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       # taz.de -- Olympia 2022 – Dabei sein verboten (9): Wo ist Tang Jiatian?
       
       > Seit Dezember ist der Menschenrechtsanwalt Tang Jitian verschwunden.
       > Schon häufiger war der 52-Jährige in Haft. Vermutlich ist dies wieder der
       > Fall.
       
   IMG Bild: Menschenrechtsanwalt Tang Jitian
       
       Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und
       humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg (Grüne), [1][twitterte] am letzten
       Donnerstag: „Vor zwei Monaten brach der Kontakt zu Menschenrechtsanwalt
       #TangJitian ab. Wir müssen davon ausgehen, dass er erneut inhaftiert wurde.
       Ich rufe die chinesischen Behörden dazu auf, ihn unverzüglich
       freizulassen!“ Der 52-jährige Tang Jitian war am 9. Dezember verschwunden,
       als er auf dem Weg zu einer Veranstaltung der EU-Vertretung in Peking zum
       Internationalen Tag der Menschenrechte war.
       
       Das Verschleppen und zeitweilige Verschwindenlassen regierungskritischer
       Personen ist in China nicht ungewöhnlich. Als Täter kommen unterschiedliche
       staatliche Ebenen in Frage. Oft werden Opfer gefoltert, nie haben sie in
       dieser Zeit Zugang zu einem Rechtsbeistand und nicht selten verschwinden
       sie zunächst in sogenannten „schwarzen Gefängnissen“. Das sind unmarkierte
       Gebäude, deren Existenz offiziell geleugnet wird und in denen Gefangene von
       zivil gekleideten Beamten oder bezahlten Schlägern bewacht und gewaltsam
       verhört werden.
       
       Die Verschleppten tauchen meist erst wieder auf, wenn sie direkt vor
       Gericht gestellt werden, schon in einem Schnellverfahren abgeurteilt wurden
       oder in ein offizielles Gefängnis verlegt werden. Doch auch in regulären
       Gefängnissen werden Regierungskritiker über Monate, manchmal auch ein oder
       zwei Jahre, eingesperrt, bis dies offiziell bestätigt wird. Oft passiert
       das erst dann, nachdem sie unter Zwang ein „Geständnis“ unterzeichnet
       haben.
       
       Tang ist mit diesem Vorgehen, das auch in China illegal ist, vertraut. Er
       hat es nicht nur schon selbst erlebt, sondern kennt es von vielen Fällen,
       die er betreut hat. Zwar ist jetzt unklar, was mit Tang passiert ist, doch
       legt sein Verschwinden zum Tag der Menschenrechte ein politisches Motiv
       nahe. Und das Verschwinden so kurz vor den Olympischen Spielen deutet
       darauf hin, dass er so lange aus dem Verkehr gezogen wird, bis die Show
       vorbei ist.
       
       Tang stammt aus der Nordostprovinz Jilin, wo er als Staatsanwalt begann.
       Später verteidigte er als Mitglied einer Gruppe von Menschenrechtsanwälten
       Bauern bei Zwangsräumungen, Falun-Gong-Anhänger, HIV/AIDS-Opfer sowie
       Menschenrechtsanwälte in politisch heiklen Prozessen. Mutmaßlich deshalb
       wurde ihm 2010 die Anwaltslizenz entzogen. Er wurde selbst schon unter
       Hausarrest gestellt und mehrfach verhaftet, überwacht, geschlagen und
       gefoltert. Schon 2011 war er mehrere Wochen verschwunden. Im letzten Juni
       wurde er [2][an der Ausreise gehindert], als er seine kranke Tochter in
       Japan besuchen wollte.
       
       15 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/DEonHumanRights/status/1491740986967474182
   DIR [2] https://www.rfa.org/english/news/china/visit-06022021112527.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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