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       # taz.de -- Initiator über #outinchurch: „Deutliche Doppelmoral“
       
       > Jens Ehebrecht-Zumsande arbeitet als schwuler Mann für die katholische
       > Kirche. Dass er keine Probleme in seinem Bistum hat, ist nicht
       > selbstverständlich.
       
   IMG Bild: TeilnehmerInnen der Intiative „Outinchurch“. Szene aus der ARD Doku „Wie Gott uns schuf“
       
       taz: Herr Ehebrecht-Zumsande, Sie sind der [1][Initiator der Initiative
       #outinchurch]. Was steckt dahinter? 
       
       Jens Ehebrecht-Zumsande: Der Auslöser war vor gut einem Jahr die
       [2][#actout-Kampagne der Schauspielerinnen und Schauspieler.] Damals habe
       ich das Cover fotografiert und mit den Worten „Das brauchen wir in der
       katholischen Kirche auch“ bei Twitter geteilt und am Abend hatte ich schon
       ein paar Hundert Nachrichten bekommen. Zusammen mit dem Pfarrer Bernd
       Mönkebüscher aus Hamm haben wir dann verschiedene Netzwerke kontaktiert.
       Zwei Wochen später haben wir zu einer Zoom-Konferenz eingeladen und da
       waren wir schon über 90 Leute.
       
       Online gegangen sind Sie mit der Initiative dann ein Jahr später. 
       
       Wir haben schnell gemerkt, wie komplex das Ganze ist, wie viele Fragen wir
       klären müssen und wie groß bei den meisten die Angst vor den Konsequenzen
       ist. Deshalb haben wir lange gebraucht, um unsere Strategie klar zu haben,
       unser Manifest zu schreiben und die Kampagne vorzubereiten.
       
       Die Veröffentlichung kommt zu einer Zeit, wo aufgrund [3][des Gutachtens
       über sexualisierte Gewalt im Bistum München und Freising] gerade wieder
       viel über die katholische Kirche berichtet und diskutiert wird. 
       
       Das ist Zufall, wir haben uns bei der Veröffentlichung an die nächste
       Versammlung des „Synodalen Wegs“, die am kommenden Wochenende stattfindet,
       orientiert. Wir wollten damit gerne davor aufschlagen. Dass es jetzt direkt
       nach dem Gutachten kommt, hat uns zunächst besorgt. Jetzt denke ich aber,
       dass die Dinge auch zusammen gehören. Papst Benedikt XVI. ist auch eine der
       Personen, der über Jahrzehnte einen großen Anteil an der Homo- und
       Transfeindlichkeit in der katholischen Kirche hatte.
       
       Er war einer derjenigen, die viele der Lehrschreiben in Kraft gesetzt
       haben. Wenn man sich das jetzt vor Augen führt, dass er in Zeiten, wo er
       selbst noch aktiv beteiligt war an dem [4][nicht korrekten Umgang von
       Missbrauchstätern], dann Papiere und Stellungnahmen herausgibt, wo er
       Homosexualität als unmoralisch abqualifiziert und Schreiben verfasst, wo er
       sagt, homosexuelle Menschen seien keine reifen Persönlichkeiten, dann wird
       seine Doppelmoral noch mal ganz deutlich.
       
       Welche rechtlichen Konsequenzen befürchten Sie? 
       
       Es steht für alle Menschen, die sich an dieser Kampagne beteiligen, die
       Möglichkeit im Raum, dass sie deshalb gekündigt werden. Als kirchliche
       Mitarbeiter sind wir der Loyalität verpflichtet und unterschreiben im
       Vertrag, dass wir die Sitten- und Morallehre der Kirche auch im Privatleben
       nicht nur verkünden, sondern auch selber praktizieren. Die rote Linie ist
       für viele Bistümer, wenn man eine gleichgeschlechtliche Ehe schließt.
       
       Generell sind die Schwierigkeiten, die man als queere Person in der Kirche
       hat, sehr von den jeweiligen Bischöfen abhängig. Ich bin in meinem Bistum
       schon länger geoutet und habe da mit dem aktuellen Bischof keine Probleme.
       In anderen Bistümern wäre das aber undenkbar. Es ist ein Problem, dass es
       für die ganzen Mitarbeitenden der Kirche keinerlei Rechtssicherheit gibt.
       Wir sind immer davon abhängig, wie der jeweilige Vorgesetzte das
       Kirchenrecht anwendet, ob er es liberaler auffasst. Das ist ein
       Unrechtssystem.
       
       In der ARD [5][gibt es jetzt auch eine einstündige Doku] über die Kampagne. 
       
       Hajo Seppelt hatte schon lange in dem Themenkomplex recherchiert und war
       dann auf unsere Initiative gestoßen. Für uns war es ein großes Glück, einen
       Medienpartner mit großer Reichweite an der Seite zu haben. Für viele
       bedeutet diese Doku auch ihr Coming-out. Man kann sich vorstellen, dass man
       so eine Entscheidung nicht nebenbei trifft. In unserer internen Chatgruppe
       berichten jetzt schon viele über unglaublich viele positive Reaktionen,
       auch von Kolleginnen und aus dem persönlichen Umfeld.
       
       Was erhoffen Sie sich jetzt nach der Veröffentlichung? 
       
       Dass uns der Erzbischof Stefan Heße aus Hamburg schon ein Gespräch
       angeboten hat, ist wunderbar. Das erhoffen wir uns von allen Bischöfen.
       Aber natürlich wenden wir uns nicht nur an die Bischöfe, sondern an alle in
       der Kirche. Wir erhoffen uns, dass unsere Forderungen und unser Manifest in
       der Kirche, aber auch in der Gesellschaft diskutiert werden. Und wir
       fordern substanzielle Änderungen. Der Bischof von Aachen hat sich auch
       entschuldigt. Das freut uns, aber wir können das nur ernst nehmen, wenn
       Veränderungen folgen. Deshalb braucht es auch außerhalb der Kirche ins
       politische Feld hinein einen gewissen Druck, dass sich die Bischöfe, wenn
       es ums Arbeitsrecht geht, auch bewegen müssen.
       
       Zum Schluss die Frage, die Sie im Zuge der Kampagne, aber vermutlich auch
       in Ihrem Leben schon häufiger beantworten mussten: Warum engagieren Sie
       sich für die Veränderungen in der katholischen Kirche, statt einen
       Kirchenaustritt zu erwägen? 
       
       Ich kann da für mich sprechen, aber weiß, dass das auch viele Menschen aus
       der #outinchurch-Kampagne so sehen: Wir können die Kirche nur von innen
       heraus verändern. Und es braucht laute und mutige Stimmen für die
       Veränderung. Ich kann alle Menschen verstehen, die der Institution der
       katholischen Kirche den Rücken gekehrt haben. Das ist eine mögliche
       Konsequenz nach der jahrelangen Diskriminierung und auch den Gutachten zur
       sexualisierten Gewalt, die ich voll akzeptiere. Aber ich möchte auch
       deutlich sagen: An uns ist nichts verkehrt, es muss uns niemand aus der
       Kirche aussperren. Wir bleiben, um sie zu verändern und stören, indem wir
       sichtbar sind. Weil, so wie es ist, kann es nicht bleiben.
       
       25 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://outinchurch.de/manifest/
   DIR [2] /Manifest-actout/!5747692
   DIR [3] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5829198
   DIR [4] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5829334
   DIR [5] https://www.ardmediathek.de/video/wie-gott-uns-schuf/wie-gott-uns-schuf-oder-die-doku/das-erste/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvd2llLWdvdHQtdW5zLXNjaHVmLzIwMjItMDEtMjRUMjI6NTA6MDBfMWUzNjQ3OGQtNjkwZi00Y2M3LWEzMTgtM2Q0NmY0MGY2MDMwL3dpZV9nb3R0XzIwMjIwMTI0X3dpZV9nb3R0X3Vuc19zY2h1Zl9kaWVfZG9rdQ/
       
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