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       # taz.de -- Corona an Schulen in Berlin: Mit vielen Fragen in die Ferien
       
       > Nach dem überraschenden Aussetzen der Präsenzpflicht wird Schulsenatorin
       > Busse (SPD) im Berliner Abgeordnetenhaus stundenlang gelöchert.
       
   IMG Bild: Verteidigt ihre Politik: Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD)
       
       Berlin taz | Zwei Lieblingsausdrücke hat Berlins Bildungssenatorin
       Astrid-Sabine Busse (SPD) an diesem Freitagnachmittag: „kontinuierlich“ ist
       der eine. Die [1][63-jährige frühere Schulleiterin] nutzt ihn etwa, wenn es
       um die „kontinuierliche Anpassung“, die „kontinuierliche Überprüfung“ oder
       den „kontinuierlichen Ausbau“ der Coronamaßnahmen für den Bildungsbereich
       geht. Der andere gern verwendete Ausdruck ist: „Tja“.
       
       Busse verweist damit, eher unbewusst, darauf, dass die Politik in der
       Pandemie trotz aller Bemühungen eher reagiert als agiert, sprich
       tendenziell einen Schritt zu spät kommt oder manche Folgen von Corona eben
       doch nicht abfedern kann.
       
       Aber die Mitarbeiter*innen ihrer Verwaltung geben sich alle Mühe – das
       ist die Botschaft, die die neue Senatorin in ihrem fast 45-minütigen
       Eingangsstatement in der Sondersitzung des Bildungsausschusses des
       Abgeordnetenhauses anbringt. Für den Senat gilt in der auf drei Stunden
       angesetzten Sitzung keine Redezeitbegrenzung: Busse macht davon intensiv
       Gebrauch und verweist vor allem auf blanke Daten.
       
       So stimme es zwar, dass Corona massiv in den Schulen umgeht. Knapp fünf
       Prozent der mehr als 336.000 Schüler*innen seien in Quarantäne, nennt
       Busse neueste Zahlen. Was aber auch heiße, so die Senatorin, dass weiterhin
       95 Prozent der Schüler*innen nicht in Quarantäne seien.
       
       Oder die Einstufung der Schulen: Zwar seien zwei Prozent auf Stufe gelb und
       müssen Wechselunterricht mit geteilten Klassen anbieten; 98 Prozent stehen
       aber weiterhin auf grün, keine einzige sei wegen Corona ganz geschlossen.
       Auch die Teststrategie funktioniere: Es seien genügend Tests vorhanden,
       betont die Senatorin, weil es ihrer Verwaltung gelinge, auf dem umkämpften
       Weltmarkt genug und rechtzeitig einzukaufen. Positiv denken – das fordert
       Busse an diesem letzten Schultag vor den einwöchigen Winterferien ein.
       
       Stellt sich die Frage, warum sie dann [2][am Montag überstürzt die
       Präsenzpflicht aufgehoben hat].
       
       Eltern können seit Dienstag selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder in die
       Schule schicken wollen oder ob diese den Unterrichtsstoff zu Hause lernen.
       Die Maßnahme, die Busse zuvor vehement abgelehnt hatte, sorgte für
       [3][Durcheinander an den Schulen], die davon am Montag zuerst durch die
       Presse erfahren hatten. Der Schritt warf viele weitere Fragen auf, die die
       Abgeordneten in der Sondersitzung an diesem Freitag der Senatorin und ihren
       beiden Staatssekretären stellen.
       
       ## Einschneidender Schritt der Amtsärzte
       
       Der Grund für die geänderte Taktik der Schulverwaltung sei die Entscheidung
       der Amtsärzte gewesen, die Kontaktnachverfolgung in den Schulen
       einzustellen und damit auch Sitznachbar*innen von positiv getesteten
       Schüler*innen nicht mehr in Quarantäne zu schicken. Busse hält diesen
       Schritt für nachvollziehbar; er sei aber „einschneidend“ gewesen für viel
       Eltern. Deswegen habe man reagieren müssen und nach Brandenburger Vorbild
       die Präsenzpflicht „vorübergehend“ ausgesetzt. „Wir müssen Familien in
       dieser herausfordernden Zeit unterstützen und nicht in Gewissenskonflikte
       stürzen“, so die Senatorin.
       
       Doch was folgt alles darauf? Wie lange zum Beispiel ist „vorübergehend“?
       Was ist nun mit der Kontaktnachverfolgung? Gelten Schüler*innen
       weiterhin per se als dauerhaft getestet und können mit ihrem
       Schüler*innenausweis Bibliotheken oder ähnliche Einrichtungen
       besuchen? Und warum wurden die Schulen gleichzeitig mit den Medien
       informiert?
       
       Letzteres sei nicht sein Ziel gewesen, sagt Staatssekretär Alexander
       Slotty. Aber die Nachfragen von Pressevertreter*innen seien am
       Montagnachmittag so drängend gewesen, dass man sich zu einer klaren Aussage
       genötigt gesehen habe – der Brief an die Schulen war da leider noch nicht
       fertig.
       
       ## Wer bescheinigt jetzt die Quarantäne?
       
       Dass die Schulen nicht für die Kontaktnachverfolgung zuständig seien,
       betont Busses zweiter Staatssekretär Aziz Bozkurt. Sie können auch keine
       Quarantänebescheinigungen ausstellen, die die Eltern als Nachweis für ihre
       Arbeitgeber*innen brauchen. Derzeit würden sie sich mit einem
       „Formblatt“ für die Eltern behelfen. Verhandlungen mit der
       Senatsgesundheitsverwaltung, wie das künftig funktionieren soll, liefen
       derzeit.
       
       Da laut Bozkurt nur ein kleiner einstelliger Prozentbereich von
       Schüler*innen die ausgesetzte Präsenzpflicht nutze und zu Hause lerne,
       sehe er keinen Grund, am prinzipiellen Status „getestet“ bei den
       Schüler*innen etwas zu ändern. Allerdings überlege man, ob Eltern ihre
       Kinder künftig gleich für eine ganze Woche abmelden müssen und nicht, wie
       es derzeit auch geschehe, nur für einzelne Tage. Das würde den
       Lehrer*innen die Vorbereitung des Unterrichts erleichtern.
       
       Ob die Präsenzpflicht über den Februar hinaus ausgesetzt bleibe, sei
       derzeit völlig offen, betont Busse. Aber sicher wird auch diese Frage
       kontinuierlich überprüft werden. Tja.
       
       28 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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