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       # taz.de -- Sorgfaltspflicht bei Olympia: IOC laviert bei Zwangsarbeit
       
       > Mehrere NGOs gehen davon aus, dass olympische Uniformen teils in
       > Zwangsarbeit hergestellt worden sind. Dem IOC werfen sie Intransparenz
       > vor.
       
   IMG Bild: Die chinesische Regierung zeigte ausländischen Journalisten eine Fabrik in der Provinz Xinjiang
       
       Bei olympischen Uniformen und anderen Produkten des Internationalen
       Olympischen Komitees (IOC), die bei den Winterspielen benutzt und verkauft
       werden, besteht nach Meinung einer [1][Koalition] von
       Nichtregierungsorganisationen das Risiko, dass die Herstellung mit schweren
       Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang einherging.
       
       Dort ist die Heimat der von Peking unterdrückten muslimischen Uiguren und
       ein Hauptanbaugebiet für Baumwolle. Die Region ist bekannt für Zwangsarbeit
       von Uiguren in der Baumwollproduktion.
       
       China ist nach Indien der zweitgrößte Baumwollproduzent der Welt. Laut der
       Koalition aus Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und religiösen
       Gruppen ist bei jedem fünften weltweit verkauften Baumwollkleidungsstück
       Zwangsarbeit aus Xinjiang involiert. Die US-Regierung hat inzwischen ein
       [2][generelles Importverbot] für Produkte aus Xinjiang verhängt.
       
       Das IOC hatte am 19. Januar [3][erklärt], dass es im Rahmen seiner
       Sorgfaltspflicht ausschließen könne, dass die für die Spiele verwendete
       Kleidung und Produkte aus China in Zwangs-, Sklaven- und Kinderarbeit
       entstanden seien.
       
       ## Vorwurf mangelnder Transparenz vs. Schutz der Integrität
       
       So habe laut IOC die Hengyuanxiang-Gruppe (HYX Group) schriftlich
       versichert, dass sie gar keine Baumwolle aus Xinjiang verwende, sondern nur
       aus anderen Regionen. Und die von Chinas größtem Sportartikelhersteller
       [4][Anta Sports] bezogenen Produkte würden nur recycelte künstliche Stoffe
       und gar keine Baumwolle enthalten. Das IOC berief sich zudem auf
       Überprüfungen durch eine nicht genannte Auditingfirma.
       
       Die Koalition, die nach eigenen Angaben aus 400 Organisationen aus 40
       Ländern besteht, wollte das aber genauer wissen und fragte deshalb am 31.
       Januar in einem [5][Brief] an den deutschen IOC-Chef Thomas Bach nach. Doch
       laut der Koalition habe man bis heute keine Antwort bekommen.
       
       Auf taz-Anfrage wiederholte die Pressestelle des IOC in Lausanne am Montag
       den Inhalt seiner bekannten Erklärung und verwies darauf, dass man sich im
       Hinblick auf Details im in solchen Fällen üblichen Rahmen bewege. So könne
       man etwa den Namen der Auditingfirma nicht nennen, weil deren Integrität zu
       schützen sei. Im Übrigen weise man die Vorwürfe mangelnder Transparenz
       zurück.
       
       Die Koalition, für die vor allem Human Rights Watch öffentlich auftritt,
       hatte von Bach wissen wollen, welche weiteren Firmen für das IOC in
       Xinjiang produziert haben, wann und wo welche Produktionsstätten untersucht
       worden seien, wer das Auditing nach welchen Methoden durchgeführt habe und
       wie die Behauptungen von HYX Group und Anta überprüft worden seien.
       
       ## IOC schweigt zu Produkten des lokalen Organisationskomitees
       
       In einer am Montag von Human Rights Watch im Namen der Koalition
       veröffentlichten [6][Erklärung] wird zudem darauf hingewiesen, dass im
       Rahmen der Spiele auch viele Produkte mit den fünf Ringen drauf nicht nur
       für das IOC, sondern auch für das lokale Pekinger Organisationskomitee
       (Bocog) produziert und verkauft worden seien. Doch mache das IOC keine
       Angaben, ob und unter welchen Bedingungen Bocog-Produkte in Xinjiang
       produziert worden seien.
       
       „Der Umgang des IOC mit seiner Sorgfaltspflicht ist so eng gefasst, dass
       seine Ergebnisse inakzeptabel sind“, sagte Bennet Freeman vom
       Steuerungskreis der Koalition und ein früherer US-Staatssekretär für
       Demokratie, Menschenrechte und Arbeit der US-Regierung.
       
       Die Koalition wirft dem IOC vor, sich nicht an dessen eigenen
       Lieferantenkodex zu halten. Der sehe einen Umgang in „offener,
       konstruktiver und transparenter Art“ mit den Produzenten vor.
       
       ## Kein glaubwürdiges Auditing in Xinjiang möglich
       
       Angesichts der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und massiven Überwachung
       weigern sich inzwischen renommierte Auditingfirmen, die Zulieferer und
       Produzenten in den Lieferketten von Konzernen inspizieren, solche
       Überprüfungen in Xinjiang vorzunehmen. Denn sie können nicht garantieren,
       dass sie überhaupt die relevanten Informationen und Zugänge erhalten und
       ihre Ergebnisse verlässlich sind.
       
       Gegen Firmen wie H&M, die darauf öffentlich erklärten, keine Baumwolle mehr
       aus Xinjiang zu beziehen, wurden in China Boykottkampagnen lanciert.
       
       15 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://enduyghurforcedlabour.org/
   DIR [2] /Zwangsarbeit-in-Xinjiang/!5820356
   DIR [3] https://olympics.com/ioc/news/ioc-conducts-third-party-due-diligence-on-its-suppliers-for-olympic-winter-games-beijing-2022
   DIR [4] /Groesster-Sportartikelhersteller-in-China/!5832058
   DIR [5] https://www.hrw.org/news/2022/02/14/letter-ioc-president-thomas-bach-re-human-rights-and-labor-due-diligence-china
   DIR [6] https://www.hrw.org/news/2022/02/14/china-ioc-cant-ensure-olympic-apparel-abuse-free
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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