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       # taz.de -- EU-Kommission will weniger Pestizide: Landwirte sollen weniger spritzen
       
       > Die Mitgliedsländer müssen den Einsatz von Ackergiften bis 2030 um 50
       > Prozent senken. Das besagt ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission.
       
   IMG Bild: Fliegt nicht so auf Ackergifte: Honigbiene am Tag der Biene 2018
       
       Berlin taz | Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten verpflichten, den
       Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 grundsätzlich zu
       halbieren. Das sieht ein interner Verordnungsentwurf der Behörde vor, der
       der taz vorliegt.
       
       Jährlich [1][werden in der EU laut Behörden rund 350.000 Tonnen Wirkstoffe
       eingesetzt], die Kulturpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen
       sollen. Rückstände finden sich in Böden, Wasser und Lebensmitteln sowie im
       menschlichen Körper. Pestizide tragen auch dazu bei, dass immer mehr
       Pflanzen- und Tierarten aussterben.
       
       Deshalb will die EU-Kommission dem Entwurf zufolge, dass jeder
       Mitgliedstaat die eingesetzte Pestizidmenge bis 2030 im Prinzip um
       mindestens 50 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis
       2017 senkt. Wenn ein Land schon davor den Einsatz stärker als der
       EU-Durchschnitt reduziert und zum Beispiel neue Schädlinge erwartet, sollen
       auch minus 25 Prozent reichen.
       
       Professionelle Anwender wie Landwirte müssen laut dem Entwurf künftig in
       einer amtlichen Datenbank jeden Pestizideinsatz eintragen und begründen.
       Die Mitgliedstaaten sollen für die wichtigsten Kulturpflanzen
       artspezifische Regeln festlegen, damit Pflanzenschutzmittel nur verwendet
       werden, wenn sich das nicht vermeiden lässt.
       
       ## Naturschutzverbände verhalten zufrieden
       
       In „sensiblen Gebieten“ wie Naturschutzflächen oder städtischen Grünanlagen
       sollen keine Pestizide benutzt werden dürfen. Ausnahmegenehmigungen sollen
       möglich sein, wenn keine Alternative mit geringerem Risiko verfügbar ist.
       
       All diese Vorschriften will die EU-Kommission per Verordnung festgelegt
       wissen – also nicht wie bislang durch eine Richtlinie, die die
       Mitgliedstaaten erst in nationales Recht übertragen müssen. Die bisherige
       Richtlinie zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden hätten mehrere EU-Länder
       mangelhaft umgesetzt, so die Kommission.
       
       „Dass nun erstmals verbindliche Reduktionsziele sowohl auf EU-Ebene als
       auch auf nationaler Ebene festgelegt werden sollen, ist ein großer Schritt
       vorwärts“, schrieb der taz Verena Riedl, Referentin für Biodiversität und
       Ökotoxikologie des Naturschutzbunds (Nabu). „Aus unserer Sicht wäre eine
       verpflichtende Reduktion von 50 Prozent des Pestizidrisikos bis 2030 aber
       auch auf nationaler Ebene festzuschreiben.“
       
       Die Mitgliedstaaten sollten das Ziel einhalten, selbst wenn sie den
       Pestizideinsatz in der Vergangenheit stärker als im EU-Durchschnitt
       reduziert haben.
       
       „Damit diese Verordnung positive Auswirkungen hat, muss noch einiges
       passieren“, erklärte Sarah Wiener, österreichische Grünen-Abgeordnete im
       Europa-Parlament. Ihr gehen die Einsatzverbote nicht weit genug, die Regeln
       sind ihr zu lax. Wiener forderte zum Beispiel „Pufferzonen um Einrichtungen
       wie Schulen oder Kindergärten, in denen der Einsatz von Pestiziden
       endgültig verboten wird“. Das sei nötig, um die Gesundheit von Kindern zu
       schützen.
       
       ## Bauernverband kritisiert Vorschlag
       
       „Diese Vorschläge der EU sind völlig überzogen und helfen vor allem weder
       der Biodiversität noch der Pflanzengesundheit“, teilte dagegen der
       Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, der taz
       mit. „Die deutschen Landwirte [2][haben den Einsatz von
       Pflanzenschutzmitteln schon seit Jahren reduziert] und werden dies auch
       weiter tun.“ Dazu brauche es aber nicht den „populistischen Rasenmäher“,
       sondern wissenschaftlich unterlegte, gezielte Maßnahmen. „Pauschale
       Reduktionsziele widersprechen dem Grundsatz eines gezielten und präzisen
       Pflanzenschutzes.“
       
       Die Europäische Kommission will am 23. März ihren Vorschlag, der bis dahin
       noch geändert werden kann, offiziell vorlegen. Danach müssen EU-Parlament
       und -Rat über den Text beraten.
       
       21 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /EU-Rat-gegen-mehr-Transparenz/!5829748
   DIR [2] /Umweltverbaende-kritisieren-Ackergifte/!5825224
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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