URI: 
       # taz.de -- Waffengewalt in Washington DC: Todesschuss in Georgetown
       
       > Die Mordrate in der US-Hauptstadt steigt. Bislang wurde das hingenommen.
       > Doch jetzt fliegen auch in den Nobelvierteln die Kugeln.
       
   IMG Bild: Ort eines Mordes auf offener Straße: Die Nobelmeile M Street in Washington DC
       
       Washington taz | Eine tödliche Schießerei in der US-Hauptstadt Washington,
       ausgerechnet in einem der reichsten Stadtbezirke, führt zu neuen Debatten
       über die [1][steigende Kriminalitäts- und Mordrate in den US-amerikanischen
       Großstädten].
       
       Die Tat ereignete sich am vergangenen Montag während des Feierabendverkehrs
       im Stadtteil Georgetown. Das Opfer war der 27-jährige Tarek Boothe. Der
       angehende Koch wurde nach einer Auseinandersetzung um kurz nach 18 Uhr
       Ortszeit auf offener Straße erschossen. Die genauen Umstände der Tat werden
       aktuell noch von der Polizei untersucht. Diese geht allerdings von einem
       gezielten Angriff aus. Der mutmaßliche Todesschütze ist derweil weiterhin
       auf freiem Fuß.
       
       Was in Berlin der Kurfürstendamm, in Düsseldorf die Königsallee und in New
       York die Fifth Avenue ist, das ist in Washington die M Street in
       Georgetown. Es reihen sich dort trendige Bars, hochkarätige Restaurants und
       Designerläden – und das Studio der ARD – aneinander. Nur unweit davon
       entfernt befindet sich zudem die Georgetown University, [2][eine der besten
       Hochschulen im gesamten Land]. Dass es ausgerechnet hier, an der Kreuzung M
       Street und 33rd Street, zu einer tödlichen Schießerei kam, sorgte für
       großes Aufsehen.
       
       In dem Nobelstadtteil, wo der durchschnittliche Immobilienverkaufspreis 1,4
       Millionen Dollar beträgt, kommt es nämlich nur selten zu Gewalttaten. Laut
       Washington Post ereignete sich die letzte tödliche Schießerei in
       Georgetown in einem Reihenhaus im Februar 2021. „Es ist ein trauriges
       Zeichen unserer Zeit“, sagte Lisa Palmer, die nur zehn Minuten vor der Tat
       mit ihrem Wagen auf der M Street unterwegs war, um ihre Tochter abzuholen.
       
       ## 14 Morde seit Jahresbeginn
       
       „Meine Mitbewohner und ich versteckten uns im Keller und verriegelten alle
       Türen. Wir wussten ja nicht, ob es sich um einen Amoklauf handelte“, sagte
       Georgetown-Studentin Emily Green gegenüber dem lokalen TV-Sender WUSA9.
       
       Die Worte eines weiteren Kommilitonen verdeutlichen, dass für manche
       US-Bürger*innen Gewalttaten leider zum Alltag gehören. „Welches Kind hatte
       in der Schule nicht ständig Lockdown- und Amoklauf-Übungen“, fragte der
       Student Mark Haggard. „Ein Teil von mir sagt sich, ‚Ja, so sieht es aus,
       wenn man etwas lernen will‘. Es ist eine echte Gefahr. Es ist scheiße, aber
       es nicht neu oder überraschend.“
       
       Seit Jahresbeginn hat [3][Washington] 14 Morde zu verzeichnen. Das sind
       zwar drei weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, doch insgesamt
       sind die Gewalttaten um 22 Prozent angestiegen. Auch die Mordrate in der
       US-Hauptstadt ist während der letzten vier Jahre jeweils stetig
       angestiegen. Im vergangenen Jahr kam es in Washington zum ersten Mal seit
       2003 zu mehr als 200 Tötungsdelikten.
       
       Wie akut das Kriminalitätsproblem aktuell ist, zeigt sich auch daran, dass
       nur sechs Minuten nach dem Mord in Georgetown in einem anderen Stadtteil
       zwei weitere Personen durch Schüsse verletzt wurden. „Ich bin entsetzt und
       besorgt. Diese schamlose Waffengewalt darf nicht geduldet werden. Wir
       müssen mehr tun, um alle Einwohner zu schützen“, schrieb Stadträtin Brooke
       Pinto auf Twitter.
       
       ## Von guten und schlechten Vierteln
       
       Die Frage ist, was genau kann dagegen unternommen werden? Erst 2020 stimmte
       der Stadtrat für eine Kürzung des Polizeihaushaltes um 15 Millionen Dollar.
       Das Resultat war ein Einstellungsstopp, der dazu führte, dass aktuell 200
       Polizeibeamte fehlen – und das bei steigenden Mordzahlen.
       
       Am Beispiel von Georgetown wird zudem deutlich, dass Mord nicht überall
       Mord ist. Der Tod von Tarek Boothe machte vor allem deshalb Schlagzeilen,
       da er sich in einem Stadtteil ereignet hatte, in dem fast nur gut betuchte
       Menschen leben. Die vielen anderen Morde in den Stadtvierteln im Osten
       Washingtons, in denen die Mehrzahl der Menschen arm und schwarz ist,
       erhalten nur selten eine solche mediale Aufmerksamkeit.
       
       „Diese Schießerei mit Todesfolge wird sehr viel Aufmerksamkeit erregen, da
       es in Georgetown geschah. Ich lebe im Nordosten von Washington, wo
       Schießereien und Todesfälle viel häufiger vorkommen, die allerdings kaum
       Beachtung finden. Doch diese Leben, dia dabei ausgelöscht werden, bedeuten
       genauso viel“, schrieb Alexandria R auf Twitter.
       
       4 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Prozess-um-die-toedlichen-Schuesse-von-Kenosha/!5816761
   DIR [2] /Korruption-an-US-Eliteunis/!5580417
   DIR [3] /!1084467/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hansjürgen Mai
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Stadtgespräch
   DIR Schwerpunkt Waffen in den USA
   DIR Washington D.C.
   DIR New York
   DIR Schwerpunkt Waffen in den USA
   DIR USA
   DIR Rap
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Schüsse in New Yorker U-Bahn: Schütze in Manhattan gefasst
       
       Ein 62-jähriger Mann wurde nach Hinweisen auf offener Sraße festgenommen.
       Am Donnerstag soll er einem Gericht vorgeführt werden.
       
   DIR Waffengewalt in den USA: Mehrere Tote in Denver
       
       Ein Unbekannter hat im Bundesstaat Colorado mindestens vier Menschen
       erschossen. Neueste Zahlen zeigen, dass Waffengewalt in den USA zunimmt.
       
   DIR Notstand in US-Bundesstaat Illinois: Waffengewalt wird Gesundheitskrise
       
       In den Städten des US-Bundesstaats Illinois sterben immer mehr Menschen
       durch Schusswaffen. Nun wurde der „Gesundheitsnotstand“ ausgerufen.
       
   DIR HipHop-Szene in Chicago: Der Tod von Carlton D. Weekly
       
       Chicago ist Mordhauptstadt der USA. Auch zwischen Rap und Gangaktivitäten
       bestehen viele Zusammenhänge. Aber es gibt Alternativen.