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       # taz.de -- Schweizer gewinnt Ski-Abfahrt: Dem Hang angepasst
       
       > Abfahrtspisten wie die am Xiaohaituo werden „gebaut“. Der Grund? Damit
       > die eisharten Könige des Alpinen sich auch heimisch fühlen.
       
   IMG Bild: Volle Abfahrt: der Schweizer Beat Feuz
       
       Yanqing taz | Treffen sich die besten alpinen Skifahrer, fühlt es sich
       immer ein wenig so an, als sei man in den Alpen. Das liegt nicht an diesem
       wohlklingenden Geräusch, das entsteht, wenn die Skikanten über den Schnee
       kratzen, auch nicht an dem eigenwilligen Gang, mit dem sich Menschen in
       Skistiefeln fortbewegen; am Geruch nach Sunblockercreme, die dick auf
       vielen Gesichtern aufgetragen wird, wenn die Sonne hoch über dem Hang
       steht, liegt es ebenfalls nicht.
       
       Es liegt an diesem merkwürdigen Gemisch aus alpenländischen Idiomen. Wenn
       Berge in der Nähe sind, wollen Bayern meist besonders bairisch daherkommen,
       und auch Österreicher, Südtiroler oder Schweizer hören sich so an, als
       fühlten sie sich heimisch. Da ist es egal, ob sie in Pyeongchang, Sotschi
       oder Yanqing, dem Skigebiet der Pekinger Spiele, sind. Was Abfahrtsstrecken
       betrifft, steckt auch in den exotischsten Bergen immer etwas aus den Alpen.
       
       Wie bei den vorangegangenen Olympischen Spielen war es auch diesmal ein
       Schweizer, der die Piste gebaut hat. Bernhard Russi, 1972 in Sapporo selbst
       Olympiasieger in der Abfahrt, hat schon mehr als zwölf Abfahrten kreiert.
       Und wenn er davon erzählt, wie schwierig es ist, die Hänge umzugestalten
       oder gar erst zu schaffen, dann drängt sich die Frage auf, wie der Berg
       wohl ausgesehen haben mag, bevor auf Russis Anraten Unmengen von Erde und
       Steinen abgetragen worden sind, damit [1][die Skiwelt die harten Männer],
       als die sich die Abfahrer gerne selber sehen, bewundern kann.
       
       Xiaohaituo heißt der Berg hinter Yanqing, den Russi umgestaltet hat.
       Besonders schwierig, so hat er es vor den Spielen erzählt, sei die Frage
       gewesen, wohin man den ganzen Aushub bringen könne. Einfach zu andern
       Pisten aufschütten? Keine gute Idee. In den regenreichen Sommermonaten
       hätte es die Erdmassen wohl bald ins Tal gespült. Der Aushub musste fest
       verbaut werden.
       
       Skisprungschanzen oder Eiskanäle sind die plastischsten Beispiele für
       Eingriffe in die Natur zugunsten von Sportgroßveranstaltungen. Bei
       Abfahrtspisten ist das nicht viel anders. Wenn sich der Sport dem Hang
       anpassen müsste, könnte es ja sein, dass statt einer spektakulären
       Rennstrecke mit engen Kurven, Sprüngen, Kompressionen eine eher fade Piste
       zum Heruntergleiten entsteht. Der Hang muss sich dem Sport beugen. Nur dann
       ist das Spektakel für die harten Männer hart genug.
       
       Ein solcher ist gewiss Daniel Hemetsberger. Der Österreicher kam beim
       olympischen Abfahrtsrennen mit blutverschmiertem Gesicht ins Ziel. Er hatte
       sich, nachdem er ein Tor um ein Haar verfehlt hätte, selbst mit dem
       Skistock auf die Nase geschlagen. „Das war schon unangenehm, ich habe ja
       gespürt, wie das Blut rinnt“, hat er hinterher erzählt. „Aber so ist der
       Rennsport.“ Na bitte! Die verkrustete Stelle am Nasenrücken nimmt er wie
       eine Auszeichnung nach Hause mit.
       
       ## Bilder von Stürzen
       
       Für den Super G am nächsten Tag war er eh nicht eingeplant. Den verpasst
       der deutsche Dominik Schwaiger nach seinem Sturz am Montagvormittag. Mit
       schweren Prellungen musste er ins Krankenhaus gebracht werden, nachdem er
       infolge eines Sturzes in die Fangzäune geschlittert war. Sind es die Bilder
       solcher Stürze, die eine Abfahrt erst zu einem Event machen? Wollte man nur
       ein Skigebiet erschließen, um für die 300 Millionen Chinesen, die
       [2][IOC-Präsident Thomas Bach] mit den Spielen zum Wintersport bringen
       will, Pisten zu bauen, dürfte man Russi nicht beauftragen. Für nicht allzu
       geübte Alltagsfahrer ist etwa der Starthang der Abfahrt viel zu steil.
       
       Nur für die Besten wird so eine Piste gebaut. Das waren an diesem Tag die
       erfahrenen Rennläufer. Gold ging an den [3][Schweizer Beat Feuz, der schon
       13 Weltcupabfahrten gewonnen hat;] darunter dreimal die berüchtigte von
       Kitzbühel. Silber holte sich in seinem späten Karriereherbst der 41-jährige
       Franzose Johan Carey; der Österreicher Matthias Mayer, der schon
       Olympiasieger in der Abfahrt und im Super G war, wurde Dritter. „Satz mit
       x, war wohl nix“, war der Kommentar von Josef Ferstl zum Abschneiden der
       Deutschen an diesem Tag. Er war als 23. ins Ziel gekommen, Andreas Sander
       als 17. und Romed Baumann auf Platz 13.
       
       Letzterer meinte, dass er nicht die richtige Abstimmung, was den Schnee
       betrifft, gefunden habe. „Der Kunstschnee hier verträgt nicht so viel
       Druck“, meinte er. Kunstschnee – auch so ein Thema im winterlich
       dauertrockenen Yanqing. Für Pistenbauer Berhard Russi eher kein so großes.
       Weil es immer um die minus 15 Grad sei, könne es keine besseren Bedingungen
       für den Rennsport geben.
       
       7 Feb 2022
       
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   DIR Andreas Rüttenauer
       
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