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       # taz.de -- Die Wahrheit: Coole Schüttler und Rührer
       
       > Am Donnerstag ist Internationaler Tag der Barkeeper. Wir mixen uns
       > schonmal einen kräftigen Gedenk-Cocktail auf Eis und aufs Haus.
       
   IMG Bild: Cocktails diverser Couleur produzieren die Hüter und Hüterinnnen der Bar nicht nur an ihrem Feiertag
       
       Preisfrage: Wem haben wir diese Erkenntnis zu verdanken? „Der Bundestag ist
       eine unglaubliche Alkoholikerversammlung, die teilweise ganz ordinär nach
       Schnaps stinkt.“ Dem, mit Verlaub, ehrenwerten Joschka Fischer, kurz nach
       seiner Einschulung in den Deutschen Bundestag, anno domini 1983.
       
       Es gab Zustimmung, aber auch Proteste nach dieser Einlassung. Dagegen waren
       sich Politiker über alle Parteigrenzen hinweg selten einiger als am 24.
       Februar 2012: Da kündigte nämlich die Bundestagsverwaltung an, die
       Steuervergünstigungsregel für alle alkoholischen Getränke in der Kellerbar
       des Hohen Hauses aufzuheben. Es kam zu tumultartigen Szenen, bis der weise
       Bundestagspräsident Norbert Lammert versprach, die Entscheidung
       auszusetzen.
       
       Der Termin war umso skandalöser, als der 24. Februar traditionell der
       Welttag der Barkeeper und Barkeeperinnen ist. Vorwiegend sind es allerdings
       Männer, quirlige Typen, die aus der Lamäng abenteuerliche Mixturen auf die
       Theke knallen. Den Tag feiert man im Schumann’s in München ebenso wie in
       der Paris Bar in Berlin und in der American Bar in London, wobei man in New
       York keine London Bar findet.
       
       ## Tote Hose an der Minibar
       
       Gefeiert wird obendrein in der Celona Bar in der zweitgrößten Stadt
       Spaniens, in der Floréria Atlantico in Buenos Aires, die zwar nicht am
       Atlantik liegt, aber dafür wird ausgelassen gemixt und geprostet in den
       zahllosen Strandbars, vor allem in denen, denen weit und breit kein Meer
       zur Verfügung steht. Nur an der Minibar im Hotel ist wenig los.
       
       Wer einmal in Downing Street No. 10 beim „Partygate“ hinter dem Tresen
       gestanden hat, den wird so schnell nichts mehr erschüttern, nicht einmal
       Wortwitze zum Thema „Geschüttelt oder gerührt“. Ungerührt werden
       Bestellungen von Anzugträgern mit anzüglichem Grinsen entgegengenommen:
       „Sex on the Beach“. Ein Blick genügt, und jeder vernünftige Barkeeper weiß,
       ob das Glas beim Kunden halb leer oder halb voll ist. Er hat schon viele
       Flaschen gesehen im Leben, meist aber hat er es nicht mit normalsterblichen
       Gästen zu tun, sondern mit Cosmopolitans, Connaisseurs, Aficionados oder
       Flaneuren.
       
       Sie versorgt er stets unermüdlich mit Drinks, die gerade in unserer
       modernen Zeit gewissen multikulturellen Besäufnissen entgegenkommen und
       auch wegen ihres geringen Ozongehaltes besonders gerühmt werden wie Meyers
       Crème de Broccoli, Minze mit Medinait oder der Anilin & Soda Grabbler, der
       erhitzte Gemüter kühlt und unterkühlte erhitzt.
       
       ## Keine Schnitzer außer bei Zitrusfrüchten
       
       Der perfekte Barkeeper hat einen Master in Mixology von der Academy in St.
       Martin-on-the-Rocks, kennt sich bei Obst und Gemüse aus
       (Maraschinokirschen, Oliven). Ihm ist klar, dass er sich keine Schnitzer
       erlauben darf außer bei Limonen, Zitronen und Orangen. Er kann auf Anhieb
       den Unterschied zwischen Aperol und Pomerol erklären und weiß sogar, wer
       oder was Angostura ist.
       
       Der ausgeruhte Barkeeper kennt sämtliche Tricks beim Eiswürfeln, kann mit
       Papiersonnenschirmchen ebenso virtuos umgehen wie mit dem rettenden
       Strohhalm. Er besteht aus einem Drittel Autorität, einem Drittel Überblick,
       einem Drittel Psychotherapie, einem Schuss Coolness und einem Spritzer
       Empathie. Zur Sicherheit ruht der Baseballschläger unter der
       Registrierkasse. Der Barkeeper weiß, was zu tun ist, wenn einem Gast die
       Barmittel ausgehen. Auch in der Kellerbar des Bundestages. Er ist es, der
       die Welt zusammenhält.
       
       Aber wie feiern sie ihren Tag, die vielen Barkeeper und wenigen
       Barkeeperinnen? Indem sie einfach ein Schild auf die Bar stellen: „Bin
       gleich zurück!“, um sich mit anderen Kollegen zu treffen. Allerdings erhebt
       sich die Frage: Wo eigentlich? Natürlich! Offenbar in der Bar zur
       Wortspielhölle.
       
       23 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas C. Breuer
       
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