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       # taz.de -- Größter Sportartikelhersteller in China: Mit Patriotismus zur Weltmarke
       
       > Einst galt Anta Sports als uncool. Nun aber profitiert der Ausstatter des
       > IOC und des chinesischen Teams von Chinas Boykott westlicher
       > Konkurrenten.
       
   IMG Bild: Die Freestylerin und chinesische Goldhoffnung Eileen Gu trug schon bei den Jugendspielen 2020 Anta
       
       Peking taz | Kaum ein anderes chinesisches Unternehmen reitet derzeit so
       erfolgreich auf der Wintersportwelle wie Anta Sports, der offizielle
       Ausstatter des Internationalen Olympischen Komitees und des chinesischen
       Kaders. Die Kleidermarke mit dem generischen Häkchen-Logo wird den meisten
       Deutschen zwar kaum ein Begriff sein, doch auf dem heimischen chinesischen
       Markt sind die Anta-Daunenjacken und Basketball-Jerseys längst von billiger
       Ramschware zu patriotischen Statusobjekten aufgestiegen.
       
       Gegründet wurde Anta Sport Anfang der 1990er Jahre an der Südostküste der
       Provinz Fujian, quasi direkt gegenüber dem Inselstaat Taiwan. Anta galt
       lange als Billig-Marke und selbst unter den heimischen Brands nur als
       zweite Wahl. Wer es sich leisten konnte, trug Adidas und Nike. Und wenn es
       schon eine chinesische Marke sein musste, [1][dann immerhin Li Ning] –
       jener Sportausrüster, der vom gleichnamigen Ex-Turner und
       Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 1984 gegründet wurde.
       
       Die rund 10.000 Läden von Anta Sports waren vor allem in den Provinzstädten
       angesiedelt, wo sie mit konkurrenzfähigen Preisen lockten. Das Design
       wirkte jedoch altbacken, die Qualität höchst mittelmäßig und dem Zeitgeist
       stets ein paar Jahre hinterher. Die Firma schrammte immer halb am Bankrott
       vorbei.
       
       Doch der Aufstieg von Anta begann in den letzten Jahren und er führte
       zunächst übers Ausland: Die Chinesen gewannen mehrere NBA-Basketballer als
       Testimonials, darunter Rajon Ronda und Klay Thompson. Dies sorgte für einen
       immensen Image-Boost innerhalb der chinesischen Jugend, bei der die
       Ballsportart überaus beliebt ist.
       
       ## Sogenannter Baumwollskandal
       
       Das Image der angestaubten Marke Anta hat geradezu eine 180-Grad-Wendung
       hingelegt, die eng mit den politischen Entwicklungen und dem zunehmenden
       Nationalismus in der Volksrepublik verknüpft ist. Ein Rückblick: Im letzten
       Frühjahr sind ein gutes halbes Dutzend westlicher Modefirmen [2][über den
       sogenannten Baumwollskandal] gestolpert. Sowohl Nike, Adidas als auch H&M
       hatten zuvor als Teil der Schweizer „Better Cotton Initiative“ ihre
       Baumwoll-Produktion in Xinjiang eingestellt, da sie aufgrund der dortigen
       Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren keine vertretbaren
       Arbeitsbedingungen sicherstellen können. Daraufhin kam es zu
       Boykottaufrufen unter Chinas Influencern, die von den staatlichen
       Propaganda-Medien angefeuert wurden. Innerhalb weniger Tage mieden die
       Chinesen sämtliche Marken, die sie zuvor noch stolz am Leib trugen.
       
       Doch was des einen Leid ist, war des anderen Freud: Keine Marke hat so sehr
       von dem Skandal profitiert wie Anta Sports. Die Marke positionierte sich
       umgehend als loyal patriotisch, in dem es stolz proklamierte, weiterhin
       Baumwolle aus der Region Xinjiang zu beziehen. Zugleich quittierte man die
       „Better Cotton Initiative“, die sich für fairere Arbeitsbedingungen
       einsetzt
       
       Die zunehmend nationalistischen Konsumenten Chinas goutierten dies mit
       fleißigen Einkäufen: Während die Gewinne von Puma, Adidas und Nike in China
       allesamt im zweistelligen Bereich eingebrochen sind, postulierte Anta im
       ersten Halbjahr 2021 ein Plus von 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
       
       Unlängst wurde Anta Sports zum Aushängeschild der Ende der 1990er Jahre
       geborenen „Generation Z“. „Guochao“ nennt sich das Aufleben der heimischen
       Marken. Und Anta ist die patriotischste von allen: Auf etlichen ihrer
       Kleidungsstücke lassen sie die rote China-Flagge prangen. Noch vor wenigen
       Jahren hätte die Jugend dies als „uncool“ verschmäht, mittlerweile jedoch
       gilt das Zurschaustellen von Patriotismus als das genaue Gegenteil.
       
       Den bisher größten Coup haben die Chinesen im März letzten Jahres
       angekündigt: eine Kooperation mit der chinesischstämmigen US-Amerikanerin
       Eileen Gu, die im „Freestyle Ski“ als vielversprechende Goldanwärterin für
       die Volksrepublik antreten wird. Die 18-Jährige ist Chinas einziger
       Wintersport-Superstar. Dass sie Anta trägt, hat dem Unternehmen nicht nur
       Hunderttausende neue Follower auf sozialen Medien gebracht, sondern
       möglicherweise auch eine Tür in den internationalen Markt beschert.
       
       5 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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