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       # taz.de -- Video der Techniker Krankenkasse: Krebsvorsorge, aber als Porno
       
       > Eine Frau erklärt in einem Lehrvideo der TK die Vorsorge von Hodenkrebs.
       > Das Video offenbart, wie wenig wir Männern zutrauen.
       
   IMG Bild: Anny Aurora erklärt anhand eines Silikon-Hoden das korrekte Abtasten
       
       “Ich komme!“ Eine Frau steigt aus der Dusche, wickelt sich ein Handtuch um
       und öffnet die Tür. “Hi, ich bin der neue Nachbar,“ sagt der Mann vor der
       Tür. “Sehr cool. Möchtest du reinkommen, für ein paar Drinks?“
       
       Die beiden setzen sich auf eine Couch und fangen sofort an, miteinander
       herumzuknutschen. Dazu hören wir einen billig produzierten Soundtrack. Die
       Frau flüstert “Steh auf“, öffnet die Hose des Mannes und dann – ein
       Ladesymbol, wie ärgerlich! Wer kennt’s nicht?
       
       Aber Moment mal, was steht da auf dem Bildschirm? [1][“Die Techniker
       Krankenkasse präsentiert: Der life-saving Handjob“]. Während man sich noch
       fragt, wann der Porno denn jetzt weitergeht, hält die Sexfilmdarstellerin
       Anny Aurora mit Silikon-Hoden in die Kamera. An dem erklärt sie, wie man
       den Hoden nach Schwellungen und Verhärtungen abtastet. Aus dem Porno ist
       ein Lehrfilm zur Krebsvorsorge geworden. Produziert von einer großen
       deutschen Krankenkasse.
       
       Die Frage ist nicht so sehr, ob das eine geschmackvolle Idee ist. Oder was
       sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Wahrscheinlich: Humor und
       Sex sind gute Verkaufsargumente. Stimmt ja auch. Interessanter ist, dass
       das Video zeigt, was unsere Gesellschaft über Männer denkt. Was sie Männern
       zutraut – und was nicht. Und da wird es beunruhigend.
       
       ## Es ist kein „Frauenjob“
       
       Nein, an Sexfilmen ist grundsätzlich nichts falsch. Und auch Anny Aurora
       hat für ihren Auftritt in der Kampagne keine Kritik verdient – obwohl sie
       die bestimmt in unzähligen Varianten in den sozialen Medien empfängt. Das
       Problem ist, dass wahrscheinlich deutlich zu viele kichernde Thomase und
       Franks in dem Team der Werbeagentur saßen, die sich “Der life-saving
       Handjob“ ausgedacht hat. Das Problem ist, wie sich in dem Video deren
       Gedankenwelt offenbart.
       
       Der Film suggeriert, dass es ein “Frauenjob“ ist, die Hodenkrebsvorsorge
       durchzuführen. Das macht die Frau in dem Video nämlich geduldig und mit
       einem Lächeln. Und nicht nur das. [2][Bei dieser Care-Arbeit], wie sie
       Frauen traditionell zu erledigen haben, soll sie auch noch erotisch sein,
       damit die Untersuchung für den Hodenträger zusätzlich zum Lustgewinn führt.
       In einem Narrativ, älter als die Zeit, versorgt die Frau als
       Mutter-Hure-2-in-1-Kombination alle Bedürfnisse des Mannes gleichzeitig.
       
       In derselben Gedankenwelt ist der heteronormative Mann abgestoßen vom
       männlichen Körper – also von sich selbst. Wie soll man ihn nur davon
       überzeugen – grübelt eine Werbeagentur mit Bildungsauftrag –, dass er sich
       genau mit dem vielleicht “abstoßensten“ Teil seiner selbst beschäftigt?
       Wäre das nicht – Gott bewahre – irgendwie schwul? Man tut also eine
       attraktive Frau und eine angedeutete Fellatio mit in die Story. Voilà: Die
       Gesundheit tausender männlicher TK-Kunden ist gerettet.
       
       Das Traurigste aber ist, dass “Der life-saving Handjob“ nämlich eines
       zeigt: Die Kampagne hält Männer für absolute Schwachmaten. Schwachmaten,
       die das Video sehen und dann sabbernd zu ihrer Freundin gehen, um der ihre
       Testikel ins Gesicht zu halten. Für Kleinkinder, die sich erst dann für die
       eigene Gesundheit interessieren, wenn man die Botschaft Vorsorge mit
       quietschbunten, blinkenden Lichtern versieht. Sollten sich Männer nicht
       langsam selbst beleidigt zeigen, dass sie dermaßen unterschätzt werden?
       
       3 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tk.de/techniker/magazin/hoden-abtasten-2111422?tkcm=ab
   DIR [2] /Unbezahlte-Carearbeit-in-Deutschland/!5683200
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Emeli Glaser
       
       ## TAGS
       
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