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       # taz.de -- Energiewende in Frankreich: Renaissance der Atomkraft
       
       > Bis zu 14 neue Atomkraftwerke hat Emmanuel Macron angekündigt.
       > Erneuerbare Energien sieht er als Brückentechnologie.
       
   IMG Bild: Die Zukunft strahlt: Präsident Macron verkündet am 10. Februar seine Pläne für Atomkraftwerke
       
       Belfort afp | In Deutschland soll Erdgas als Brückentechnologie die Zeit
       bis zum Ausbau erneuerbarer Energien überbrücken. Frankreichs Präsident
       Emmanuel Macron hält die erneuerbaren Energien selbst für eine
       Brückentechnologie – bis endlich die neuen Atomkraftwerke fertig sind. Bis
       zu 14 EPR-Reaktoren der nächsten Generation will er bauen lassen – das
       bedeutet nach seiner Lesart nichts anderes als die „Renaissance der
       Atomkraft“, [1][wie er am Donnerstag im ostfranzösischen Belfort
       verkündete].
       
       „Wir nehmen unser Schicksal selber in die Hand“, erklärte Macron mit viel
       Pathos. Der Bau der neuen Reaktoren sei „die Baustelle des Jahrhunderts“.
       Die Rückkehr der Atomkraft bedeute zugleich die „Souveränität der
       Energieversorgung“, fügte er hinzu. Allerdings ist noch nicht einmal der
       einzige EPR-Reaktor der aktuellen Generation in Frankreich am Netz.
       
       Macron hatte Belfort für seine große Atom-Rede ausgesucht, weil dort die
       Turbinen für die Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Kurz zuvor gab der
       französische Energiekonzern EDF den Rückkauf der Turbinenproduktion vom
       US-Unternehmen GE bekannt. Das Pikante daran: Als Macron noch
       Wirtschaftsminister war, hatte er selbst den Verkauf der Energiesparte von
       Alstom an GE genehmigt. Die Opposition hatte vergeblich versucht, dies mit
       dem Hinweis auf die Sicherheit der Energie-Produktion zu verhindern.
       
       Jetzt führt Macron genau dieses Argument für den Rückkauf ins Feld: Die
       französische Atomindustrie solle gestärkt werden, um eine unabhängige
       Energieproduktion zu gewährleisten.
       
       ## Ein Dutzend Reaktoren sind abgeschaltet
       
       Macron setzt auf Atomenergie, weil sie dem Land eine gute CO2-Bilanz
       verschafft. Allerdings bringt der alternde Kraftwerkspark viele Probleme
       mit sich. Derzeit sind etwa ein Dutzend Reaktoren abgeschaltet, teils für
       Wartungsarbeiten, teils aber auch wegen technischer Probleme. Macron
       erwähnte dies in seiner Rede als ein Beispiel für die lobenswerte
       Transparenz des Betreibers EDF.
       
       Es hat allerdings zur Folge, dass die Produktion immer weiter reduziert
       wird. Derzeit liegt die Kapazität bei gut 61 Gigawatt. „Das entspricht 55
       bis 60 Prozent der Kapazität, während bei normaler Funktion 80 Prozent
       erreicht werden sollte“, sagt Yves Marignac von der Umwelt-Organisation
       négaWatt.
       
       „Ein so niedriges Niveau haben wir noch nie gehabt“, fügte er hinzu.
       Tatsächlich musste EDF seine Prognose der Jahresproduktion von 330 bis 360
       auf 295 bis 315 Terawattstunden nach unten korrigieren.
       
       EDF hatte für den Bau der ersten sechs Reaktoren bereits Kosten in Höhe von
       50 Milliarden Euro veranschlagt. Im Élysée zeigte man sich unverhohlen
       erfreut, dass die EU-Kommission auf französischen Druck Atomkraft als
       nachhaltig einstufen will. „Das wird die Finanzierung erleichtern“, hieß es
       im Präsidentenpalast.
       
       ## Frankreich verfehlt Ziele bei der Windkraft
       
       Da der erste der neuen Reaktoren frühestens 2035 ans Netz gehen soll, will
       Macron auch in erneuerbare Energien investieren – was Frankreich weitgehend
       verschlafen hat, wie der Präsident selber einräumt. Im Jahr 2020 lag
       Frankreich als einziges EU-Land mit 19 Prozent erneuerbarer Energie hinter
       seinem selbst gesteckten Ziel von 23 Prozent zurück.
       
       Obwohl Frankreich kilometerlange Küsten am Ärmelkanal, am Atlantik und am
       Mittelmeer hat, gibt es bislang keinen einzigen funktionierenden
       Offshore-Windpark. Macron kündigte nun den Bau von insgesamt 50
       Offshore-Windparks an.
       
       Auch die Windkapazitäten auf dem Land sollen verdoppelt werden – aber
       nicht, wie bisher geplant, innerhalb von zehn Jahren, sondern erst bis
       2050. Da ist der gesellschaftliche Widerstand zu groß.
       
       Das Problem des Atommülls ist freilich nicht gelöst. Im lothringischen Dorf
       Bure gibt es 500 Meter unter der Erde ein „Labor“, wo die Lagerung von
       Atommüll vorbereitet wird. „Das ist das Referenzmodell, das Projekt ist auf
       gutem Weg“, betont der Élysée. Eine Baugenehmigung ist allerdings noch
       nicht vorhanden, [2][und die Abklingbecken in der Wiederaufarbeitungsanlage
       La Hague sollen bereits 2030 voll sein.]
       
       11 Feb 2022
       
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