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       # taz.de -- Gasaustritt an stillgelegtem Bergwerk: Boten aus der Tiefe
       
       > Im niedersächsischen Lehrte zeigt sich ein seltsames Phänomen: In einem
       > Bach steigen Gasblasen auf. Führt die Flutung eines Kali-Bergwerks zu
       > Gefahr?
       
   IMG Bild: Putziges Blubbern oder gefährlicher Laugenaustritt? Gasbildung am Lehrter Bach
       
       Osnabrück taz | Auf den ersten Blick sieht der Lehrter Bach ganz harmlos
       aus. Aber neben der Straße Köhlerheide zeigt sich ein seltsames Phänomen:
       Gasblasen steigen von seinem Grund auf, seit Anfang November 2021 schon.
       Normal ist das nicht. Lehrte, das niedersächsische Städtchen kurz vor
       Hannover, hat ein Problem.
       
       Georg Beu, Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative Umwelt Uetze, hat einen
       Verdacht, wo die Ursache liegt: im Bergwerk Bergmannssegen-Hugo des
       Konzerns K+S, der hier Kalisalze für Düngemittel abgebaut hat. Es liegt
       unter dem Bach, ist seit 1994 stillgelegt und wird seit 1998 geflutet. Die
       Gegend ist geprägt von dieser Industrie: Der gewaltige, helle K+S-Kaliberg
       Sehnde liegt, unübersehbar, nur wenige Minuten entfernt.
       
       Seit 40 Jahren befasst sich Beus Bürgerinitiative mit den Aktivitäten von
       K+S in der Region. Beus Vermutung: Je höher die Salzlauge im Inneren des
       Bergwerks steigt, desto stärker presst sie die restliche Luft von unten
       durch die Erdoberfläche. Steigt sie hoch genug, tritt die Lauge selbst aus.
       
       „Deswegen ist die Flutung von stillgelegten Bergwerken unverantwortlich –
       weil sie neue Altlasten schafft“, sagt Beu der taz. Gelange Salzlauge aus
       der Grube [1][in Grund- und Oberflächenwasser], „könnten Trink- und
       Nutzwasser unbrauchbar werden“. Verantwortlich sei in erster Linie der
       Konzern K+S, sagt Beu. Aufgrund von „ungestilltem Profitinteresse“ flute
       der Konzern mit veralteten Produktionsmethoden Bergwerke und lasse dafür
       [2][Kalirückstandshalden] liegen, statt diese in die Kaligruben zu
       versetzen. K+S mache damit „auch noch Kasse“, die Salzbergwerke mit
       Abfällen nicht langzeitsicher abzudecken.
       
       ## Bisher keine unabhängigen Institute beteiligt
       
       Verantwortlich sei aber auch das niedersächsische Landesamt für Bergbau,
       Energie und Geologie (LBEG), das seiner Verpflichtung zur ausreichenden
       Bergaufsicht nicht nachkomme und alles genehmige, was K+S plant.
       
       K+S habe Luft, Wasser und Boden analysiert, sagt das LBEG. Ergebnis:
       „Mehrere Analysen haben gezeigt, dass das austretende Luftgemisch absolut
       unschädlich ist“, sagt Eike Bruns, Sprecher des LBEG. „Das gilt auch für
       das Grundwasser, das regelmäßig beprobt wird und keine Auffälligkeiten
       aufweist.“ Ein Zusammenhang mit dem Bergwerk sei „nicht auszuschließen“.
       Nach aktuellem Kenntnisstand werde aber „nicht davon ausgegangen, dass
       salzhaltiges Wasser, das für die Flutung verwendet wird, aus dem Bergwerk
       austritt“.
       
       Dass an der bisherigen Untersuchung der Gasaustritte keine unabhängigen
       Institute beteiligt waren, kritisiert Beu scharf: „Es darf nicht sein, dass
       der mutmaßliche Verursacher, K+S, sich selber kontrolliert.“
       
       Auch Landschaftsökologe Ulrich Schmersow, Vize-Fraktionsvorsitzender und
       umweltpolitischer Sprecher der grünen Regionsfraktion, hält den so putzig
       aussehenden Gasaustritt nicht für harmlos. Die Grünen haben
       Regionspräsident Steffen Krach mit Fragen konfrontiert. Zu den genauen
       Messergebnissen. Zu negativen Auswirkungen auf die Wasserökologie des
       Baches. Zum Risiko, dass salzhaltiges Wasser aus der Grubenflutung in den
       Bach und das Grundwasser gelangen könnte. Zum Risiko, dass außer am Lehrter
       Bach noch an weiteren Stellen Gase aus dem Bergwerk an die Oberfläche
       entweichen.
       
       ## „Noch Recherchen notwendig“
       
       Viele Illusionen macht Schmersow sich allerdings nicht: „Ob die Antworten
       ausführlich und hilfreich sein werden – ich bin mir nicht sicher“, sagt er
       der taz. „Wir werden hier nicht locker lassen, wenn die betroffene
       Bevölkerung und Politik nicht umfassend informiert wird.“
       
       Um Schmersows Anfrage zu beantworten seien „noch Recherchen notwendig“,
       sagt der Sprecher der Region Hannover, Klaus Abelmann, der taz. „Heute
       wurde das Phänomen, das seit etwa drei Monaten beobachtet wird, auch von
       der Stadt Lehrte der Region Hannover gemeldet“, so Abelmann am
       Dienstagnachmittag.
       
       Diplom-Geologe und Geochemiker Ralf Krupp, Burgdorf, als Gutachter seit
       Jahrzehnten mit den Folgen insbesondere des Kalibergbaus befasst, auch
       schon für die BI Umwelt Uetze, hat „sofort einen Zusammenhang mit der
       Flutung des Kali-Bergwerks vermutet“, sagt er der taz.
       
       Sinnvoll sei eine Flutung von Bergwerken in Salzformationen nicht.
       „Enthaltene Flüssigkeiten werden dadurch wieder ausgepresst und gelangen
       ins Grundwasser, das sie aufgrund ihrer hohen Salzgehalte massiv versalzen.
       Sinnvoll, aber teurer wäre die Verfüllung der Kalibergwerke mit den auf
       Halde liegenden Aufbereitungsrückständen der Kaliwerke, die ebenfalls aus
       Salz bestehen und durch Niederschläge die Gewässer versalzen.“
       
       Von den Gasblasen an sich gehe im jetzigen Zustand wohl keine Gefahr aus.
       „Wegen des begrenzten Grubenluft-Volumens werden die Gasaustritte
       irgendwann enden“, schätzt Krupp. Aber: „Danach wird das Flutungsmedium auf
       gleichem Wege ausgepresst, was sich dann durch schleichende Salzeinträge
       ins Grundwasser und vielleicht auch in den Lehrter Bach bemerkbar machen
       wird.“
       
       Viele reden über das Lehrter Blubbern. Der potenzielle Verursacher, K+S,
       von der taz um Kommentierung gebeten, schweigt.
       
       22 Feb 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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