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       # taz.de -- Petition der Woche: Manche bleiben auf der Strecke
       
       > Bei der Modernisierung von Zügen wird zu wenig an Menschen mit Rollstuhl
       > gedacht, kritisiert Kathrin Denecke. Das möchte sie ändern.
       
   IMG Bild: Metronom-Zug im Hauptbahnhof von Bremen
       
       Zu schmale Durchgänge, Stufen statt Rampen, viel zu enge Toilettenräume:
       Die Hindernisse im Alltag von Rollstuhlfahrer:innen oder
       gehbeeinträchtigten Menschen sind zahlreich. Das betrifft auch den
       öffentlichen Personennahverkehr. Die UN-Behindertenrechtskonvention und das
       Personenbeförderungsgesetz [1][haben daran nichts verändert], Verbände wie
       die Fördergemeinschaft für Querschnittgelähmte oder die
       Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben kämpfen bislang gegen Windmühlen.
       
       Es mangelt nicht nur an der Umrüstung von alten Waggons für mehr
       Barrierefreiheit, sondern auch an fehlender Vorstellung davon, was beim
       Neubau von Zügen zu beachten ist. So sieht es jedenfalls Kathrin Denecke,
       die kürzlich [2][eine Petition] im Niedersächsischen Landtag eingebracht
       hat. Damit möchte sie einen Stopp der aus ihrer Sicht [3][unüberlegten
       Modernisierung von insgesamt 37 Zügen] und den dazugehörigen Steuerwagen
       erwirken und sich darüber hinaus für die künftige Mitbestimmung von
       entsprechenden Interessengruppen einsetzen.
       
       Kritisch sieht Denecke etwa die Modernisierung von Doppelstockzügen der
       Landesverkehrsgesellschaft in Niedersachsen (LNVG) und den Einsatz von zwei
       neuen Steuerwagen beim privaten Bahnunternehmen Metronom, denn beides
       bringt ihrer Einschätzung nach eher Verschlechterung als Verbesserungen.
       
       Ausschlaggebend für die Bremerhavenerin, die selbst im Rollstuhl unterwegs
       ist, war eine Situation, die sie im vergangenen Sommer erlebt hat. Beinahe
       wäre sie am Bahnsteig zurückgelassen worden, weil der Einstieg in den neuen
       Steuerwagen des Zuges für sie nicht möglich war. „Das Personal meinte, ich
       solle doch bitte die nächste Bahn nehmen, weil sie nicht wüssten, wie sie
       die manuelle Rampe bedienen sollten und weil eine der
       Mitarbeiter:innen Rückenprobleme hätte“, sagte sie der taz.
       
       Die elektrische Rampe, die bisher zum Einsatz kam, konnte in das neue
       Modell nicht eingebaut werden, erfuhr Denecke. Grund dafür ist laut der
       LNVG eine EU-Verordnung (Nr. 1300/2014), die genau vorschreibt, wie steil
       eine Rampe sein darf. Weil die elektrisch ausfahrbare Variante im neuen
       Steuerwagen den zugelassenen Steigungswinkel überschritt, wurde sie durch
       eine manuelle Klapprampe ersetzt.
       
       Doch das war nicht die einzige problematische Neuerung. In den zwei
       modernisierten Doppelstockzügen bei Metronom sind sogenannte Rückprallwände
       sowie Sitzplätze für Begleitpersonen eingebaut, und der Fußboden im
       Eingangsbereich wurde mit einer langen Schräge versehen. Jene neuen
       Elemente machen es Denecke nun nahezu unmöglich, sich ohne Hilfe vom
       Eingang zu ihrem Platz zu manövrieren. Auch das Verriegelungssystem der
       Toilettenräume wurde verändert. Statt drei Knöpfen – die sie gut bedienen
       konnte – gibt es bloß noch einen, der aus dem Rollstuhl nur mit Mühe zu
       erreichen ist. So muss Denecke in den neuen Zügen jemanden bitten, sie zu
       begleiten und wachend vor der Klotür stehen zu bleiben.
       
       Bis Mittwochabend kamen 964 Unterschriften für Kathrin Deneckes Petition
       zusammen. Bis Anfang März müssen es 5.000 sein, damit über ihre Petition im
       Petitionsausschuss beraten wird – und die LNVG weitere Umbaupläne
       überdenkt.
       
       20 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Barrierefreis-Bahnreisen/!5650947
   DIR [2] https://www.navo.niedersachsen.de/navo2/portal/nipetition/0/publicviewpetition?id=67
   DIR [3] /Nahverkehrszuege-werden-umgebaut/!5785815
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sara Rahnenführer
       
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