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       # taz.de -- Olympia 2022 – Dabei sein verboten (15): Nicht lang gefackelt
       
       > Der Uigure Kamaltürk Yalqun war 2008 stolzer olympischer Fackelläufer.
       > Jetzt rief er aus dem Exil zum Boykott auf. Sein Vater sitzt in Haft.
       
   IMG Bild: Kamaltürk Yalqun Ende Januar im Bostoner Exil mit der Olympischen Fackel, die er 2008 trug
       
       Aktivisten, die Pekings massive Repression der Uiguren als Genozid
       bezeichnen, hatten bis zuletzt einen [1][Olympiaboykott] gefordert: Und
       zwar nicht nur der Diplomaten, wie ihn die USA und einige westliche Staaten
       praktizierten, sondern auch einen der Sportler. Zu den Boykottbefürwortern
       gehört auch ein uigurischer früherer Olympia-Fan.
       
       „Als Fackelläufer der Olympischen Spiele in Peking 2008 möchte ich darauf
       hinweisen, dass eine Teilnahme an den Spielen 2022 angesichts von Genozid
       und Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren diesen Albtraum nur
       verlängert“, schrieb Kamaltürk Yalqun Anfang Februar auf Facebook.
       
       2008 war er entsprechend dem Olympiamotto „Dabei sein ist alles“
       begeisterter Fackelläufer gewesen. „Ob als freiwilliger Helfer, als
       Fackelläufer oder nur als Zuschauer, jeder war so stolz, einfach nur dabei
       zu sein,“ erinnerte er sich gegenüber der [2][Nachrichtenagentur AP].
       
       Dabei hatten schon 2008 Tibeter kritisiert, dass Olympia dem Regime helfe,
       seine Verbrechen in Tibet zu übertünchen. In dessen Hauptstadt Lhasa kam es
       im März 2008 zu tödlichen Unruhen. Und beim Fackellauf gab es in mehreren
       Ländern Proteste gegen Peking. Doch als damals unpolitischer 17-jähriger
       Schüler habe er in Chinas zensierter Welt nichts mitbekommen, sagt Yalqun.
       
       ## Lage der Uiguren seit 2008 massiv verschlechtert
       
       Ausgewählt worden sei er wegen seiner guten Schulnoten. Ihn selbst reizte
       die Reise nach Peking. Dort sei er von Parteikadern samt seinen
       Englischkenntnissen überprüft und dann überraschend sogar als Fackelträger
       bestimmt worden.
       
       Das Ereignis selbst war sehr kurz. Er habe eine Kopie der Fackel bekommen,
       diese bei seinem Vorläufer entzündet, sei 30 Meter gelaufen, dann habe der
       Nächste seine Fackel an der seinen entzündet.
       
       Später in Peking habe die Polizei sein Hotel kontrolliert. Doch wegen
       seines Olympia-Outfits samt Fackelkopie, die er behalten durfte, hatte er
       auch als Uigure keine Probleme gehabt. Seine Familie und Freunde seien wie
       er selbst sehr stolz gewesen, dass er bei Olympia dabei war.
       
       Nach 2008 hätte sich die Situation der Uiguren aber weiter massiv
       verschlechtert, Menschenrechtsorganisationen sprechen inzwischen von
       mehreren hunderttausenden Uiguren und Angehörigen anderen [3][Minderheiten
       in Umerziehungslagern]. Auch Zwangsarbeit soll stark verbreitet sein.
       Yulqun ging 2014 zum Studium in die USA. Heute lebt er in Boston im Exil
       lebt und arbeitet dort als Chemiker.
       
       ## Sein Vater ist wie viele Experten uigurischer Kultur in Haft
       
       2016 wurde sein Vater, ein bekannter uigurischer Literaturwissenschaftler,
       wegen Subversion zu 15 Jahren Haft verurteilt. Wie viele andere bis dahin
       anerkannte uigurische Kulturexperten sei er plötzlich zum Staatsfeind
       erklärt worden. „Seitdem ist das olympische Feuer, das eine Botschaft des
       Friedens und der Freundschaft ist, für mich erloschen,“ sagt Yulqun.
       
       Dabei hat er noch Glück gehabt. Mit Adil Abdurehim sitzt ein anderer
       uigurischer Fackelläufer von 2008 sogar im Gefängnis. Wegen Anschauens
       „konterrrevolutionärer Videos“ wurde das KP-Mitglied zu 14 Jahren Gefängnis
       verurteilt, wie der US-Sender [4][RFA] berichtete.
       
       Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hat Chinas Außenminister Wang Yi am
       Samstag Kritik an Chinas Umgang mit den Uiguren scharf zurückgewiesen. Es
       habe in der Provinz Xinjiang „nie“ sogenannte systematische Zwangsarbeit
       oder sogenannte Umerziehungslager gegeben. „Das sind Lügen,“ so Wang.
       
       ## Wang zeigt sich offen für Xinjiang-Besuch
       
       Die Regierung habe gegen „terroristische Kräfte“ vorgehen müssen, auch
       präventiv. Heute könnten alle Bürger dort friedlich und glücklich leben und
       ihrem Glauben frei nachgehen. Wang zeigte sich offen für einen
       Xinjiang-Besuch der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet. Es
       dürfe aber keine Untersuchung auf Grundannahme einer Schuld geben und keine
       „Anklagen, die nicht auf Tatsachen beruhen.“
       
       Chinas Souveränität, Regeln und Gesetze seien zu respektieren. Bachelet
       fordert einen ungehinderten Zugang. Denn zuletzt war es China gelungen,
       einer Delegation der Weltgesundheitsorganisation in Wuhan Zugänge zu
       möglichen Ursprüngen des Coronavirus zu verweigern. Journalisten können in
       Xinjiang schon länger nicht unabhängig recherchieren.
       
       20 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sport-und-politische-Propaganda/!5823874
   DIR [2] https://apnews.com/article/winter-olympics-beijing-uyghur-boycott-cd07c6dcbdaa1fcef818d9d5ee03362b
   DIR [3] /Uiguren-in-Umerziehungslagern/!5827774
   DIR [4] https://www.rfa.org/english/news/uyghur/adil-abdurehim-02112022170759.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
       ## TAGS
       
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