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       # taz.de -- 150. Geburtstag von Theodor Lessing: Lessing-faire in Hannover
       
       > Er ist einer der großen Söhne Hannovers und leider fast vergessen. Schade
       > eigentlich, findet die Kolumnistin. Lessing hilft doch sogar gegen
       > Haushalt.
       
   IMG Bild: Theodor Lessing: Zu seinem 80. Todestag gab es noch eine Ausstellung, zum 150. Todestag nix
       
       Am Wochenende hat mich ein Kaninchenbau verschluckt. Also keines dieser
       „Rabbit holes“ im Internet, sondern ein ganz altmodisches, analoges, zum
       Großteil auf Papier. Zwei viel gebildetere Kollegen von [1][der Zeit ] und
       [2][der Süddeutschen Zeitung ] haben mich nämlich darauf aufmerksam
       gemacht, dass diese Woche der 150. Geburtstag Theodor Lessings gewesen wäre
       – wovon man in seiner Geburtsstadt Hannover aber nicht so viel merkt, wie
       einer der Kollegen mit spürbarem Naserümpfen notiert.
       
       Das finde ich nun grundsätzlich unverschämt, wenn man in Hamburg oder
       München über Hannover die Nase rümpft. Das steht denen nicht zu, aber egal.
       Im Fall Lessings haben sie womöglich nicht ganz Unrecht, da könnte man
       schon mehr draus machen, so viele große Söhne hat die Stadt ja nun auch
       nicht.
       
       Aber mit so einem Lessing tut man sich natürlich schwer. Wer sollte dieses
       Gedenken denn wohl organisieren? Das Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium, das
       die Eltern mehrfach bat, dieses Kind doch endlich woanders hinzuschicken?
       
       Die Stadt, womöglich in demselben Amtszimmer, in dem der Oberbürgermeister
       damals den Uni-Professor und Volkshochschuldozenten bat, die Lehrtätigkeit
       einzustellen, mit der er die Jugend verdirbt? Die Universität, die zusah,
       wie die rechtsnationalen Professoren und Burschenschaftler eine nicht
       endende Hetzkampagne gegen ihn anzettelten?
       
       Es gibt kaum eine Institution, die unbelastet salbungsvolle Worte sprechen
       könnte – weil dieser wunderbare zauselige Jude, Sozialist und Feminist
       Theodor Lessing kaum etwas so gut konnte wie sich unbeliebt zu machen.
       Nicht nur bei den Nazis, die ihn im tschechischen Exil hinterrücks
       erschossen haben.
       
       Es wäre ihm ja aber auch suspekt gewesen, so hohle Sonntagsreden oder
       Gedenkplaketten an irgendwelchen Häusern, das Umbenennen von Straßen und
       Plätzen – das hat er zumindest immer mal wieder geschrieben.
       
       Trotzdem bizarr, dass in Hannover gerade über die Umbenennung der
       Hindenburgstraße gestritten wird. Es war gerade der Artikel über den
       greisen, tumben Generalfeldmarschall, der Lessing den unversöhnlichen Hass
       der Rechten eintrug. Weil er hellsichtig davor warnte, dass dieser als
       Reichspräsident die Republik in den Abgrund stürzen würde.
       
       Nein, man müsste ihn halt einfach mal wieder lesen, den Lessing. Die
       Reportagen zum Haarmann-Prozess, die Schriften gegen den Lärm, die
       philosophischen Werke, die Feuilletons, die gesellschaftskritischen
       Betrachtungen.
       
       Und dann kann man staunen, vor sich hin glucksen und sich manchmal auch
       gruseln, wie präzise beobachtet vieles davon war, wie hellsichtig und sich
       vorsichtig fragen, was der wohl zu diesem oder jenem heutigen Phänomen zu
       sagen hätte.
       
       Also, jedenfalls habe ich das am Wochenende getan. Eigentlich hätte ich
       wohl putzen sollen. Aber wie Lessing schon sagte: „Drei Viertel aller
       Hausfrauentätigkeit ist überflüssig, unpraktisch und unproduktiv!“ Da habe
       ich das halt gelassen.
       
       11 Feb 2022
       
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   DIR [1] https://www.zeit.de/2022/06/theodor-lessing-nationalsozialismus-krieg-geschichte
   DIR [2] https://www.sueddeutsche.de/politik/theodor-lessing-marienbad-hannover-rainer-marwedel-thedel-von-wallmoden-wallstein-1.5520546?reduced=true
       
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