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       # taz.de -- Genossenschaften und Wohnungsbau: „Wir können 2.000 Wohnungen bauen“
       
       > Zum Bündnis für Neubau gehören auch Genossenschaften. Mit am Tisch sitzt
       > Andreas Barz. Er sagt, die vergangene Legislatur waren „verlorene Jahre“.
       
   IMG Bild: Hat den Holzbaupreis gewonnen: Der Neubau der Ostseeplatzgenossenschaft im Wedding
       
       taz: Herr Barz, Sie waren am 28. Januar bei der Auftaktsitzung des
       Bündnisses Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten dabei. Wie verlief die
       Sitzung?
       
       Andreas Barz: Ich habe eine gut gelaunte Regierende Bürgermeisterin
       gesehen, die zu Beginn mit allen ein kurzes Gespräch geführt hat.
       
       Ein Signal also, dass es ihr ernst ist mit dem Thema? 
       
       Ja, es ist ihr ernst. Auch damit, am Ende zu einem Ergebnis zu kommen. Es
       war eine sehr konstruktive Atmosphäre und ein guter Auftakt.
       
       Wie passt dazu, dass Grüne und Linke eine [1][gemeinsame Erklärung
       verhindert] haben? 
       
       Das Papier kam sehr kurzfristig, aber vielleicht ist das auch der
       Geschwindigkeit geschuldet, die die Regierende Bürgermeisterin einfordert.
       Ich würde das Ganze nicht so hoch hängen. Das mit dem Durchstechen hat die
       Regierende Bürgermeisterin übrigens nicht gut gefunden. Sie hat gesagt,
       wenn man zu Ergebnissen kommen will, braucht es Vertrauen.
       
       Dann gehen wir mal ins Detail. 20.000 Wohnungen will Rot-Grün-Rot im Jahr
       bauen. Davon die Hälfte im bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Sektor.
       Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sagen, sie könnten 7.000 im
       Jahr bauen. Also müssen noch 3.000 gemeinwohlorientierte Wohnungen
       dazukommen. Wie viel können Sie als Genossenschaften davon bauen? 
       
       In der letzten Legislatur haben wir immer gesagt: Wenn die Voraussetzungen
       stimmen, dann können es schon 2.000 Wohnungen im Jahr sein, die die
       Genossenschaften bauen. Wir als Bündnis junge Genossenschaften könnten da
       500 Wohnungen beisteuern.
       
       Welche Voraussetzungen müssten das sein? 
       
       Wir müssen gute Grundstücke und eine auskömmliche Förderung bekommen. Wir
       sind gerade dabei, im [2][Schumacher Quartier] auf dem ehemaligen Flughafen
       Tegel einen Vorschlag einzubringen, der den Bau von 700 bis 800 Wohnungen
       durch Genossenschaften vorsieht.
       
       Wie viele Wohnungen haben die Genossenschaften in den vergangenen Jahren
       gebaut? 
       
       Ein paar hundert Wohnungen. Das war verschwindend gering. Mir fällt da die
       [3][Ostseeplatz eG] mit ihrem [4][Holzbau in der Lynarstraße] ein. Dort
       sind knapp 100 Wohnungen, meistens Clusterwohnungen, entstanden. Aus dem
       Bündnis junge Genossenschaften hat die Blaue Insel eG auf der Schöneberger
       Linse angefangen. Das ist also zu vernachlässigen. Aber nicht, weil wir
       nicht wollten, sondern weil die Bedingungen nicht stimmten.
       
       Es gab einen Genossenschaftsdialog mit dem Senat. 
       
       Das war kein Dialog, sondern ein Monolog. Zuerst von der ehemaligen
       Bausenatorin Lompscher, dann von ihrem Nachfolger Sebastian Scheel. Da
       haben wir vier Jahre lang über die sogenannte 20er-Liste diskutiert.
       
       Also die 20 landeseigenen Grundstücke, die der Senat den Genossenschaften
       zur Verfügung stellen wollte. Von Ihrer Seite hieß es, die Grundstücke
       seien teilweise Schrott gewesen. 
       
       So weit würde ich nicht gehen. Aber sie waren viel zu klein, am Ende ist
       davon so gut wie nichts umgesetzt worden. Das waren verlorene Jahre.
       
       Der Linken wurde immer wieder nachgesagt, dass sie zu sehr auf das Bauen
       der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gesetzt hat. Erwarten Sie, dass
       es mit Frau Giffey und einem SPD-Bausenator besser wird? 
       
       Das hoffe ich sehr. Der Linkspartei war die Selbstbestimmung in den
       Genossenschaften nicht ganz geheuer. Da hoffe ich, dass es mit der SPD
       anders ist. Bei der Auftaktsitzung haben wir deshalb einen Dialog auf
       Augenhöhe eingefordert. Deshalb ist das Schumacher Quartier auch so
       wichtig. Bei der ersten Planung 2014 waren Genossenschaften nicht
       vorgesehen.
       
       Haben sich Frau Giffey und Bausenator Andreas Geisel zu den
       Genossenschaften als Akteurinnen beim Neubau bekannt? 
       
       Ja. Wobei wir uns wünschen würden, dass die Bedingungen bei den
       Grundstücken besser wären. Da gibt es zum Beispiel Erbbauverträge, die
       nicht akzeptabel sind. Warum nicht landeseigene Grundstücke an
       Genossenschaften verkaufen?
       
       Weil der Senat seine Liegenschaftspolitik zugunsten Erbpacht verändert hat.
       Das war ein großer Schritt nach vorne. 
       
       Aber Genossenschaften sind seit 150 Jahren Bestandshalter. Da muss keiner
       die Angst haben, dass sie ihre Grundstücke weiterverkaufen und damit
       spekulieren. Wir fordern ja nicht, dass der Senat Grundstücke an private
       Investoren verkauft. Wir aber sind sozialwohlorientiert.
       
       Was heißt das genau? 
       
       Über 200.000 Berlinerinnen und Berliner sind in den Genossenschaften
       organisiert. Die Durchschnittsmiete der Traditionsgenossenschaften beträgt
       5,31 Euro den Quadratmeter. Bei den Bündnisgenossenschaften und ihren
       Neubauten sind es etwa acht Euro.
       
       Der zweite Punkt neben den Grundstücken ist die Neubauförderung. Wie muss
       die aussehen, damit sie ihre 2.000 Wohnungen als Genossenschaften bauen
       können? Der Senat hat ja bereits angekündigt, die Wohnungsbauförderung von
       100 Millionen auf 500 Millionen zu erhöhen. 
       
       Bisher ist eine Bedingung an Bauherren, dass 30 Prozent der Wohnungen
       gemeinwohlorientiert sein müssen. Das sind in der Regel Wohnungen, die für
       6,70 Euro vermietet werden. Der Rest kann dann hochpreisig vermietet oder
       als Eigentumswohnung verkauft werden. Bauherren sind also gezwungen
       querzufinanzieren, um die Gemeinwohlquote zu schaffen.
       
       Das lehnen Sie ab. 
       
       Wir wollen eine Förderung, die es uns ermöglicht, Wohnungen in einem
       Preiskorridor von 6,70 bis zehn Euro anzubieten, ohne dabei hochpreisig zu
       werden oder Eigentumswohnungen zu bauen. Unser Auftrag ist es schließlich,
       unsere Mitglieder mit Wohnraum zu versorgen. Und dann stellt sich ja noch
       die Frage nach den sozialen Trägern oder Ateliers, die in so einem Neubau
       Platz finden sollen.
       
       Private Investoren bauen bezahlbare Wohnungen bislang fast ausschließlich
       im Rahmen des Modells der kooperativen Baulandentwicklung. Um Baurecht zu
       bekommen, müssen sie 30 Prozent bezahlbar bauen und auch Kitas und Straßen
       finanzieren. Nun fordern Linke und Grüne mit dem Hinweis auf München, die
       Quote auf 50 bis 70 Prozent zu erhöhen. 
       
       Auch darüber muss im Bündnis noch einmal gesprochen werden. Wenn wir nicht
       querfinanzieren, und das wollen wir nicht, können wir auch keine Schule und
       Kita mitfinanzieren. Da müsste man sehen, ob man Genossenschaften nicht
       davon ausnehmen könnte.
       
       Wie sollte das rechtlich gehen? Das war ja schon beim Mietendeckel nicht
       möglich, weshalb sich die Genossenschaften dagegen vehement gewehrt haben. 
       
       Andere Bundesländer oder Kommunen wie Tübingen schauen da nicht so starr
       ausschließlich auf die Wettbewerbskriterien.
       
       Die Wohnungsbaugesellschaften bauen, anders als Genossenschaften oder
       Baugruppen, oft von der Stange. 
       
       Wenn ich mir die Wasserstadt Oberhavel anschaue, wird mir angst und bange.
       Das ist gruselig, da ist nichts gemischt. Ich möchte da nicht wohnen. Ich
       verstehe übrigens nicht, warum die städtischen Wohnungsbaugesellschaften da
       keinen Ehrgeiz entwickeln.
       
       Wie soll also architektonische Vielfalt und Qualität gesichert werden? Die
       Architektenkammer war zur Auftaktsitzung nicht eingeladen. Wären
       Wettbewerbe, wie sie die Kammer immer fordert, ein geeignetes Mittel? 
       
       Ja. Wettbewerbe sind ein wichtiger Beitrag, um zu einer guten Architektur
       zu kommen. Auch im Schumacher Quartier.
       
       Nun soll es im Bündnis drei Arbeitsgruppen geben, um über Neubau, Mieten
       und Baukultur zu reden. Aber am Ende wird alles in der Senatskanzlei
       gesteuert. Ist das gut oder schlecht, wenn die Fäden bei der Regierenden
       Bürgermeisterin zusammenlaufen? 
       
       Das ist nicht das schlechteste Modell, wenn jemand Verantwortung einfordert
       und sie dann auch wahrnimmt. Das war zuletzt nicht so.
       
       Zuletzt hat der Mieterverein die Wohnungsmärkte in Hamburg und Berlin
       untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass Neubau alleine die
       Mietpreissteigerung nicht dämpft. Wie wichtig ist die Mietenregulierung im
       Bestand? 
       
       Ich habe es so wahrgenommen, dass es nicht aus den Augen verloren wird. Das
       ist ja ein Auftrag, der sich auch aus dem erfolgreichen Volksentscheid
       ergibt. Das hat die ganze Runde so auch wahrgenommen.
       
       Ein Vorschlag von Bausenator Geisel war ein Mietenmoratorium. Würden die
       Genossenschaften da mitgehen? 
       
       Wenn Sie auf unsere Mieten schauen, sehen Sie, dass wir das längst machen.
       Allerdings müssen wegen des Klimawandels Modernisierungen wirtschaftlich
       sein.
       
       10 Feb 2022
       
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