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       # taz.de -- Preisverleihung bei der Berlinale: Goldener Bär für „Alcarràs“
       
       > Der katalanische Film wird mit dem Hauptpreis des Berliner Filmfestes
       > ausgezeichnet. Die Produktion von Andreas Dresen bekommt eine doppelte
       > Ehrung.
       
   IMG Bild: Ausgezeichnet: Die Regisseurin Carla Simón (rechts) mit ihrer Produzentin und dem goldenen Bär
       
       Berlin dpa/taz | Der Film erzählt vom Alltagsleben einer Familie, die
       Pfirsiche auf einer Plantage anbaut und in Existenznöte gerät. Denn auf dem
       Gelände sollen plötzlich Solarpaneele gebaut werden. Das Drama „Alcarràs“
       der spanischen Regisseurin Carla Simón hat den Goldenen Bären der Berlinale
       gewonnen. Der auf katalanisch gedrehte Film spielt in der gleichnamigen,
       rund 140 Kilometer westlich von Barcelona gelegenen Stadt.
       
       Die Jury zeichnete in Berlin auch Meltem Kaptan aus. Die Darstellerin, die
       in Köln lebt, bekam den wichtigsten Schauspielpreis des Festivals.
       
       Die Comedienne spielt die Hauptrolle in [1][“Rabiye Kurnaz gegen George W.
       Bush“]. Der Film erzählt, wie die Mutter von Murat Kurnaz [2][zusammen mit
       ihrem Anwalt Bernhard Docke] versucht, ihren Sohn [3][aus dem
       US-Gefangenenlager Guantánamo] zu befreien. Auch die Drehbuchautorin des
       Films, Laila Stieler, gewann einen Silbernen Bären. Damit bekam die
       Produktion von Regisseur Andreas Dresen („Gundermann“) gleich zwei Preise.
       
       Kaptan bedankte sich bei ihrer Familie. „Mama und Papa, ihr seid hier vor
       so vielen Jahren hergekommen“, sagte die 41-Jährige am Mittwochabend. „Und
       habt nicht verlangt von euren Töchtern, dass sie Medizin oder Jura
       studieren. Sondern habt gesagt: „Folgt eurem Weg.““ Das hätten sie mit
       bedingungsloser Liebe gemacht. „Und dafür einfach nur Danke.“
       
       Ihren Preis widmete sie Rabiye Kurnaz und allen Müttern, deren Liebe
       stärker sei als alle Grenzen. In ihrer Filmrolle zeigt sie
       Schlagfertigkeit, Humor und vor allem Selbstironie. Kaptan hatte bisher
       etwa Fernsehauftritte mit „Ladies Night“ und ist nun erstmals in einem
       deutschen Kinofilm zu sehen. Der Film soll Ende April anlaufen. Die zweite
       deutsche Regiearbeit im Wettbewerb ging leer aus: „AEIOU – Das schnelle
       Alphabet der Liebe“ von Nicolette Krebitz.
       
       Lange war diskutiert worden, wie die Berlinale diesmal stattfinden kann.
       „Es war die richtige Entscheidung, die Berlinale trotz Pandemie live
       stattfinden zu lassen“, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne).
       Aus Liebe zum Film sei das Wagnis angegangen worden. „Gewonnen haben der
       Film und das Kino insgesamt.“ Damit habe die Berlinale unter schwierigen
       Umständen erneut Haltung gezeigt „als das politischste“ unter den großen
       internationalen Filmfestivals.
       
       ## Wegen Corona geänderter Ablauf
       
       Wegen der Pandemie wurde der Ablauf geändert. Die Preise wurden diesmal
       früher verliehen als üblich – bis Sonntag sind nun noch mehrere
       Publikumstage geplant. Beim Kinobesuch gelten besondere Regeln. Auch bei
       der Preisverleihung saßen die Gäste mit Abstand zueinander im Saal. „Leider
       keine Küsschen hier heute“, sagte Moderatorin Hadnet Tesfa, als Regisseurin
       Ruth Beckermann („Mutzenbacher“) einen Preis der Reihe Encounters bekam.
       „Keine Küsschen hier heute?“, fragte Beckermann zurück. „Naja.“
       
       Jurypräsident für die Hauptauszeichnungen war US-Regisseur M. Night
       Shyamalan („The Sixth Sense“). Die Jury bewertete insgesamt 18 Beiträge im
       Wettbewerb. Die Französin Claire Denis wurde für die beste Regie
       ausgezeichnet: In „Avec amour et acharnement“ spielt Juliette Binoche eine
       Frau, deren Leben durcheinandergerät, als ein Ex-Partner wieder auftaucht.
       Der Große Preis der Jury ging an „The Novelist's Film“ des Südkoreaners
       Hong Sangsoo – darin begegnet eine Autorin verschiedenen Menschen.
       
       Das Drama „Robe of Gems“ von Regisseurin Natalia López Gallardo gewann den
       Preis der Jury. Der Film zeigt drei Frauen in Mexiko, die mit dem
       Drogengeschäft in Konflikt geraten. Die Collage „Everything Will Be Ok“ des
       Kambodschaners Rithy Panh wurde für eine besondere künstlerische Leistung
       geehrt. Der Film schneidet aus Trick- und Dokumentarfilmbildern eine
       zivilisationskritische Collage zusammen.
       
       Die Schauspielpreise werden seit vergangenem Jahr nicht mehr getrennt nach
       Geschlecht vergeben, sondern für die beste Leistung in Haupt- und
       Nebenrolle. Der Silberne Bär für die beste Schauspielleistung in einer
       Nebenrolle ging diesmal an Laura Basuki für die indonesische Geschichte
       „Nana“. Vergeben wurde auch eine mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung für
       den besten Erstlingsfilm – der Preis ging an „Sonne“ von Kurdwin Ayub („Ich
       hoffe, die Steuern nehmen mir nicht das Geld weg“).
       
       ## Persönliche Geschichten
       
       Viele Filme schafften es in diesem Jahr, mit persönlichen Geschichten
       politische Hintergründe zu erzählen. So ist es auch beim Drama „Alcarràs“,
       das den Goldenen Bären gewonnen hat. Der Film erzählt von einer Familie,
       die eine Pfirsichplantage in Katalonien bewirtschaftet. Das sieht zunächst
       nach Idylle aus: Die Erwachsenen arbeiten in der Landwirtschaft, die Kinder
       spielen.
       
       Dann jedoch droht der Verlust des Landes, denn das Recht zur
       Bewirtschaftung wurde vor Generationen lediglich durch einen Handschlag
       besiegelt. Nun sollen dort Solarpaneele aufgestellt werden. Hinzu kommt,
       dass die Bauern von den Erträgen ihrer Arbeit ohnehin kaum mehr leben
       können. Der lautstark geführte Arbeitskampf wirkt sich auch auf die Familie
       aus.
       
       Regisseurin Simón zeigt unaufgeregt den Familienalltag zwischen Arbeit und
       Freizeit. Feinsinnig verweist sie dabei auf den Wert eines respektvollen,
       achtsamen Umgangs miteinander. Zugleich spiegelt sie, wie scheinbar
       Privates von sozialen Umständen geprägt wird. So wird das Drama zu einem
       facettenreichen Gesellschaftsporträt, das die Macht der Profitgier
       anprangert. Ihre Familie züchte selbst Pfirsiche, sagte Simón. Deswegen sei
       ihr die Welt so nah. Die Auszeichnung wolle sie den kleinen Familien von
       Bauern widmen, „die jeden Tag den Boden bestellen, damit wir Essen auf dem
       Tisch haben“.
       
       17 Feb 2022
       
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