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       # taz.de -- Ukraine-Krieg: Heilsamer Realitätsschock
       
       > Die Ampel-Regierung hat bei Waffenlieferungen und Sanktionen eine
       > dramatische Kehrtwende hingelegt. Doch das macht die Fehler nicht
       > ungeschehen.
       
   IMG Bild: Olaf Scholz im Kanzleramt vor Beratungen über weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine
       
       Sie ist nicht einmal 100 Tage im Amt und hat bereits einen brutalen
       Realitätsschock erlitten. Am Samstagabend hat die Ampel-Regierung von
       Bundeskanzler Olaf Scholz daraus in einer bemerkenswerten Kehrtwende die
       Konsequenzen gezogen und [1][Waffenlieferungen an die Ukraine] sowie harten
       SWIFT-Sanktionen zugestimmt. Die Zeit der Phrasen, Appelle und
       Peinlichkeiten in Gestalt von 5000 Helmen ist vorbei – endlich.
       
       Für Deutschland beginnt damit ein außen- und sicherheitspolitisch neues
       Zeitalter. [2][Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine] hat die edle
       Haltung, dass Krisen nur diplomatisch gelöst werden können und Reden immer
       besser ist als Schießen, ad absurdum geführt. Wladimir Putin hat die
       Bundesregierung und den Westen insgesamt mit ihrer gutgemeinten
       Krisendiplomatie vorgeführt.
       
       Nicht nur die Koalitionäre, auch die anderen Parteien und weite Teile der
       Öffentlichkeit haben nun erlebt, was Zurückhaltung bedeutet: Mitansehen zu
       müssen, wie Neugeborene in die Luftschutzkeller getragen werden, Ukrainer
       sich russischen Panzern mit nichts als ihren Körpern entgegenstellen und
       der Präsident den EU-Regierungschefs per Zoom sagt, es sei vielleicht das
       letzte Mal, dass sie ihn lebend sehen. Das ist die schockierende Realität.
       
       Nichtstun hat Folgen. Und niemand sollte sich einbilden, dass nun, da
       Deutschland sich besonnen hat, alles wieder gut wäre. Die ukrainischen
       Städte sind weiterhin unter Beschuss, Kiew wird höchstwahrscheinlich über
       kurz oder lang fallen. Putin ist weit davon entfernt, seine Pläne
       aufzugeben. Und ja, auch für Europa, für Deutschland wird diese
       militärische Eskalation weitreichende Folgen haben – vor allem in Form von
       Energiepreisen oder erheblichen Engpässen.
       
       Die jetzige Kehrtwende kann die [3][Fehler der Vergangenheit] nicht
       ungeschehen machen. Die Bundesregierung hat in ihrer ersten großen Krise
       keine gute Figur gemacht und sich erst auf nationalen und internationalen
       Druck hin und unter dem Eindruck der Bilder aus Kiew besonnen. Dass vor
       allem die SPD ein Bremsklotz war, dürfte außer Frage stehen.
       
       Vizekanzler [4][Robert Habeck hat schon vor einem Jahr] erkannt, dass die
       Ukraine „nicht nur für sich selbst kämpft, sondern auch die Sicherheit
       Europas verteidigt“. Für seine Forderung nach Defensivwaffen wurde er
       niedergemacht und verspottet – von den Grünen ebenso wie von anderen
       Parteien. Jetzt will er durchsetzen, dass Energiepolitik Teil der
       Sicherheitspolitik wird. Seine Kolleg*innen im Kabinett sollten auf ihn
       hören. Habeck ist in dieser Krise klarsichtiger gewesen als der Kanzler.
       Auch das wird man so schnell nicht vergessen.
       
       27 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5837528
   DIR [3] /Deutsche-Waffenlieferung-an-die-Ukraine/!5826082
   DIR [4] /Konflikt-mit-Russland/!5774255
       
       ## AUTOREN
       
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