# taz.de -- Care-Arbeit in Coronazeiten: Auffällig unauffällig
> Die Familienministerin hat hohe Erwartungen in Sachen familienpolitischer
> Modernisierung geweckt. Doch ein grünes Genderparadies ist nicht in
> Sicht.
IMG Bild: Rund ein Fünftel der Mütter verkürzte einer Umfrage zufolge die Arbeitszeit in der Pandemie
Männer machen mehr Haus- und Sorgearbeit, freuten sich nach den ersten
[1][Lockdowns] gleichstellungsorientierte Verbände und Aktivist:innen.
Väter kochten plötzlich öfter, brachten den Müll raus, beschulten und
bespaßten die Kinder. Doch das Blatt hat sich gewendet: Rund ein Fünftel
der Mütter verkürzte einer Umfrage zufolge die Arbeitszeit wegen der
Kinderbetreuung in Zeiten von Corona.
Männer, ließe sich schlussfolgern, scheinen nach wie vor doch eher an der
eigenen Karriere orientiert zu sein als am Wohl der eigenen Familie. Frauen
ziehen sich deswegen stärker aus dem Job zurück – irgendjemand muss sich ja
um die Wohnung und die Kinder kümmern. Ein unauflösbarer Konflikt?
Zumindest eine zutiefst fatale Betrachtungsweise, die progressive Menschen
gern zurückweisen.
Konservative sehen die Chance eher im Privaten: Frauen müssen die gerechte
Aufteilung der Care-Arbeit mit ihren Partnern selbst aushandeln. Beides ist
weder eine Antwort und noch weniger eine Lösung. Der Schlüssel liegt vor
allem in politischen Maßnahmen. Die Ampelregierung ist diesbezüglich
vorgeprescht. Ein Ziel sei, so heißt es im Koalitionsvertrag, mehr Frauen
in Erwerbsarbeit zu bekommen.
Auch sonst hat sich die grüne [2][Familienministerin Anne Spiegel] viel
vorgenommen: Väter sollen nach der Geburt ihres Kindes eine zweiwöchige
bezahlte Auszeit bekommen, die seit Jahren debattierte Kindergrundsicherung
ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben, und die sogenannte soziale
Verantwortungsgemeinschaft, eine FDP-Idee, findet bei der Ministerin
Zuspruch.
Nur: Bislang ist die Grüne, an die sich Hoffnungen auf eine
familienpolitische Modernisierung knüpfen, auffallend unauffällig. Bis auf
den [3][§ 219a, der jetzt aus dem Strafgesetzbuch gestrichen] werden soll,
fiel sie weder mit einem wegweisenden Gesetzentwurf noch mit einer
familienpolitischen Reformidee auf. Und nun verkürzen Frauen auch noch
ihre Arbeitszeit. Das grüne gendergerechte Paradies hatte man sich anders
vorgestellt.
17 Feb 2022
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## AUTOREN
DIR Simone Schmollack
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