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       # taz.de -- Artensterben durch Erderhitzung: Für Korallen ist es schon zu spät
       
       > Die Nesseltiere sterben bei einer geringeren Erderhitzung als angenommen
       > komplett aus. Bereits bei einer Zunahme von 1,5 Grad ist Schluss.
       
   IMG Bild: Pilz-Lederkorallen am Great Barrier Reef in Australien
       
       Berlin taz | Es ist noch schlimmer als gedacht: Nach Erkenntnis [1][des
       Weltklimarats IPCC] gehen bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 1,5
       Grad Celsius zwischen 70 und 90 Prozent aller Korallenriffe verloren.
       Erreicht die menschengemachte Klimaerhitzung durchschnittlich 2 Grad, sind
       sogar 99 Prozent dieser mit Algen symbiotisch lebenden Nesseltiere weg. Nun
       kommt aber eine neue Studie zu dem Ergebnis: Bereits bei 1,5 Grad ist
       Schluss mit den [2][Korallen].
       
       Ein Team um Adele Dixon von der University of Leeds nutzte für ihre Arbeit
       die neuesten Klimamodelle des IPCC. Diese kombinierten die Wissenschaftler
       mit hochauflösenden Satellitenmessungen, bei denen weltweit mit einer
       Genauigkeit von einem Kilometer die Oberflächentemperatur der Meere
       bestimmt wird. Hauptaugenmerk legten sie dabei auf sogenannte „thermische
       Refugien“: Meeresgebiete, die trotz global steigender Temperaturen immer
       noch gute Bedingungen für Korallen bieten, beispielsweise weil
       Meeresströmungen kälteres Wasser aus der Tiefe heranschaffen.
       
       Die Häufigkeit von Tagen mit unnormal hoher Wassertemperatur hat in den
       vergangenen hundert Jahren global um 34 Prozent zugenommen. Hitze ist Gift
       für Korallen. Sind die Wassertemperaturen lange zu hoch, stoßen die
       koloniebildenden Nesseltiere jene Algen ab, von denen sie sich ernähren.
       Als „[3][Korallenbleiche]“ wird dieser Schutzmechanismus bezeichnet, weil
       es die Algen sind, die den Korallen ihre Farbenpracht verleihen. Anhaltende
       „Bleiche“ bedeutet nichts anderes als Tod: Ohne die Symbiose mit den
       photosynthetisch aktiven Algen sterben die Steinkorallenstöcke ab.
       
       Im Durchschnitt dauert es nach einer maritimen Hitzewelle mindestens zehn
       Jahre, bis sich die Korallengemeinschaft wieder erholt. In den „thermischen
       Refugien“ geht das, aktuell liegen 84 Prozent aller Korallenriffe in solch
       thermischen Refugien. Steigt global die Temperatur jedoch um
       durchschnittlich 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, liegen nur
       noch 0,2 Prozent der Korallenriffe in solchen Refugien.
       
       Überraschend ist das nicht. Laut IPCC haben die Ozeane 93 Prozent jener
       Wärmeenergie absorbiert, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt
       bislang zusätzlich auf der Erde verblieben sind. Bis 2019, ermittelte ein
       chinesisches Forscherteam um den Atmosphärenphysiker Lijing Cheng, haben
       die Ozeane die unvorstellbare Menge von 228 Zettajoule aufgenommen. Um
       diese Energiemenge anschaulich zu machen, rechnete das Team diese in die
       Energie der Hiroshima-Bombe um. Demnach gelangte in den vergangenen 25
       Jahren die Energie von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben in die Ozeane.
       Das entspricht etwa vier Hiroshima-Bomben pro Sekunde. Ein Viertel
       Jahrhundert lang.
       
       7 Feb 2022
       
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