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       # taz.de -- Konflikt in russisch-orthodoxer Kirche: Der Zorn des Kyrill
       
       > In Amsterdam lehnt sich eine orthodoxe Gemeinde gegen das Moskauer
       > Patriarchat auf. Sie will Russlands Angriff auf die Ukraine nicht
       > unterstützen.
       
   IMG Bild: An der Seite Putins: Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill
       
       Amsterdam taz | Der Krieg in der Ukraine hat die russisch-orthodoxe Kirche
       in den Niederlanden erreicht. Schauplatz des Konflikts ist die Gemeinde in
       der Hauptstadt Amsterdam. Deren Heiliger-Nikolaus-von-Myra-Kirche,
       unauffällig an einer stillen Gracht am Rand des Zentrums gelegen, ist nun
       landesweit in den Medien.
       
       Der Grund: Die Priester und Diakone der Gemeinde haben ihren Austritt aus
       dem [1][Moskauer Patriarchat] erklärt, zu dem sie bislang zählte. In einem
       Bericht des Gemeinderats heißt es, sie könnten in dieser Konstellation
       „nicht länger funktionieren und unseren Gläubigen ein spirituell sicheres
       Klima bieten“.
       
       Begonnen hat der Konflikt Anfang März, als sich die Amsterdamer Geistlichen
       an den Moskauer Patriarchen Kyrill wandten mit der Bitte, er möge sich
       gegen die russische Invasion in die Ukraine aussprechen. Kurz danach bekam
       die Gemeinde einen unangekündigten Besuch von Erzbischof Elisey aus Den
       Haag, der mit seinem Diplomatenauto vorfuhr und die Priester in der
       Hauptstadt aufforderte, sich zu entschuldigen. Elisey teilte außerdem mit,
       sowohl das Patriarchat als auch das russische Außenministerium widmeten der
       Gemeinde nun besondere Aufmerksamkeit.
       
       Die protestantische Tageszeitung Nederlands Dagblad zitiert ein anonymes
       Gemeindemitglied, das den Besuch des Erzbischofs einen „geistlichen Panzer,
       der zu unserer Gemeinde geschickt wurde“ nannte. Nach Berichten des
       Reformatorisch Dagblad sagte Elisey später gegenüber dem Rektor der
       Nikolaus-Kirche, er hoffe, dieser kein Ultimatum stellen zu müssen.
       
       Die Geistlichen fühlten sich dadurch unter Druck gesetzt und ersuchten das
       Ökumenische Patriarchat Konstantinopel um Aufnahme. Dessen Vertreter in den
       Benelux-Ländern nahm den Antrag in Behandlung.
       
       ## Kyrill an der Seite Putins
       
       Bis zu einer Gemeinderatsversammlung am 26. März finden in der Kirche keine
       Gottesdienste statt. Laut Erklärung der Gemeinde sind Sicherheitsgründe für
       diesen Beschluss verantwortlich, aber auch „pastorale Erwägungen“, wonach
       es in dieser „extrem angespannten Situation“ so gut wie unmöglich sei, die
       erwünschte Atmosphäre für Gebete zu gewährleisten. „Diese Entscheidung ist
       außergewöhnlich schmerzhaft für alle Beteiligten.“
       
       Die Amsterdamer Gemeinde, 1974 von einer kleinen Gruppe orthodoxer
       Christ*innen aus Russland, Serbien und den Niederlanden gegründet, hat
       sich in den letzten Wochen vom Kurs des Moskauer Patriarchats distanziert.
       Nachdem Kyrill sich in einer Predigt an die Seite Putins stellte und den
       Ukraine-Krieg als geistlichen Kampf um traditionelle Werte interpretierte,
       strich sie das obligatorische Andenken an ihr Oberhaupt aus der Liturgie.
       
       Auf der Website beschreibt sich die Gemeinde als „lebendige,
       multikulturelle, christliche Kirchengemeinschaft“ mit Mitgliedern aus über
       20 Ländern. Ihre Wurzeln lägen in der russischen Spiritualität, zugleich
       sei man offen für die niederländische Sprache und Kultur. Nach dem
       russischen Angriff auf die Ukraine initiierte die Gemeinde eine
       Spendenaktion für ukrainische Flüchtlinge.
       
       In die Schlagzeilen gekommen war die Heiliger-Nikolaus-von-Myra-Kirche
       bereits letzte Woche: Eines Morgens fanden sich mehrere in weißer Farbe
       angebrachte Z-Symbole auf den Toren, die in russisch-nationalistischen
       Kreisen für die Unterstützung des Kriegs stehen. Ein Gottesdienst am Abend
       wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. In einer Stellungnahme der Gemeinde
       hieß es: „Unsere Gläubigen haben die Kriege in Jugoslawien, Eritrea,
       Südossetien, dem Donbass und anderen Regionen erlebt, und immer haben wir
       innerhalb der Kirche den Frieden bewahrt.“
       
       17 Mar 2022
       
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   DIR Tobias Müller
       
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