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       # taz.de -- Bürgermeister in Halberstadt bedroht: Impfgegner:innen vor der Tür
       
       > In Halberstadt ziehen Hunderte Corona-Gegner:innen und Nazis mit Fackeln
       > vor das Haus des Bürgermeisters. Politiker:innen sind entsetzt.
       
   IMG Bild: Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata
       
       Leipzig taz | Hunderte Gegner:innen der Corona-Maßnahmen sind am
       Montagabend in Halberstadt in Sachsen-Anhalt vor das Wohnhaus des
       Oberbürgermeisters Daniel Szarata (CDU) gezogen – mit Fackeln, Trommeln,
       Trillerpfeifen und Bengalos. Das teilte die Polizeiinspektion Magdeburg am
       Dienstag mit.
       
       Der Aufzug mit bis zu 700 Menschen habe sich zunächst durch die Innenstadt
       bewegt und dann durch angrenzende Wohn- und Gewerbegebiete, wie es in der
       Mitteilung der Polizei heißt. Gegen 20 Uhr habe die Gruppe Szaratas
       Wohnhaus erreicht. Die Polizist*innen führten „sofortige
       Objektschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze bis zum vollständigen
       Verlassen der Personengruppe durch“.
       
       Die Polizei leitete den Angaben zufolge Ermittlungsverfahren wegen des
       Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, wegen Verstoßes gegen
       das Versammlungsgesetz, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und
       tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ein. Zudem habe es
       Identitätsfeststellungen gegeben. Angeführt wurde die unangemeldete Demo
       von der [1][neonazistischen Gruppe „Harzrevolte“], die am Montag um 20 Uhr
       auch ein Video des Protests in ihrem Telegram-Kanal gepostet hat. Auf ihrem
       Banner stand in Großbuchstaben: „Die Regierung ist das Virus.“ Darunter die
       Selbstbeschreibung der Neonazis: „deutsch – stabil – ungeimpft“.
       
       „Die ‚Harzrevolte‘ gehört zu den aktivsten Neonazi-Gruppen in
       Sachsen-Anhalt“, sagte David Begrich, Rechtsextremismusexperte beim
       Magdeburger Verein Miteinander, der taz. Die Gruppe beteiligt sich seit
       Ende November an den Corona-Protesten im Harz.
       
       ## Taschenlampen und Fackeln
       
       In dem knapp vier Minuten langen Video der Aktion ist zu sehen, wie mehrere
       hundert Demonstrant:innen lautstark vor dem Grundstück des
       Oberbürgermeisters Daniel Szarata protestieren. Immer wieder rufen sie „Wir
       sind das Volk, wir sind das Volk“, trommeln, pfeifen, grölen. Manche
       Teilnehmer:innen halten Fackeln in der Hand, andere Taschenlampen, mit
       denen sie das Wohnhaus des CDU-Politikers anleuchten. Der Mann, der das
       Video aufgenommen hat, sagt: „Hier sind wir, Herr Bürgermeister.“
       Währenddessen stehen Polizeibeamt*innen Schulter an Schulter vor dem
       Grundstück, um es vor den Demonstrant:innen zu beschützen.
       
       Ob Daniel Szarata zu dem Zeitpunkt zu Hause war, blieb zunächst offen. Der
       39 Jahre alte Oberbürgermeister hat sich in den vergangenen Wochen intensiv
       darum bemüht, mit Gegner*innen der Corona-Politik über deren Sorgen und
       Ängste zu sprechen. Im Januar zum Beispiel hatte Szarata zusammen mit
       Mediziner*innen und anderen Politiker*innen
       Impfskeptiker:innen zum Gespräch auf dem Domplatz in Halberstadt
       eingeladen. Das Motto: „Dialog statt Demo.“
       
       Zahlreiche Landespolitiker:innen zeigten sich am Mittwoch entsetzt
       über den Aufzug vor dem Wohnhaus des Oberbürgermeisters. „Einen solchen
       Angriff auf die eigene Familie und Privatsphäre steckt man nicht einfach
       weg. Ich wünsche Kraft. Und erwarte, dass die Polizei umfassend Schutz
       gewährleistet“, schrieb der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel (Grüne)
       auf Twitter.
       
       Seitens der FDP-Fraktion hieß es: „Solche Aufmärsche vor den Privathäusern
       sind ein Missbrauch der Versammlungsfreiheit und eine nicht hinnehmbare
       Grenzüberschreitung, die uns zutiefst empört und die wir aufs Schärfste
       verurteilen.“ Auch die CDU-Landtagsfraktion verurteilt den Protest. Der
       innenpolitischer Sprecher, Chris Schulenburg, erklärte: „Einschüchterungen
       durch Menschenmassen sind nicht vom Versammlungsrecht gedeckt. Die
       Versammlungsbehörde muss reagieren und sensible Orte, wie das Privathaus,
       zur Bannmeile erklären.“
       
       ## Immer wieder Aufmärsche vor Wohnsitzen
       
       Katja Pähle, Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von
       Sachsen-Anhalt, sagte: „Dass die Bewegung sich radikalisiert, obwohl
       wesentliche Öffnungsschritte vor der Tür stehen, zeigt auch: Für die
       rechtsextremistischen Querdenker ist und bleibt der Protest gegen
       Corona-Auflagen nur Mittel zum Zweck.“
       
       Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Eva von Angern, forderte
       Sachsen-Anhalts Innenministerium dazu auf, „endlich“ tätig zu werden und
       strafrechtlich relevante Handlungen von Corona-Demonstrierenden konsequent
       zu verfolgen. „Das staatliche Versagen im Umgang mit Corona-Protesten muss
       beendet werden.“
       
       Die Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) wiederum kündigte an, „dass
       Versammlungsbehörden und Polizei „einem solchen Missbrauch des
       Versammlungsrechts entschieden entgegentreten werden“. Ministerpräsident
       Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einer Radikalisierung der Proteste und vor
       einer zunehmenden Instrumentalisierung durch rechtsextreme Kräfte.
       
       Auch in den Nachbarbundesländern Thüringen und Sachsen waren wiederholt
       private Wohnsitze von Politiker*innen Ziel von Corona-Demos. Im Januar
       zogen Teilnehmer:innen eines unangemeldeten Protests am Haus von Geras
       Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) vorbei. Im Dezember 2021 hatte
       ein [2][Fackelaufzug vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin
       Petra Köpping] (SPD) in Grimma bei Leipzig für Empörung gesorgt.
       
       15 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verschwoerungsmythen-und-Corona/!t5015225
   DIR [2] /Reaktionen-auf-Fackelmarsch-in-Sachsen/!5820438
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Wiemann
       
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