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       # taz.de -- Klage gegen Mieter*innen der Rigaer 94: Mieter wechsel dich
       
       > Im Konflikt um eine Mieterin der Rigaer 94 ist noch keine Einigung
       > erzielt. Anwälte haben einen Mieterwechsel statt Kündigung vorgeschlagen.
       
   IMG Bild: Die Lafone Investment will die Bewohner*innen der Rigaer94 loswerden – bisher vergeblich
       
       Berlin taz | Die Beklagte ist am Dienstagmorgen nicht vor Gericht
       erschienen, dafür ihre potenzielle Nachfolgerin. Im Räumungsprozess gegen
       die Mieterin einer Wohnung im teilbesetzten linken Hausprojekt „Rigaer 94“
       in Friedrichshain haben die Anwälte Widerklage eingereicht. Sie wollen
       erreichen, dass die Mieterin, die seit 20 Jahren nicht mehr in der Wohnung
       leben soll, aus dem Vertrag ausscheidet und stattdessen eine andere
       Mieterin den 30 Jahre alten Vertrag übernimmt. „Der Mietvertrag enthält
       eine Klausel, dass die Mieter ausgetauscht werden können“, erklärt ihr
       Anwalt Benjamin Hersch nach dem Prozess vor dem Amtsgericht Kreuzberg.
       
       Der Anwalt des Eigentümers, der englischen Briefkastenfirma Lafone
       Investment Ltd., ist überrascht, aber nicht abgeneigt. „Coole Idee“, sagt
       Alexander Aretin, bevor er sich zurückzieht, um mit der Eigentümerin zu
       telefonieren. In der darauf folgenden Verhandlungspause unterhält er sich
       angeregt mit der möglichen Nachmieterin. Zu einer Einigung kommt es am
       Dienstag trotzdem nicht. „Die Dame macht einen netten Eindruck“, sagt
       Aretin. Bevor man darüber entscheide, ob die junge Sozialarbeiterin dort
       einziehen kann, wolle man jedoch den Ausgang des Prozesses abwarten.
       
       „Wir hätten das jetzt einfach über die Bühne bringen können“, sagt Benjamin
       Hersch enttäuscht. Auch die Richterin hätte sich einen Vergleich gewünscht.
       Ganz so einfach dürfte der jedoch nicht werden. „Wir wollen, dass die
       Mietkonditionen gleich bleiben“, so Hersch. Und die sind für Berliner
       Verhältnisse traumhaft: 120 Euro (seinerzeit 228 D-Mark) kostet die 52
       Quadratmeter große Zweizimmerwohnung – warm. „Das muss natürlich schon ein
       bisschen angepasst werden“, sagt der Eigentümeranwalt. Allerdings
       „moderat“, schließlich sei der Wohnraum „nicht in besonders gutem Zustand“.
       Man werde das Vergleichsangebot nun prüfen. „Ich glaube nicht, dass es eine
       Zwangsräumung geben wird“, sagt er zuversichtlich. Immerhin versichern
       beide Seiten, dass sie „geregelte Verhältnisse“ in dem Haus anstreben, das
       schon seit Jahren die Gerichte beschäftigt.
       
       ## Insgesamt 30 Räumungsklagen
       
       Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Lafone [1][das Hausprojekt von der
       Polizei durchsuchen lassen], um die Personalien der Bewohner*innen
       festzustellen. Im Zuge dessen identifizierte der Eigentümer rund ein
       Dutzend Altmieter*innen, die nicht mehr dort wohnen sollen. Ihnen wurde
       ebenso gekündigt wie den übrigen Bewohner*innen, insgesamt 30
       Räumungsklagen sind laut Eigentümer-Anwalt anhängig. [2][In einem ersten
       Verfahren Anfang Februar] will das Amtsgericht Kreuzberg ein
       Rechtsgutachten erstellen lassen, um die jahrelange Streitfrage zu klären,
       ob die Eigentümergesellschaft nach deutschem Recht existiert und überhaupt
       über die Legitimation verfügt, eine Räumung anzustreben. [3][Im Verfahren
       um die besetzte Hauskneipe steht ebenfalls ein Vergleich im Raum], der
       vorsieht, die „Kadterschmiede“ mit einem Mietvertrag ab dem 1. März für 650
       Euro monatlich zu legalisieren. „Wir verhandeln noch“, sagt Rigaer
       94-Anwalt Hersch dazu am Dienstag.
       
       Im Fall der Wohnung der nun beklagten Mieterin habe die Polizei keine
       erkennbaren Wohnverhältnisse festgestellt, die Räume seien voller Matten
       und Fitnessgeräte, sagt Aretin. „Das wird vom Hauskollektiv als Sportraum
       genutzt“, ist er sich sicher. Der Eigentümer kündigte ihr daraufhin zu Ende
       Februar, unter anderem wegen Zweckentfremdung. Den wollte die Richterin am
       Dienstag jedoch nicht so recht erkennen, auch die anderen Gründe wie
       Scheinmiete und Zahlungsverzug erkannte sie nicht an. Lediglich eine
       Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht sieht sie als gegeben. Ob
       das jedoch eine derart schwere Pflichtverletzung ist, wie sie der
       Mietvertrag für eine Kündigung vorsieht, will die Richterin am 29. März
       verkünden.
       
       Der Eigentümer-Anwalt will das Ganze am liebsten noch schneller über die
       Bühne bringen – nicht, dass vorher noch jemand feststellt, dass ein
       Briefkasten gar keine Menschen aus ihrer Wohnung werfen darf.
       
       22 Feb 2022
       
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   DIR Marie Frank
       
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