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       # taz.de -- Um fünf Uhr die Tür aufbrechen
       
       > Eine Performance am Pariser Platz reflektierte Russlands Angriff auf die
       > Krim 2014 im Zusammenhang des Kriegs gegen die Ukraine
       
   IMG Bild: Die Installation „Ukraine, 5 Uhr morgens“ am Pariser Platz
       
       Von Nora Rauschenbach
       
       Zwischen den üblichen Tourist*innen am Brandenburger Tor wurden am
       Samstag, 26. Februar, elf offene rote Türen aufgebaut. Sie wollen eine
       Geschichte von gewaltsam aufgebrochenen Türen, von Überfällen im eigenen
       Zuhause erzählen. Es geht um die Annexion der Krim durch Russland 2014 und
       die Verfolgung der Krimtataren, die inhaftiert und getötet wurden: In der
       Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2014 stürmten russische Spezialkräfte das
       Abgeordnetenhaus und den Ministerrat der Krim. Seitdem befindet sich die
       Krim unter russischer Kontrolle und Hunderte Krimtataren werden
       strafrechtlich verfolgt. Diese Verfolgungen beginnen dabei meist mit einem
       Einfallen der Einsatzkräfte in das Zuhause der Verfolgten um 5 Uhr morgens,
       zu einer Zeit, zu der man am wenigsten damit rechnet und am verletzlichsten
       ist. Dabei werden die Türen gewaltvoll aufgebrochen, was die Installation
       auf dem Pariser Platz verdeutlichen soll.
       
       Auch der am 24. Februar 2022 verübte Angriff Russlands auf die Ukraine fand
       um diese Zeit statt. So stellen die Veranstalter*innen (Zentrum für
       Liberale Moderne) zunächst auf oberflächlicher Ebene eine Verbindung zu den
       aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen in der Ukraine her und zeigen
       ihre Anteilnahme.
       
       Neben den ausgestellten Türen gibt es Reden und Erfahrungsberichte von
       Angehörigen verfolgter Krimtataren oder den Verfolgten selbst werden
       vorgelesen. Eine der Vortragenden ist die Schauspielerin Sarah Maria
       Sander, die sowohl ukrainische wie russische Wurzeln hat und sich für die
       Rechte politischer Gefangener in Russland und Belarus einsetzt. Zutiefst
       bewegend erzählt sie, wie sie die Nachricht vom Angriff auf die Ukraine
       durch den Anruf eines Freundes erfahren hat und daraufhin ihre Mutter
       anrief mit den Worten „der Krieg hat angefangen“ – Worte, die sie niemals
       dachte, gebrauchen zu müssen.
       
       Gleichzeitig macht sie aber auch darauf aufmerksam, dass die Situation sich
       seit Jahren angebahnt habe und dass der Angriff daher nicht wirklich
       überraschend gewesen sei. Sie stellt die Frage in den Raum, wie
       Politiker*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen es so weit
       kommen lassen konnten und wünscht sich von Deutschland jetzt Unterstützung
       für die Ukraine: „Ich bin unfassbar stolz, diese ukrainischen Wurzeln zu
       haben. Ich fühle unfassbar tiefe Schande, dass ich auch russische Wurzeln
       habe, und ich fühle mich als deutsche Staatsbürgerin in der Verpflichtung,
       dass wir in Deutschland auch handeln und nicht wegsehen“, sagt Sander.
       
       Es ist sehr schwer, fast nicht auszuhalten, den Geschichten der politischen
       Gefangenen zuzuhören. Es wird von der Mutter eines Verfolgten berichtet,
       die bei dem Eindringen der russischen Sicherheitskräfte ohnmächtig wurde.
       Es wird von Kindern berichtet, einem kleinen Mädchen, gerade einmal vier
       Jahre alt, und zwei Jungen, die Todesangst verspürten, als die
       Einsatzkräfte in ihr Haus kamen. Es wird von der Familie eines politischen
       Gefangenen berichtet, der versprochen wurde, dass sie sich von dem
       Festgenommenen noch verabschieden könnten, bevor er weggebracht würde, was
       jedoch nicht stimmte. Und es wird von den Kindern eines inhaftierten Mannes
       berichtet, die Monate nach seiner Abholung immer noch zur Tür liefen, wenn
       diese aufging, weil sie dachten, ihr Vater käme zurück.
       
       Es ist schwer, sich diese Schicksale anzuhören, aber auch wichtig, denn
       „sie zeigen eine neue Realität der Krim“, wie die Moderatorin Viktoria
       Savchuk deutlich macht.
       
       Die Veranstalter*innen schaffen es hier, auf die Situation der
       politischen Gefangenen auf der Krim und in Russland aufmerksam zu machen
       und zu verdeutlichen, dass die aktuelle Situation der Ukraine gar nicht so
       unvorhersehbar kam, wie zuerst gedacht.[1][Siehe auch Seite]
       
       28 Feb 2022
       
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