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       # taz.de -- Friedensaktivist über Ukraine-Invasion: „Das haben wir falsch eingeschätzt“
       
       > Seit mehr als 50 Jahren ist Willi van Ooyen in der Friedensbewegung
       > aktiv. Putins Überfall auf die Ukraine hat er sich nicht vorstellen
       > können.
       
   IMG Bild: Friedensaktivist van Ooyen: „Schrecklich, was gerade den Menschen in der Ukraine widerfährt“
       
       taz: Herr van Ooyen, Sie haben noch Mitte Februar einen Aufruf unter der
       Überschrift „Friedenspolitik statt Kriegshysterie“ gestartet, in dem es
       wörtlich heißt: „Trotz der Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine hat
       Russland kein Interesse an einem Krieg.“ Das war eine kapitale
       Fehleinschätzung, oder? 
       
       Willi van Ooyen: Bis zum 23. Februar habe ich nicht geglaubt, dass das
       passieren würde. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass Russland einen
       solchen Angriff vorbereitet und tatsächlich in der Ukraine einmarschiert.
       Das habe ich einfach nicht gesehen. Erst seine fürchterliche Rede einen Tag
       vor dem Einmarsch hat mich eines Besseren belehrt. Sie war historisch
       völlig daneben und sollte einen Krieg rechtfertigen. Mit unserem Aufruf
       wollten wir gegen die erkennbare Militarisierung Europas mobilisieren.
       
       Würden auch Sie das militärische Vorgehen Putins als Angriffskrieg
       bezeichnen? 
       
       Ja, das muss man so bezeichnen. Das ist ein schwerwiegender
       Völkerrechtsbruch, keine Frage. Allerdings nicht das erste Mal in der
       jüngeren Geschichte Europas
       
       Sehen Sie irgendeine Rechtfertigung für den Überfall Russlands auf die
       Ukraine? 
       
       In keiner Weise. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Es ist schrecklich,
       was gerade den Menschen in der Ukraine widerfährt. Selbstverständlich
       müssen die Bombardierungen sofort gestoppt und die russischen Truppen
       wieder abgezogen werden. Sanktionen helfen nicht weiter. Notwendig sind ein
       umfassender Waffenstillstand und ein Zurück an den Verhandlungstisch.
       
       Hätten Sie nicht früher erkennen müssen, dass alte Freund- und Feindbilder
       nicht mehr funktionieren? 
       
       Die Weltlage war immer schon kompliziert. Aber was gleichgeblieben ist:
       Konflikte lassen sich nicht militärisch, sondern nur politisch lösen. Willy
       Brandts Diktum, dass Krieg nicht die Ultima ratio, sondern die Ultima
       irratio ist, beweist sich doch gerade im Moment wieder.
       
       Als Sie [1][Ihren Aufruf] formuliert haben, zu dessen
       Erstunterzeichner:innen Daniela Dahn, Eugen Drewermann, Gregor Gysi,
       Sahra Wagenknecht und noch etliche andere gehören, hatte Putin seine
       Angriffspläne schon in der Schublade. Wie ist es möglich, dass Sie ihn so
       falsch eingeschätzt haben? 
       
       Wir waren nicht darauf vorbereitet, dass Putin das russische Militär
       tatsächlich so offensiv einsetzt. Das haben wir falsch eingeschätzt. Unsere
       Kritik an der Osterweiterung der Nato bleibt richtig, aber damit lässt sich
       keinesfalls diese militärische Aggression rechtfertigen. Von daher muss es
       sicherlich auch von unserer Seite ein Nachdenken geben.
       
       Ist das nicht schmerzhaft? 
       
       Sich in einer Frage von Krieg und Frieden so geirrt zu haben, ist natürlich
       schmerzhaft. Allerdings hat sich an meiner grundsätzlichen Position dadurch
       nichts geändert, im Gegenteil. Wir müssen weiter gegen jegliche Form von
       Militarisierung ankämpfen. Das bedeutet auch, nationalistische Kategorien
       in der Politik zurückzudrängen. Denn die führen ins Unglück, auch dafür ist
       das Agieren des russischen Präsidenten ein Beispiel. Wir brauchen insgesamt
       eine andere politische Kultur, die von Frieden, Demilitarisierung und
       Kooperation geprägt ist.
       
       Das klingt angesichts der aktuellen Situation äußerst idealistisch. 
       
       Das mag sein, aber gerade jetzt bleibt es Aufgabe der Friedensbewegung,
       dafür zu streiten, dass die militärische Logik zugunsten einer neuen
       Abrüstungs- und Entspannungspolitik zurückgedrängt wird. Was bleibt uns
       sonst?
       
       Am Sonntag findet in Berlin [2][eine große Kundgebung gegen den Krieg in
       der Ukraine] statt, zu der unter anderem Campact, Greenpeace und der DGB
       aufrufen. Unterstützen Sie die Kundgebung? 
       
       Selbstverständlich unterstütze ich die Kundgebung. Es ist wichtig, jetzt
       für den Frieden auf die Straße zu gehen. An möglichst vielen Orten sollte
       es Aktionen der Friedensbewegung geben. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt.
       Aber was wir tun können: Wir müssen die Menschen aufklären, dass Krieg und
       Militär keine der wichtigen Probleme wie Hunger, Flucht, Klimakatastrophe
       und soziale Ungleichheit lösen wird. Wir können ein Zeichen setzen, dass
       dieser Krieg so schnell wie möglich aufhören muss.
       
       26 Feb 2022
       
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