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       # taz.de -- Haarspray-Werbung: Schön für die Scheidung
       
       > Wer sich um seine Haare kümmert, muss nicht mehr auf einen Mann als
       > Belohnung setzen. Das zeigt die Neuauflage einer ikonischen
       > Haarspray-Werbung.
       
   IMG Bild: Haare gut, Mann weg, alles gut
       
       „Hamburg, 8.30 Uhr. Wieder mal Regen. Perfekter Halt fürs Haar …“ Und so
       weiter. Besagtes Spray verklebte das Haupt damals derartig effektiv, dass
       Frauen endlich vielfliegend die Welt erobern konnten.
       
       Heute hilft die gleiche Marke bei einem anderen Problem. [1][In einem recht
       neuen Werbespot] bringt eine Frau ihr Cabrio vor einem großen Gebäude zum
       Stehen, sprüht sich den Schopf ein, stöckelt die Treppe hinauf zu einer
       Anwalts-Sister im Businesssuit, entledigt sich dabei ihres Eherings, und
       wirft dem designierten Ex einen triumphierenden Blick zu: Mit diesem
       Haarspray kann man sich scheiden lassen. Haare gut, Mann weg, alles gut.
       
       Die dekorative Kosmetik, deren Narrativ im Werbespot bis dahin stets mit
       der heteronormativen Zweierbeziehung abschloss, ist somit auf einem neuen
       Level. Das Happy End der Dramaturgie lockt erstmals nicht mehr mit einem
       Mann als Belohnung für das (dank des Produkts) gute Aussehen. Sondern mit
       der Trennung von jenem Mann, der einem in sämtlichen Spots zuvor noch brav
       hinterhergeguckt hatte.
       
       Wenn Werbung auch nur im Entferntesten die Gesellschaft abbildet, könnte
       das ein Zeichen für einen Wandel sein. Es gibt zwar schon länger
       Kosmetikspots, in denen Freundinnen sich (partysausend) selbst genügen,
       eine große Marke wirbt zudem seit Jahrzehnten mit dem Claim „Weil ich es
       mir wert bin“ und impliziert damit die Unabhängigkeit vom Urteil anderer.
       
       Doch die Trennung als solche, die mithilfe von Anwält:innen vollzogen
       wird, war noch nie Teil des kosmetischen Heilsversprechens.
       „Schöner“-machende Produkte stellten stets die glückliche Liebe, nicht den
       glücklichen Single in Aussicht: Glück bedeutete (irreale) Beziehung. Einzig
       in Weingummi-Spots knabberte schon mal ein Häschen tröstend das Foto des
       gemeinen Exfreunds an, und liebeskummerige Freundinnen schenkten sich
       Schokolade.
       
       Dass seit einer Weile eine „Monatshygiene“-Marke auf schon lange geäußerte
       Kritik eingegangen ist, und in Werbespots statt blauer „Ersatzflüssigkeit“
       rotes Zeug in die Binde gießt, um zu beweisen, wie dicht sie hält, passt
       zum Ringen nach mehr Realität. (Nur adelige Frauen finden das eventuell
       nicht gerecht, weil sie sich mit der blauen Tinktur gut repräsentiert
       gefühlt hatten…) Reale Körperflüssigkeitsdarstellungen auch in
       Babywindelspots Einzug halten zu lassen, steht jedenfalls noch an.
       
       21 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=YtYljGevSdA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
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