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       # taz.de -- Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine: „Ganz klares Racial Profiling“
       
       > Noch immer werden Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine in Polen und
       > Deutschland anders behandelt als weiße, kritisiert Jeff Klein vom Verein
       > EOTO.
       
   IMG Bild: Geflüchtete warten im polnischen Grenzort Medyka auf ihren Transport in ein „refugee center“
       
       taz: Herr Klein, Sie waren gerade in Polen wegen der Lage Schwarzer
       Geflüchteter aus der Ukraine. Was haben Sie gesehen und gehört? 
       
       Jeff Klein: Ich war dort im Rahmen eines neuen Bündnisses von über 30
       Schwarzen Organisationen und vielen Einzelpersonen aus Deutschland. Wir
       haben uns zusammen getan aufgrund der dramatischen Berichte und Bilder von
       den Grenzübergängen Ukraine-Polen, die zeigten, wie Schwarze Menschen dort
       seit Ausbruch des Krieges behandelt wurden. Leider wurde mir das vor Ort,
       ich war unter anderem am Grenzübergang Medyka, von Augenzeugen bestätigt:
       Sie mussten stunden-, teils tagelang in der Schlange am Grenzübergang
       warten, während weiße Ukrainer*innen an ihnen vorbei durchgelassen
       wurden.
       
       Waren das polnische oder ukrainische Grenzbeamte? 
       
       Das war auf ukrainischer Seite. Viele Schwarze Menschen haben mir
       berichtet, wie sie aus der Warteschlange rausgepickt wurden, an extra
       eingerichteten Sammelpunkten warten mussten und dort Schikanen ausgesetzt
       waren. Sie mussten ohne Verpflegung über Stunden, teils Tage in der Kälte
       ausharren!
       
       Irgendwann durften Sie aber rüber? 
       
       Irgendwann schon. Mittlerweile hat sich diese Situation wahrscheinlich
       aufgrund des internationalen Drucks verbessert. Das hat ja kein gutes Bild
       auf die Ukraine geworfen. Aber noch immer ist es so, dass viele Schwarze
       Menschen in Polen an solche Sammelpunkte gebracht werden.
       
       Sie werden interniert? 
       
       Ja. Sie werden auf der polnischen Seite eingesammelt und in spezielle
       Vorrichtungen gebracht. Nach ein paar Tagen bringt man sie unter anderem
       nach Warschau, dort werden sie frei gelassen. Als Begründung für die
       Internierung wurde ihnen genannt, dass sie keine ukrainischen
       Staatsbürger*innen seien und dass sich die unkomplizierte Aufnahme der
       EU an ukrainische Bürger*innen richte. Aber die Realität sieht so aus,
       wie mir von unterschiedlichen Stellen bestätigt wurde: Auch die weißen
       Menschen, die fliehen, sind nicht alle Ukrainer*innen! Viele sind
       Russ*innen, Belaruss*innen oder andere, die in den vergangenen Jahren
       in die Ukraine desertiert sind und keinen legalen Status hatten. Dagegen
       besteht der allergrößte Teil der Schwarzen und PoC, die nun fliehen, aus
       Studierenden. Sie haben einen legalen Aufenthaltsstatus.
       
       Wie erleben das die Betroffenen? 
       
       Man muss sich das vorstellen: Das sind junge Menschen, viele erleben gerade
       ihren ersten Winter in Europa. Auf einmal mussten sie vor Krieg fliehen und
       wissen nun gar nicht, wie ihre rechtliche Lage ist. Viele haben Angst
       zurückgeschickt zu werden und ihr Studium nicht beenden können. Sie müssen
       schauen, wo sie nun unterkommen können, [1][dazu diese schlechtere
       Behandlung]. Es gab ja auch viele Berichte, dass Schwarze Menschen nicht in
       Busse reingelassen wurden, in die Ukrainer*innen Vortritt bekamen. Das
       betraf auch Schwarze Frauen mit Kindern – obwohl es den Aufruf gab, dass
       Frauen mit Kindern bevorzugt Plätze bekommen sollten.
       
       Meinen Sie Linienbusse? 
       
       Genau, ich rede von Linienbussen und Zügen, die von den polnischen
       Grenzorten Richtung Westen fuhren. Alles, was dort passiert, ist eine ganz
       klare und intensive Form von Racial Profiling, wo über Hilfe und
       Unterstützung auf Basis von Rassifizierungen entschieden wird! [2][Auch in
       Deutschland, z.B. in Frankfurt (Oder)] oder Kassel, ist es massenweise zu
       Racial Profiling gekommen. Das ist eine absolut schreckliche Situation, die
       nicht zu rechtfertigen ist. An den Grenzübergängen scheint es nun besser zu
       laufen, wie man mir sagte, aber die Ungleichbehandlung existiert ja weiter.
       
       Wo denn? 
       
       Die rechtliche Lage für die Schwarzen Nicht-Ukrainern*innen ist ja weiter
       ungeklärt. Niemand weiß, ob und wo sie nun erstmal sicher unterkommen
       können, ob sie in der EU ihr Studium weiterführen können, inwiefern ihnen
       staatliche Unterstützung zusteht. Bei Ukrainer*innen wird klar gesagt,
       dass sie willkommen sind in Europa, in der EU, im Schengen-Raum – während
       es diese Sicherheit bei Schwarzen und PoCs, die aus der Ukraine geflohen
       sind, faktisch nicht gibt. Da müssen Deutschland und die EU viel mehr
       machen. Es ist wichtig und absolut notwendig, dass nun die
       EU-Massenzustrom-Richtlinie erstmals in Kraft treten soll: Aber wenn man
       sagt, wir stehen solidarisch mit den Ukrainer*innen, hoffe ich doch, dass
       diese Solidarität allen Menschen, die aus der Ukraine fliehen, entgegen
       gebracht wird.
       
       Wer kümmert sich in Berlin um Schwarze Geflüchtete? 
       
       Unser Bündnis versucht in der Notlage eine Art Anlaufstelle zu sein. Wir
       haben viele finanziellen und Sachspenden erhalten, es melden sich auch
       viele Freiwillige, die helfen, Geflüchtete mit Essen zu versorgen, ihnen
       beim Ankommen zu helfen und sie unterzubringen. Es gibt zum Glück auch
       viele Angebote für Schlafplätze. Es ist überwältigend zu sehen, wie viele
       Menschen sich einsetzen und im Schichtbetrieb Tag und Nacht arbeiten. Das
       gilt übrigens nicht nur für Berlin, ähnliche Anstrengungen gibt es in
       Hamburg, Dortmund, Köln sowie in anderen Ländern wie Polen. Trotzdem muss
       man sagen: Wir übernehmen hier eine staatliche Aufgabe, weil die EU ihrer
       Pflicht, auch dieser besonders vulnerablen Gruppe zu helfen, nicht in
       ausreichender Weise nachkommt. Das ist übrigens eine Erfahrung, die wir
       immer wieder in Krisen sehen, auch bei Corona: Ohnehin benachteiligte
       Gruppen werden in Krisen zusätzlich und verschärft benachteiligt!
       
       Wer Schwarzen Geflüchteten aus der Ukraine helfen möchte, kann hier
       spenden: [3][https://www.eoto-archiv.de/spenden/]
       
       6 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwarze-Studierende-in-der-Ukraine/!5839227
   DIR [2] /Nach-Kontrollen-von-Ukraine-Fluechtlingen/!5839283
   DIR [3] https://www.eoto-archiv.de/spenden/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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