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       # taz.de -- Kanadische Serie „Sort of“ auf Sky: Nichtbinäre Nanny
       
       > Sabi ist vieles, unter anderem genderqueer. Aber die Comedy-Serie „Sort
       > Of“ macht nicht den Fehler, ihre Hauptfigur darauf zu beschränken.
       
   IMG Bild: Sabi (Bilal Baig) will in die „queerste Stadt des Universums“: Berlin
       
       Sabi (Bilal Baig) als einen Engel zu bezeichnen, ist einleuchtend und
       eigenartig zugleich. Als Person, die bereit ist, ihre eigenen Träume
       aufzuschieben, um liebgewonnenen Mitmenschen in der Not beizustehen, ist
       die Bezeichnung zumindest in ihrer alltagssprachlichen Bedeutung passend.
       
       Als Person, die sich als nichtbinär definiert, also als weder eindeutig dem
       männlichen oder weiblichen Geschlechterkonstrukt zugehörig, scheint
       wiederum nichts ferner, als Sabi mit einem so traditionell-religiös
       aufgeladenen Begriff zu belegen. Zumal sie_er als Kind pakistanischer
       Immigrant*innen mit fransigem Pony, dem Hang zu verspieltem Boho-Chic
       und einer Menge glitzerndem Schmuck jeder ikonografischen Vorstellung von
       „Gottesboten“ zuwiderläuft.
       
       Aber zu den irdischen Fakten: Abends als Barkeeper*in eines LGBTQ*-Cafés
       in Toronto und tagsüber als Nanny für eine Familie der gehobenen
       Mittelschicht tätig, hat Sabi noch keine genaue Vorstellung davon, wie
       ihr_sein Leben verlaufen soll.
       
       Zu Beginn der Comedy-Serie „Sort Of“ – kreiert von Fab Filippo und Bilal
       Baig, welche*r gleichsam die Hauptrolle übernimmt – ergibt sich jedoch die
       einmalige Chance, gemeinsam mit Freund*innen (Amanda Cordner) nach Berlin
       zu gehen. Beide sind von der Vorstellung, in der [1][„queersten Stadt des
       Universums“] zu leben, begeistert.
       
       Der Zeitpunkt scheint günstig: Paul (Gray Powell), Vater besagter Familie,
       auf deren Kinder Sabi regelmäßig aufpasst, hat ihr_ihm gerade die Kündigung
       ausgesprochen. Wohlgemerkt mit dem unbeholfenen Zusatz, bei der Suche neuer
       Auftraggeber*innen zu helfen. Denn das könne sich ja schwierig
       gestalten, für „jemanden wie Sabi“.
       
       ## In der Not springt Sabi wieder ein
       
       Mehr oder minder subtile Anspielungen aus dem Umfeld der Hauptfigur sind
       typisch für die Herangehensweise der Serie, auf das Kopfzerbrechen zu
       verweisen, das ihre Andersartigkeit bisweilen bei ihren Mitmenschen
       hervorruft. Offene Abscheu oder gar Hass schlägt ihr_ihm binnen der acht
       Episoden allerdings niemals entgegen.
       
       Sabi selbst begegnet Zwischenfällen wie diesen wiederum mit maximaler
       Gleichgültigkeit. Ein Achselzucken, eine hochgezogene Braue oder ein
       beiläufiges „Was auch immer“ genügt – und weiter geht es. Die
       Routiniertheit ihrer_seiner Reaktionen unterstreicht, dass das eigene
       Auftreten regelmäßig für Irritationen sorgt. Heruntergespielt wird hier
       also nichts – aber eben auch nicht unnötig problematisiert.
       
       Als Sabis Mutter (Ellora Patnaik) etwa wieder in ihr_sein Leben tritt, sind
       es vielmehr klassistische als queerfeindliche Vorurteile, die sie
       vorbringt. Nicht die femininen Outfits oder das Make-up stören sie, sondern
       dass „ihr Sohn“ sich „zum Diener“ machen lasse.
       
       Die schwierige Balance, die Besonderheit von Minoritäten zu thematisieren,
       die Zugehörigkeit zu einer Minderheit aber nicht zum alleinig bestimmenden
       Merkmal einer Figur zu verklären, ist nach wie vor eine, die kaum gelingt.
       „Sort Of“ bietet einen wertvollen Beitrag im Hinblick auf
       [2][Repräsentation nichtbinärer Menschen] also dadurch, dass die Serie ihn
       nicht ständig vor sich her trägt, sondern eine warmherzige, schlaue und
       witzige Person in den Fokus rückt. Eine, die im Übrigen nichts mit
       tradierten Geschlechterrollen anfangen kann.
       
       Als solche navigiert sich Sabi in jeweils rund 20-minütigen kurzweiligen
       Episoden nicht nur durch das eigene Chaos, sondern vor allem das
       ihrer_seiner Mitmenschen. Denn der Traum von Berlin platzt schneller, als
       sie_er „KitKat Club“ sagen kann. Sabis enge Freundin Bessy (Grace Lynn
       Kung) wird in einen ernsten Fahrradunfall verwickelt und kurzerhand nimmt
       Sabi besagten Job wieder auf, um sich um Bessys Kinder (Kaya Kanashiro und
       Aden Bedard) und Bessys überforderten Ehemann Paul zu kümmern. Als der das
       Handy seiner im Koma liegenden Frau durchsucht, muss er nämlich
       herausfinden, wie wenig er tatsächlich über sie weiß.
       
       Eine der vielen charmanten Erkenntnisse, die „Sort Of“ damit akzentuiert,
       ist, dass im Leben vieles in ständigem Fluss ist. Dass die Suche nach der
       eigenen Identität eine dauerhafte ist, die ganz sicher nicht bei
       Geschlechterfragen endet.
       
       15 Feb 2022
       
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