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       # taz.de -- Protest gegen den Ukraine-Krieg: Neue Töne durchs Polizei-Megafon
       
       > Auf den Kundgebungen gegen den Ukraine-Krieg sind die üblichen
       > Redeordnungen außer Kraft gesetzt. Wer etwas zu sagen hat, ergreift das
       > Megafon.
       
   IMG Bild: Demo gegen den Ukraine-Recht auf dem Hamburger Rathausmarkt: Rederecht für alle
       
       Hamburg taz | Möchte noch jemand sprechen?“, fragt die junge Frau mit dem
       Pferdeschwanz bei der Ukraine-Demo auf dem Hamburger Rathausmarkt und
       streckt anbietend die Hand mit dem Megafon aus. Das Megafon hat die Polizei
       ausgeliehen, weil hier alles improvisiert ist. Eine junge Frau mit Brille
       und langem Zopf tritt nach vorn. „Ich habe noch nie vor so vielen Menschen
       gesprochen“, sagt sie, „noch nie mit so lauter Stimme.“
       
       Es ist eine Feststellung, keine Entschuldigung. Sie ist Ukrainerin und sie
       sagt, dass es Gespräche geben muss, um den [1][Krieg] zu beenden. Vor ihr
       hat ein junger Deutscher mit Mütze gesprochen und Waffen für die Ukraine
       gefordert. Nach ihr spricht eine ältere deutsche Frau: „Ich bin ratlos“,
       sagt sie.
       
       Es ist ein neuer, ungewohnter Ton, den man auf diesen Kundgebungen hört. Es
       gibt wenig Gewissheiten. Keine Redeordnung, keinen Proporz, damit alle
       Veranstalter gleichermaßen zu Wort kommen. Keine Institutionen, auf deren
       Schultern man steht. Die Leute sagen ihren Namen und woher sie kommen, dann
       erzählen sie, was sie am Morgen von ihrer Großmutter in der Ukraine gehört
       haben.
       
       Oder ein 57-Jähriger aus Seevetal erzählt von seiner 92-jährigen Mutter,
       die nicht geglaubt hatte, noch einmal einen Krieg in Europa zu erleben. Es
       klingt, als fühle sich der Sohn ein Stück weit schuldig, dass es doch so
       gekommen ist.
       
       ## Frauen reden, Männer trommeln
       
       Es sind vor allem junge Frauen, die etwas sagen. Oft sind sie es, die
       beginnen, „Slawa Ukrajini“ zu skandieren, „Hoch lebe die Ukraine“. Es ist
       der Gruß der ukrainischen Streitkräfte – aber er hat nichts Martialisches.
       Das könnten eher die Trommeln bei der Versammlung vor dem russischen
       Generalkonsulat haben, die meist von Männern geschlagen werden.
       
       Aber auch da setzt sich ein anderer Ton durch: Sorge um die Menschen in der
       Ukraine. Der Wunsch, Putin zu stoppen. Die Überzeugung, dass der Präsident
       nicht für das gesamte russische Volk spricht. Dank dafür, dass so viele
       Menschen gekommen sind, um ihre [2][Solidarität] zu zeigen.
       
       Wenn dann einmal jemand als Vertreter einer Institution spricht, wirkt es
       sonderbar fremd. Zum Beispiel der Parteienvertreter, der den „Damen und
       Herren“ seine Solidarität versichert. Oder der Mann, der als Ehemann einer
       Ukrainerin und als Gewerkschaftler spricht. Natürlich, denkt man, sie
       wollen zeigen, dass die Institution, die sie vertreten, dem Ganzen nicht
       gleichgültig gegenübersteht. Und setzt man selbst nicht gerade seine
       Hoffnung auf Institutionen – auf den Bundestag, auf die EU, auf andere?
       
       Und doch gibt es ein Moment in diesen kleinen, spontan zusammengerufenen
       Zusammenkünften, das einen erreicht, weil es so unvertraut ist:
       [3][Schweigen], weil es eine kurze Zeit lang nichts zu sagen gibt. Eine
       gemeinsam ertragene Hilflosigkeit. Ein Zorn, der von Anfang an weiß, dass
       er sich nicht zum Flächenbrand steigern darf. Wäre der Grund für diese
       Demos nicht so trostlos – man könnte in all dem eine Verheißung sehen.
       
       2 Mar 2022
       
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