], die
       Regeln zum Gas sind ihr dagegen zu restriktiv. Das steht in der
       [3][Stellungnahme der Regierung], die sie am späten Freitagabend kurz vor
       Ablauf der Frist an die EU-Kommission in Brüssel übermittelt hat.
       
       Darin drohte die Regierung mit einer Ablehnung, wenn der umstrittene
       „delegierte Rechtsakt“, den die Kommission Mitte nächster Woche erlassen
       will, nicht nachgebessert werde. Die grünen Klimaminister Robert Habeck und
       Umweltministerin Steffi Lemke erklärten: „Sollte der delegierte Rechtsakt
       unverändert bleiben und die Kommission die kritischen Stellungnahmen
       etlicher Mitgliedsstaaten und auch unsere unberücksichtigt lassen, sollte
       Deutschland ihn unserer Meinung nach ablehnen.“ Ob Deutschland sich einer
       möglichen Klage anderer Staaten anschließt, ist noch unklar. Die
       Mitgliedsstaaten oder das Parlament können den Erlass allerdings wegen der
       komplizierten Mehrheitsverhältnisse in der EU kaum verhindern.
       
       Die EU-Kommission hatte am 31. Dezember den Mitgliedsstaaten ihren
       Vorschlag für einen „delegierten Rechtsakt“ geschickt, der die Details zur
       „grünen Taxonomie“ regeln soll. Darin stehen Kriterien, wann eine
       Investition in der EU als nachhaltig gilt. Unter bestimmten Bedingungen
       hatte die Kommission auch Geld für den Ausbau der Atom- und Gasindustrie
       aufgenommen. Das hatte zu einer Welle des Protestes in Europa geführt: Das
       Etikett „grün“ für die Atomkraft wird von Umweltgruppen und Staaten wie
       Österreich und Luxemburg kritisiert. Die Aufnahme von Gas hatten etwa
       „Fridays for Future“ als „[4][Schlag ins Gesicht der Klimabewegung]“
       bezeichnet.
       
       ## 2036 nur ein „Richtwert“
       
       Im Einzelnen erklärt die Bundesregierung: „Atomenergie ist nicht
       nachhaltig“ und gehöre deshalb nicht in die Taxonomie. Das Risiko von
       Unfällen und die ungelöste Endlagerfrage sprächen dagegen, Investitionen in
       die Nukleartechnik grün zu etikettieren.
       
       So sehr die Bundesregierung Atom als grünes Investment ablehnt, so sehr
       macht sie sich für laschere Regeln bei Investitionen in Erdgas stark. „Auch
       die Nutzung von Erdgas ist langfristig nicht nachhaltig“, schreibt sie.
       Allerdings „bildet fossiles Gas in hochmodernen und effizienten
       Gaskraftwerken für einen begrenzten Übergangszeitraum eine Brücke, um den
       schnellen Kohleausstieg zu ermöglichen.“ Damit Gaskraftwerke erneuerbare
       Energien ergänzen können, die Stromversorgung sichern und schnell auf
       Wasserstoff umgestellt würden, brauche es allerdings „Verbesserungen an
       technischen Kriterien“ zur Taxonomie, so die deutsche Forderung.
       
       So seien Emissionsgrenzen für Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung in der
       Industrie und für Fernwärme in Gebäuden notwendig. Vor allem findet die
       Regierung die Regeln und Zeitrahmen zu streng, nach denen Gaskraftwerke von
       fossilem auf grün erzeugtes Gas umsteigen sollen: Die Zwischenschritte für
       2026 und 2030 seien nicht zu schaffen, und der Wechsel zu 100-prozentigem
       grünem Gas in 2036 könne nur ein „Richtwert“ sein, weil unsicher sei, dass
       bis dahin genug grünes Gas auf dem Markt ist.
       
       In einer ersten Reaktion kritisiert die Linksfraktion, dass die Regierung
       den „Brandbeschleuniger der Klimakatastrophe“ als nachhaltige Investition
       bezeichne. Auch die Deutsche Umwelthilfe stört sich am „Jein zur Aufnahme
       fossiler Erdgaskraftwerke“. Selbst wenn sie notwendig seien, mache das die
       Technik „noch lange nicht zu einer grünen Technologie“, erklärte
       Geschäftsführer Sascha Müller-Kränner. „Deshalb muss sich die Regierung der
       von Österreich und Luxemburg angekündigten Klagen gegen den
       Taxonomie-Rechtsakt anschließen.“
       
       22 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-und-Klimawende/!5823224
   DIR [2] /Atompolitik-der-EU/!5823358
   DIR [3] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Europa/stellungnahme-zur-taxonomie.pdf?__blob=publicationFile&v=4
   DIR [4] /Umstrittene-Plaene-der-EU-zur-Taxonomie/!5825704
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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