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       # taz.de -- Olympia 2022 – Dabei sein verboten (7): Zwei Gesichter
       
       > Die uigurische Professorin Gulnar Obul kritisierte die chinesische
       > Regierung und verschwand. Nun lobt sie die Machthaber. Man ahnt
       > Schlimmes.
       
   IMG Bild: Ein Polizist in Yining patrouilliert vor einem der viel kritisierten Internierungslager in Yinjiang
       
       Niemand möchte in diese Situation geraten: verschleppt, gefoltert und
       erpresst zu werden. Und nur freizukommen, wenn man öffentlich im Brustton
       der Überzeugung behauptet, was die Peiniger verlangen: das Gegenteil von
       dem zu sagen, was man vorher gesagt hat. Und damit politischen
       Freund*innen in den Rücken zu fallen und seine eigene Reputation zu
       zerstören, sodass man vor Scham nicht mehr in den Spiegel sehen kann.
       
       Ein mutmaßliches Beispiel für den in China nicht ungewöhnlichen Fall ist
       die uigurische Professorin Gulnar Obul. Manche sehen ihre öffentliche
       180-Grad-Wende nach mehrwöchigem „Verschwinden“ als [1][Muster für den Fall
       des Tennisstars Peng Shuai] und deren zweifelhaften Aussagen, nachdem sie
       einen Exvizepremier des sexuellen Übergriffes beschuldigt hatte.
       
       Die Literaturprofessorin Gulnar Obul verschwand im September 2018 spurlos.
       Ihr Eintrag auf der Uni-Webseite war auch gelöscht worden, so wie der drei
       weiterer verschwundener Lehrkräfte. Zuvor hatte Gulnar Obul in einem
       Interview mit einer wissenschaftlichen Zeitschrift Chinas Regierung für
       ihre Politik gegenüber den Uiguren kritisiert. Deren Vorgehen, bei dem laut
       Menschenrechtsorganisationen Hunderttausende Uiguren in sogenannte
       Umerziehungslager gesteckt wurden, nannte sie „übertrieben“.
       
       Pekings Beamten in Xinjiang warf sie vor, den Islam und seine Traditionen
       nicht zu kennen. Dort könnten doch nicht für alle Probleme „extreme
       religiöse Kräfte“ verantwortlich gemacht werden. Ihr und den anderen drei
       uigurischen Professor*innen soll vor dem jeweiligen Verschwinden
       vorgeworfen worden sein, äußerlich der Regierung Loyalität zu zeigen, aber
       in Wirklichkeit gegen sie zu arbeiten.
       
       Ab 2021 trat Gulnar Obul dann plötzlich bei Veranstaltungen der Regierung
       auf und vertrat zu 150 Prozent deren Linie. So behauptete sie am 1. Februar
       – ähnlich wie später Peng Shuai –, sie sei nie gefangengehalten worden. So
       verwahrte sie sich dagegen, in einer norwegischen Datenbank mit über 5.000
       gefangenen Uiguren geführt zu werden.
       
       Uigurischen Separatisten warf sie Lügen vor, um damit China schlecht
       darzustellen. Laut dem US-Sender [2][Radio Free Asia] lobte sie China vor
       dem UN-Menschenrechtsrat dafür, mehr als 300 uigurische Dörfer und
       Distrikte aus der Armut geholt zu haben, was in dem Satz gipfelte: „Alle
       Ethnien sind so harmonisch zusammen wie die Kerne von Granatäpfeln.“ Sie
       verurteilte den in München ansässigen Uigurischen Weltkongress und ein
       Uiguren-Tribunal in London.
       
       Auch bei Gulnar Obul gibt es wie bei Peng Shuai viele Mutmaßungen und
       letztlich kaum Gewissheit.
       
       13 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://globalvoices.org/2022/01/27/tennis-star-peng-shuai-and-professor-gulnar-obul-from-captives-to-actors/
   DIR [2] https://www.rfa.org/english/news/uyghur/scholar-propaganda-08032021190833.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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