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       # taz.de -- Entwicklung des RAW-Geländes: Schwieriger Deal mit dem Investor
       
       > Das Berliner Kulturareal wird mit Büros bebaut; dafür darf ein Teil der
       > Alternativszene bleiben. Aber vertragen sich beide? Ein Wochenkommentar.
       
   IMG Bild: Roh und rau: So wird es auf dem RAW-Areal in Friedrichshain wohl nicht bleiben
       
       Was genau auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain alles gebaut werden
       soll, wird man erst in den nächsten Monaten erfahren. Derzeit läuft das
       Verfahren unter Beteiligung einer Jury, welche die vier zur Auswahl
       stehenden Visionen konkurrierender Architekturbüros bewerten und in einen
       Bebauungsplan für einen [1][Großteil des Areals] einbringen soll. Inwieweit
       dessen aktueller Charakter als vielfältige Spielwiese für Kunst und Kultur
       plus Ausgehspaß erhalten bleiben wird, ist damit jedoch längst nicht klar.
       
       Dass sich etwas ändern musste auf dem Gelände, darüber gibt es kaum
       Zweifel. In den letzten Vor-Corona-Jahren genoss die Flaniermeile einen
       zweifelhaften Ruf. Anwohner beschwerten sich über den Partytourismus,
       Dealer standen an jeder Ecke, die Kriminalitätsrate war vergleichweise
       hoch. Und doch gehörte der kaputte Charme des ehemaligen Industriegeländes
       mit zu einem Friedrichshain, das noch nicht so auf Hochglanz gebürstet ist
       wie etwa Prenzlauer Berg.
       
       Doch das Rohe, das hier zu finden ist, wird nun gehörig glattgebügelt, da
       kann man sich sicher sein. Dort, wo gerade noch die Eventlocation
       Haubentaucher steht, wird es eine schicke Markthalle geben; Clubs wie das
       Urban Spree werden Bürokomplexen weichen müssen.
       
       Dass hier überhaupt noch weitere Büros entstehen müssen, wo doch bereits
       rund um den nahe gelegenen Mercedes Benz Platz alles mit solchen
       zugepflastert wurde, liegt an einem ganz besonderen Deal, den der Investor,
       dem der größte Teil des RAW-Geländes gehört, “europaweit, wenn nicht
       weltweit einmalig“ nennt. Er will Kompensationen dafür, dass er
       Alteingesessene, die dort Kneipen betreiben, Ateliers haben oder gar einen
       Kinderzirkus, nicht aus ihren Häusern wirft und an jemanden vermietet, der
       mehr Geld in der Tasche hat.
       
       Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich auf diese Forderung
       eingelassen. Die soziokulturellen Einrichtungen werden zu wirklich besten
       Bedingungen, ausgestattet mit 30-jährigen Mietverträgen, weiterhin auf dem
       Gelände bleiben dürfen. Dafür wird um sie herum alles zugepflastert mit
       mehrstöckigen Gebäuden und mindestens einem Hochhaus.
       
       ## Der Bezirk ist fein raus
       
       Der Bezirk ist damit vermeintlich fein raus: Er rettet die sozialen
       Vereine, die sich hier angesiedelt haben, und das Kunsthandwerk. Er hält
       sich auf diese Weise Proteste, die es bei drohender Verdrängungen
       unweigerlich geben würde, vom Leib und kann gleichzeitig verkünden: Schaut
       alle her, wir tun was für Kunst, Kultur und Soziales!
       
       Doch auch die durch diesen Interessensausgleich Geretteten wissen: Ob alles
       so gut für sie laufen wird wie versprochen, ist längst nicht ausgemacht.
       Die Veränderungen um sie herum werden gewaltig sein. Sie könnten Teil eines
       Alternativkultur-Zoos werden, verschluckt von der Kommerzialisierung um sie
       herum. Selbst in den Animationen der Architekturbüros, die sich für die
       Bebauung des Geländes bewerben, krachen die geplanten Hochglanzbauten eher
       unvereinbar mit dem Bestand aufeinander.
       
       Der Investor redet viel davon, den Charakter, die “DNA“ des Areals erhalten
       zu wollen. Eine lebendige Flanier- und Konsummeile für die ganze
       Stadtbevölkerung solle entstehen. Doch am Ende wird ihm niemand
       vorschreiben können, nicht doch vor allem an Start-Ups zu vermieten, die es
       bekanntlich mögen, wenn es um sie herum etwas lebendig zugeht, womit der
       der Investor sogar gezielt werben kann.
       
       Und eine weitere Frage stellt sich: Was passiert eigentlich, wenn in 30
       Jahren die Mietverträge und damit auch die Vereinbarungen zwischen Investor
       und Bezirk auslaufen? Dann könnte die Soziokultur auf dem RAW-Gelände
       vollständig verschwinden.
       
       26 Feb 2022
       
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   DIR Andreas Hartmann
       
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