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       # taz.de -- Eine Milliarde für Great Barrier Reef: „Pflaster auf gebrochenes Bein“
       
       > Die australische Regierung will eine Milliarde australische Dollar ins
       > Barrier Reef stecken. Von diesem Betrag geht kein Cent in den
       > Klimaschutz.
       
   IMG Bild: Geld allein reicht nicht, um die Korallen zu retten
       
       Canberra taz | Eine wiedergewählte konservative Regierung würde eine
       Milliarde Australische Dollar (630 Millionen Euro) in den Schutz des Great
       Barrier Reefs investieren. Das hat Premierminister Scott Morrison am
       Freitag angekündigt. Die Mittel sollen über neun Jahre in die Reduzierung
       des Sedimentszuflüsse aus der Landwirtschaft entlang der Küste gesteckt
       werden sowie in die Bekämpfung einer invasiven Seestern-Art, die sich von
       Korallen ernährt.
       
       Die mit einer Länge von 2.300 Kilometern größte Korallenriffformation der
       Welt ist als Folge global steigender Wassertemperaturen [1][akut von
       Korallenbleiche und -tod bedroht].
       
       Die Ausbleichung von Korallen ist das Resultat von Unterwasserhitzewellen,
       eine Folge der globalen, menschengemachten Klimaveränderung, sagen
       Wissenschaftler. Diese wiederum sei unter anderem das Ergebnis der Nutzung
       fossiler Brennstoffe wie Kohle. Studien vom letzten Jahr sagen, bereits 50
       Prozent der rund 3000 Riffe seien zerstört, aus denen sich das Great
       Barrier Reef zusammensetzt.
       
       Die Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Wissenschaftler vor
       [2][einer weiteren Phase der Korallenausbleichung] schon in wenigen Wochen
       warnen. Ozeanologen beobachten eine erneute Hitzewelle unter Wasser, die
       weit über der Norm für diese Jahreszeit liege. Die US-amerikanische
       National Oceanic and Atmospheric Administration hatte vor kurzem für den
       nördlichen Teil des Great Barrier Reef eine Warnung erlassen.
       
       Dies bedeutet, dass schon bald mit einer schweren Korallenbleiche zu
       rechnen sei. Die temperaturempfindlichen Korallen können sich nur von einer
       Bleiche erholen, wenn einer Hitzephase mehrere kühle Jahre folgen. Kommt es
       kurz hintereinander zu einer Unterwasser-Hitzewelle, sterben sie ab. Weite
       Teile des Riffs wurden bereits 1998, 2002, 2016, 2017 und 2020 von einer
       Massenbleiche heimgesucht.
       
       ## Primär politischer Hintergrund
       
       Der Zeitpunkt der Ankündigung ist kein Zufall. Im Juni vergangenen Jahres
       konnte die australische Regierung noch in letzter Minute verhindern, dass
       das Riff von der Unesco auf die Liste der gefährdeten Weltnaturgüter
       gesetzt wird. In Kürze muss Canberra einen neuen Bericht zum Zustand des
       Riffs vorlegen, bevor die Uno-Organisation ihren Entscheid neu berät.
       
       Die vermeintliche Grosszügigkeit Morrisons hat nach Meinung von Kritikern
       wie dem Kommentator Michael Pascoe aber primär einen politischen
       Hintergrund. Die konservative Regierung wolle sich mit der Ankündigung die
       Wiederwahl im Bundesstaat Queensland sichern. Dort hängen etwa 60.000
       Arbeitsplätze direkt vom Tourismus am Riff ab. Gleichzeitig produziert
       Queensland einen wesentlichen Teil der Kohle, [3][die Australien seit
       Jahrzehnten gewinnbringend exportiert]. Die größten Kohlevorräte der Welt
       liegen in dem Bundesstaat.
       
       ## Kritische Reaktionen
       
       Experten reagierten mehrheitlich kritisch auf die Ankündigung. Die
       Biologie-Professorin Lesley Hughes von der Denkfabrik Climate Council
       meinte, die Maßnahme sei wie ein „Pflaster auf einem gebrochenen Bein“.
       Wissenschaftler warnen seit langem, der globale Temperaturanstieg müsse auf
       1,5 Grad beschränkt werden, da sonst der Grossteil des Riffs bis 2050
       abgestorben sei. Dies gehe nur über den baldigen Verzicht auf
       klimaverändernde Brennstoffe wie Kohle.
       
       Trotz Zusicherungen an Klimakonferenzen wie jüngst in Glasgow unternimmt
       die australische Regierung faktisch aber wenig, um den Beitrag Australiens
       am globalen Klimaschutz zu verbessern. Eher das Gegenteil trifft zu:
       Premierminister Scott Morrison hat in den letzten Monaten mehrfach klar
       gemacht, Australien wolle seinen Status als führender Exporteur von Kohle
       behalten. Auch pumpt Canberra Milliarden Dollar in den Ausbau der
       Produktion von Erdgas. Wegen des hohen Anteils an Methan-Emissionen gilt
       der Brennstoff unter Experten nicht als viel weniger klimaschädigend als
       Kohle.
       
       28 Jan 2022
       
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