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       # taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Sehnsucht nach Katharsis
       
       > In dieser Woche kann man wieder gemeinsam weinen und zittern: auf der
       > Berlinale, in der Galerie und im Theater. Das tut gut nach diesem Winter.
       
   IMG Bild: Auch hier kehrt richtig Glamour ein: Das Kino Union in Friedrichshagen
       
       Der Weg zur 72. Berlinale, die dieses Jahr wieder trotz alledem in Präsenz
       stattfindet, ist steinig. Aber wenn man wirklich bereit ist, sich durch
       alles durchzuwurschteln, [1][Tickets im Internet zu erwerben], Schnelltests
       zu machen und bloß die Powerbank nie zu vergessen, damit der Zugriff auf
       die Corona-Warnapp erhalten bleibt, dann ist es eigentlich doch wieder
       geradezu aufregend.
       
       Die Menschen, die brav im Schachbrettmuster in den Kinosälen sitzen,
       verhalten sich äußerst rücksichtsvoll und vorsichtig. Vielleicht auch, weil
       es so etwas Besonderes ist, wirken sie noch schicker gekleidet als sonst.
       Sie scheinen auch noch näher am Wasser gebaut und holen bei jeder
       Kleinigkeit die Taschentücher aus der Tasche. Auch klatschen sie am Ende
       noch länger als gewöhnlich.
       
       Und bei einigen Filmen kommen tatsächlich am Ende Regisseur*innen und
       Darsteller*innen auf die Bühne und können sich vor Dankesreden aus dem
       Publikum kaum retten. Wer also auf der Berlinale nicht nur auf die großen
       Stars aus ist, die sich auch diesmal eher rar machen, sondern auch auf
       kleine Filme, auf Überraschungen und Blickwechsel, der kann auf der
       Berlinale viel ausrichten gegen den [2][Coronablues der letzten Wochen].
       
       Bis Mittwoch geht das verkürzte Festival nur noch, dann werden bereits die
       Preise verliehen. Und anschließend gibt es vier Publikumstage, an denen all
       jene, die eher Pech hatten bei der Ticketjagd, noch einmal ein bisschen
       nachholen können.
       
       ## Es leben die Kinos
       
       Hinzu kommt, dass die Berlinale auch in diesem Jahr wieder tief hineingeht
       in die Stadt: mit „Berlinale Goes Kiez“, einer Reihe, die seit 2010 die
       überaus resiliente [3][Kinovielfalt in Berlin] würdigt – immerhin hat sie
       sich, wie es zurzeit aussieht, nicht einmal während einer Pandemie von den
       Streamingdiensten unterkriegen lassen. Bis Freitag macht das Festival je
       ein Kiezkino zum zusätzlichen Spielort der Berlinale. So ist am 14. 2. das
       erst im letzten Jahr wiedereröffnete Kino Intimes in Friedrichshain dran,
       am 15. 2. das Kino Union am S-Bahnhof Friedrichshagen und am 16. 2. das
       Kino Passage in Neukölln.
       
       Doch auch jenseits der Berlinale gibt es Möglichkeiten, den Kopf mal wieder
       durchzulüften. So eröffnet in der Berlinischen Galerie am Freitag um 11 Uhr
       eine Ausstellung namens „Modebilder – Kunstbilder“, die sich den
       Verflechtungen von Mode, Kunst und gesellschaftlicher Veränderung widmet.
       So wird etwa die Befreiung der Damenmode vom Korsett der Reformbewegung
       thematisiert, außerdem werden Kleidungsstücke des Berliner Fotografen Rolf
       von Bergmann zu sehen sein, der als einer der wichtigsten Chronisten der
       queeren Berliner Szene gilt.
       
       Und am selben Tag um 19.30 Uhr darf man Corinna Harfouch wieder mal als
       Mann erleben: in der Premiere „Queen Lear“ am Gorki. Aber Achtung: Nur weil
       hier anstatt eines Kings eine Queen am Werk ist, wird es nicht unbedingt
       hoffnungsvoller. Shakespeares Stück kann einfach nur böse bleiben, es lässt
       nicht die kleinste utopische Kraft zu, die Welt säuft in Wahnsinn und
       Machtgier ab.
       
       Und das ist auch gut so, denn das Gefühl der kollektiven Katharsis haben
       viele nicht nur beim gemeinsamen Heulen im Kino, sondern auch beim
       gemeinsamen Fürchten im Theater durch den Konsum beinharter Tragödien
       vermisst.
       
       14 Feb 2022
       
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