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       # taz.de -- Social-Media-Regeln beim WDR: Was ist privat?
       
       > In einem Entwurf hat der WDR Social-Media-Regeln für seine
       > Mitarbeiter*innen vorgestellt. Personalrat und Redakteursvertretung
       > äußern Bedenken.
       
   IMG Bild: Ein falsches Like oder ein falscher Kommentar kann das Karriereaus bedeuten
       
       Als Medienunternehmen, das bei der internen und externen Kommunikation in
       eigener Sache glanzvoll agiert, ist der WDR in der jüngeren Vergangenheit
       eher nicht aufgefallen. Eines der frappierenden Beispiele war Ende 2019
       [1][das sogenannte Omagate]. Damals [2][entschuldigte sich der WDR] nach
       einer im rechten Milieu orchestrierten Kampagne für eine satirische Fassung
       des Kinderliedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ und löschte ein
       entsprechendes Video.
       
       Am Dienstagnachmittag wurde auf einer von der Redakteursvertretung des WDR
       zwecks Diskussion mit der Geschäftsleitung einberufenen Versammlung nun der
       Vorwurf laut, der Sender habe „aus Omagate nichts gelernt“. Anlass der
       Veranstaltung war der Entwurf einer „Dienstanweisung zum Umgang mit
       sozialen Medien“, den die Geschäftsleitung der Redakteursvertretung
       vorgelegt hatte und der in Teilen wie ein Kotau vor nicht zu übermäßiger
       Sachlichkeit neigenden Kritikern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
       wirkt.
       
       In Paragraf 5.3 des Entwurfs wird redaktionellen Mitarbeiter*innen mit
       beruflichen Nachteilen für private Äußerungen in sozialen Medien gedroht –
       jedenfalls, wenn durch diese „der Eindruck der Voreingenommenheit oder
       Parteilichkeit entsteht und dies Themenbereiche tangiert, in denen die oder
       der Mitarbeitende dienstlich tätig ist“. Dann behalte sich der WDR vor,
       „ihnen im Rahmen seines Weisungsrechts andere Aufgaben zuzuweisen“. Die
       geplanten Guidelines sollen auch regeln, wie Mitarbeitende auf ihren
       privaten Accounts kommentieren und liken und wem sie folgen dürfen.
       
       Weil netzpolitik.org [3][den Entwurf am Montagabend publik gemacht] hatte,
       reagierte der WDR bereits vor der Versammlung mit einer Stellungnahme:
       „Warum machen wir das? In der Vergangenheit wurde immer wieder durch
       private Meinungsäußerungen Einzelner der Eindruck erweckt, dies sei die
       Haltung des WDR und aller seiner Mitarbeiter:innen.“
       
       ## Meinungsfreude eindämmen?
       
       Hält der WDR seine hochqualifizierten Mitarbeiter*innen für nicht
       befähigt, sich auf Social Media angemessen zu verhalten? Oder will er ihre
       Meinungsfreude eindämmen? Dabei profitiert der Sender indirekt durchaus
       davon, dass namhafte Mitarbeiter ihre „Marke“ etwa bei Twitter ausbauen.
       
       Der Entwurf wirke „wie eine Einladung an viele Kritiker:innen, zukünftig
       missliebige Meinungen und Personen dem WDR zu melden, der die Beschwerden
       dann bearbeiten muss“, schreibt netzpolitik.org-Autor Leonhard Dobusch (der
       dem Fernsehrat des ZDF angehört). Teilnehmer*innen der Versammlung
       kritisierten nun, der Entwurf sei ein „Ausdruck von Misstrauen“ gegenüber
       den Mitarbeitenden. Zu einem „offenen Klima“ trage die „Dienstanweisung“ in
       ihrer bisherigen Fassung nicht bei.
       
       ## „Voreingenommenheit“ kein Rechtsbegriff
       
       Die zentrale inhaltliche Kritik der Veranstaltung betraf die geringe
       juristische Substanz des Passus, in dem mit arbeitsrechtlichen Schritten
       für „voreingenommene“ Posts gedroht wird. Teilnehmer wiesen darauf hin,
       dass „Voreingenommenheit“ kein „Rechtsbegriff“ sei. Ob eine Äußerung
       „voreingenommen“ ist, ist arbeitsrechtlich überhaupt nicht greifbar –
       anders, als wenn ein Mitarbeitender beim WDR Briefmarken klaut.
       
       Eine gewisse Genugtuung war daher bei den Teilnehmenden der Versammlung zu
       spüren, als Jörg Schönenborn, Programmdirektor für Information, Fiktion und
       Unterhaltung, zurückruderte: Der Passus, dass private Meinungsäußerungen
       eine Versetzung zur Folge haben könnten, werde in einer endgültigen Fassung
       der Dienstanweisung nicht auftauchen, sagte er dem Vernehmen nach.
       
       ## Entwurf „aus der Intendanz“
       
       Ein Teilnehmer der Teams-Sitzung hatte den Eindruck, Schönenborn habe „den
       Kopf für etwas hinhalten müssen, was er selbst nicht verbockt hat“. Ein
       bekannter WDR-Moderator, so ein weiterer Teilnehmer, sagte in dem
       Zusammenhang, es wüssten ja „alle“, dass der Entwurf „aus der Intendanz“
       stamme. Aus der Intendanz soll sich in der Konferenz aber niemand zu Wort
       gemeldet haben.
       
       Einen überarbeiteten Entwurf – das wurde am Dienstag deutlich – gibt es
       bisher aber nicht, zumindest nicht in schriftlich fixierter Form. Der WDR
       hatte den Entwurf in seiner Stellungnahme bereits als „veraltet“
       bezeichnet, er entspreche „nicht dem aktuellen Stand der Beratungen“. Doch
       ob „veraltet“ oder nicht: Ausdruck des Mindsets führender Kräfte im Sender
       ist der Entwurf allemal. Darauf hob auch eine Teilnehmerin ab: Es sei
       schlimm genug, dass so ein Schriftstück überhaupt aufgesetzt worden sei,
       sagte sie.
       
       9 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Die-Umweltsau-durchs-Dorf-treiben/!5650367
   DIR [2] /Umweltsau-Video-des-WDR/!5648806
   DIR [3] https://netzpolitik.org/2022/neues-aus-dem-fernsehrat-83-exklusiv-plaene-fuer-verschaerfte-social-media-regeln-beim-wdr-update/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Martens
       
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