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       # taz.de -- Clinch zwischen Südkorea und China: Kulturelle Aneignung
       
       > Die Olympischen Spiele bringen nicht nur sportliche Hochleistungen
       > hervor. Sie befeuern auch jahrhundertealte nationalistische Fehden.
       
   IMG Bild: Stilistisch einfach toll: Olympiasieger Hwang Dae-heon
       
       Das Ganze ging mit der Eröffnungszeremonie im Pekinger „Vogelnest“-Stadion
       los. Regisseur Zhang Yimou ließ einige seiner Statistinnen im
       traditionellen „Hanbok“-Gewand aufmarschieren – jenen weit geschnittenen
       Kleidern, die für die koreanische Volksseele mindestens ebenso wichtig sind
       wie für Bayern Lederhosen. Aus chinesischer Sicht handelt es sich um die
       Zurschaustellung ethnischer Harmonie, denn im Nordosten leben knapp zwei
       Millionen koreanischstämmige Chinesen, eine der 56 Minderheiten der
       Volksrepublik.
       
       Die Politiker in Seoul hingegen witterten „kulturelle Aneignung“. Aus der
       Ferne mag dies penibel wirken. Und natürlich hat Südkoreas demonstrative
       Abgrenzung seiner eigenen Identität auch mit einem gewissen
       Minderheitskomplex zu tun. Als „Delfin zwischen zwei Walen“ fühlen sich die
       Koreaner seit jeher eingepfercht zwischen den übermächtigen Staaten China
       und Japan, als Vasallenstaat und später Kolonie gebeutelt.
       
       Von der zunehmend nationalistischen Bevölkerung Chinas gibt es dafür wenig
       Empathie. Nicht wenige in der Volksrepublik vertreten die Auffassung, dass
       Koreas kultureller Überbau – angefangen vom Konfuzianismus bis hin zu den
       alten „Hanja“-Schriftzeichen – aus dem Chinesischen entlehnt ist.
       
       Insbesondere in den letzten Jahren hat sich die Stimmung zwischen den
       Nachbarn verschärft. Spätestens seit der Pandemie ist der Austausch auf ein
       Minimum begrenzt: Die omnipräsenten Koreaner, die man nicht selten in
       Pekings Kneipen und Einkaufszentren angetroffen hat, leben mittlerweile
       fast nur im „Wangjing“-Viertel. Und die chinesischen Studenten in Seoul
       werden immer öfter mit Argwohn beäugt.
       
       ## Petition für Abreise
       
       Nur mit diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Disqualifizierung von
       zwei südkoreanischen Shorttrack-Läufern zu einem diplomatischen Eklat
       geführt hat. Hwang Dae-heon und Lee June-seo mussten nach umstrittenen
       Entscheidungen der Jury aufgeben, wodurch chinesische Konkurrenten weiter
       im Turnier blieben. Auf Koreas sozialen Medien wurde kolportiert, dass
       China seinen Vorteil als Gastgebernation ausspiele – und schon nahmen die
       gegenseitigen Beleidigungen ihren Lauf.
       
       Viele Südkoreaner forderten per Petition, dass der gesamte Kader aus
       Protest abreisen solle. Zum Glück blieben die Athleten jedoch da – und
       Shorttrack-Läufer Hwang konnte mit seiner Goldmedaille in der Disziplin
       über 1.500 Meter die koreanischen Gemüter ein wenig beruhigen.
       
       14 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
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