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       # taz.de -- Petition der Woche: Raus aus der Schmuddelecke
       
       > Die Ampel will den Paragrafen 219a abschaffen. Doch
       > Schwangerschaftsabbrüche sollten entkriminalisiert werden, fordert ein
       > Bündnis.
       
   IMG Bild: Protestaktion zum 150. Jahrestag des Abtreibungsparagrafen 218 in Karlsruhe im Mai 2021
       
       Im Herbst 2017 gingen bundesweit tausende Frauen auf die Straße. Sie
       klebten sich den Mund mit Pflastern zu, um zu verdeutlichen, wogegen sie
       protestierten: Dass Ärzt:innen hierzulande nicht öffentlich darüber
       informieren dürfen, ob und wie sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die
       Proteste kochten zu dieser Zeit hoch, weil die Ärztin Kristina Hänel zu
       einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden war. Sie hatte laut
       Gesetz etwas Verbotenes gemacht: Sie informierte ungewollt Schwangere über
       ihre medizinischen Leistungen.
       
       Nun sieht alles danach aus, als ob das Informationsverbot für
       Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr lange Bestand hat. Die Ankündigung,
       [1][den Paragrafen 219a abschaffen zu wollen], ist eines der ersten
       Vorhaben von Justizminister Marco Buschmann (FDP) in der Ampelkoalition.
       Zwar wird es voraussichtlich noch einige Monate dauern, bis der Paragraf
       tatsächlich gestrichen ist. Aber da Grüne, FDP und SPD schon in der
       vergangenen Legislatur jeweils eigene Gesetzentwürfe vorgelegt hatten, wird
       die Abschaffung aller Voraussicht nach eine eher leichte Übung.
       
       Ganz anders sieht es im Fall des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs aus,
       der Abbrüche generell kriminalisiert. Seit mehr als 150 Jahren sind sie in
       Deutschland grundsätzlich illegal und nur unter bestimmten Bedingungen
       straffrei. Gegen diese Kriminalisierung richtet sich nun ein Bündnis von
       Vereinen und Initiativen [2][mit einer Petition auf Weact], der
       Petitionsplattform der Organisation Campact. Seit dem Start Mitte Februar
       haben schon über 72.000 unterzeichnet.
       
       Zwar sei die geplante Streichung von Paragraf 219a ein erster Schritt –
       doch dieser reiche nicht aus, so Mitinitiatorin Leonie Kühn vom Verein
       [3][Doctors for Choice]. „Wir fordern die Ampelkoalition auf, Paragraf
       218 zu streichen. Ein Schwangerschaftsabbruch darf keine Straftat sein.“
       
       Die Entkriminalisierung von Abbrüchen ist Teil der Programme von SPD und
       Grünen, also von zwei der drei Regierungsparteien. Im Koalitionsvertrag
       steht sie trotzdem nicht. Lediglich eine Kommission soll prüfen, inwiefern
       es möglich ist, Abbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln. „Bei der
       Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen versteckt sich die
       Bundesregierung bislang hinter Prüfaufträgen“, so das Bündnis, das sich
       konkret an Justizminister Buschmann, Gesundheitsminister Karl Lauterbach
       (SPD) und Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) richtet. Ziel der Petition
       sei es, durch Zehntausende Unterstützer:innen die Bundesregierung zum
       Handeln zu bringen.
       
       Denn die Kriminalisierung von Abbrüchen hat schwerwiegende Folgen. Noch
       immer gelten sie als etwas Schmuddeliges, wenige sprechen darüber. In der
       medizinischen Ausbildung werden sie kaum oder gar nicht gelehrt, auch eine
       medizinische Leitlinie gibt es dazu noch immer nicht. Weil sie Stigma und
       Kriminalisierung fürchten, bieten zudem immer weniger Ärzt:innen
       Schwangerschaftsabbrüche an. Das wiederum führt dazu, dass einige Regionen
       hierzulande drastisch unterversorgt sind und ungewollt Schwangere bis zu
       150 Kilometer weit fahren müssen, um einen Abbruch zu bekommen.
       
       All das wollen die Initiator:innen der Petition ändern.
       Schwangerschaftsabbrüche, fordern sie, müssen „selbstverständlicher Teil
       öffentlicher Gesundheitsversorgung sein“.
       
       26 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Streichung-des-Paragrafen-219a/!5826339
   DIR [2] https://weact.campact.de/petitions/keine-kompromisse-schwangerschaftsabbruche-legalisieren
   DIR [3] https://doctorsforchoice.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
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