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       # taz.de -- Nach Trennung von Sponsor Lukoil: Heimatlos in die Dritte Liga
       
       > Der Hamburger Fußballverein Teutonia Ottensen will in die Dritte Liga,
       > auch ohne seinen Sponsor Lukoil. Wo er dann spielen soll, ist unklar.
       
   IMG Bild: Vergangenheit: Heimspiele an der Holstentwiete und die Lukoil-Fahne im Stadion
       
       Hamburg taz | Es ist ein bisschen wie Schalke 04 in Klein: Schon als
       Teutonia Ottensen begann, den Hamburger Amateurfußball aufzumischen, stieß
       vielen der Trikotsponsor auf. Der Schriftzug der [1][russischen Erdölfirma
       Lukoil] prangte auf der Brust des Teams, das derzeit in der Aufstiegsrunde
       zur Dritten Liga spielt. Wollten sich hier russische Öl-Oligarchen in den
       deutschen Fußball einkaufen?
       
       Trikotsponsor ist Lukoil zwar schon seit einem Jahr nicht mehr. Im Stadion
       war der private Ölriese mit einem Jahresumsatz von rund 100 US-Milliarden
       Dollar aber weiterhin optisch präsent. Als der russische Überfall auf die
       Ukraine begann, wand sich der Club, teilte mit, die deutsche Filiale habe
       mit dem Mutterkonzern nicht recht etwas zu tun.
       
       Vor einer Woche war dann doch Schluss: „Der Vorstand des FC Teutonia
       Ottensen von 1905 e. V. und die FHO Sport und Marketing GmbH haben
       beschlossen, die Partnerschaft zwischen T05 und Lukoil Marine Lubricants
       GmbH vorzeitig zu beenden“, teilte der Club auf Facebook mit. Teutonia
       distanziere sich klar von Hass, Gewalt und Krieg. „Wir stehen für Frieden
       und eine freiheitliche demokratische Grundordnung. Aufgrund der aktuellen
       Lage und den Entwicklungen halten wir die Fortführung der Partnerschaft mit
       Lukoil Marine Lubricants GmbH nicht für vertretbar.“
       
       Da half es auch nichts mehr, dass der Lukoil-Mutterkonzern zwei paar Tage
       später als eines der ersten russischen Unternehmen selbst vorsichtig auf
       Distanz zu Russlands Krieg in der Ukraine ging: „Wir setzen uns für die
       sofortige Beendigung des bewaffneten Konflikts ein und unterstützen voll
       und ganz dessen Lösung durch den Verhandlungsprozess und mit diplomatischen
       Mitteln“, hatte der Lukoil-Vorstand mitgeteilt.
       
       ## Ungünstiger Zeitpunkt
       
       Für Teutonia Ottensen kommt die Debatte um den schwierigen Partner zur
       Unzeit, denn der Club ist derzeit besonders auf das Wohlwollen
       verschiedenster Akteure in der Stadt angewiesen. Denn am selben Tag, an dem
       er die Trennung von Lukoil auf Facebook veröffentlicht hatte, machte der
       Club auf seiner Website offiziell, was schon seit Monaten im Schwange war:
       Teutonia hat sich für die Dritte Liga gemeldet, also die rechtliche
       Voraussetzung dafür geschaffen, im Falle eines sportlichen Aufstiegs
       tatsächlich ins Profilager zu wechseln.
       
       Derzeit spielt der Klub zusammen mit seinem Ortsnachbarn Altona 93 in der
       viertklassigen Regionalliga Nord. Während Altona gegen den Abstieg kämpft,
       ist Ottensen gerade in die Aufstiegsrunde gestartet. Doch um in der Dritten
       Liga anzutreten, braucht der Klub eine geeignete Spielstätte. Schon in der
       Regionalliga darf der Verein nicht mehr auf seinem eigenen Sportplatz im
       Stadtteil antreten, da er den Anforderungen des Verbands nicht entspricht.
       
       Deshalb spielt Teutonia im Hoheluft-Stadion, der Heimat von Oberligist
       Victoria Hamburg. Doch im Falle eines Aufstiegs genügt auch dieses Stadion
       nicht: Drittligisten müssen ab der kommenden Saison mindestens 5.001
       Zuschauerplätze vorweisen, davon 2.000 Sitzplätze. Doch außer dem
       Millerntorstadion auf St. Pauli und dem Volksparkstadion hat Hamburg kein
       Stadion dieser Größenordnung. Eine Anfrage, ob Teutonia am Millerntor
       spielen könnte, hat der FC St. Pauli bereits abgelehnt. Mit dem Hamburger
       SV sollen noch Gespräche über eine Anmietung des Volksparkstadions laufen.
       Sonst, teilte Teutonia mit, müsse man vorerst nach Lübeck ausweichen.
       
       „Als Hamburger Verein wünschen wir uns sehr, unsere Heimspiele unbedingt in
       Hamburg auszutragen“, sagte jüngst Teutonias sportlicher Leiter Liborio
       Mazzagatti. Am liebsten will der Club selbst ein Stadion samt
       Trainingsinfrastruktur bauen, für 40 Millionen Euro. „Wir haben Investoren,
       die bereit sind, die Investitionen zu tätigen, um das Stadion zu bauen. Wir
       benötigen von der Stadt Hamburg nur eine geeignete Fläche dafür.“ Wer die
       Investoren sind, sagte Mazzagattti nicht, betonte aber: „Lukoil ist in
       keiner Weise in die Stadionpläne involviert.“
       
       Zugleich aber hatte der Verein vorgeschlagen, sich an einem bereits
       geplanten Stadionbauprojekt zu beteiligen: Im nahegelegenen Stadtteil
       Bahrenfeld soll ab 2024 die [2][neue Heimstätte von Altona 93] entstehen.
       Das Stadion ist Teil eines der aktuell größten städtischen
       Infrastrukturprojekte: Der Fernbahnhof Altona soll an den zwei Kilometer
       entfernten Diebsteich verlegt werden und die direkte, von Industriegebäuden
       geprägte Nachbarschaft durch einen Park, das Stadion und eine Musikhalle
       entwickelt werden.
       
       ## Altona 93 sagt nein
       
       Seine bisherige Spielstätte, die 1908 eröffnete Adolf-Jäger-Kampfbahn,
       hatte Altona 93 bereits 2007 verkauft, da dort Wohnungen entstehen sollen.
       Am Diebsteich will der Verein ein Stadion mit maximal 5.000 Plätzen bauen.
       Doch darüber nimmt die Debatte nun an Fahrt auf, weil sich auch der
       Hamburger Fußball-Verband (HFV) auf die Seite von Teutonia schlägt. Der HVF
       sprach sich für ein größeres Stadion aus – dann hätte nicht nur ein dritter
       Profiverein eine Spielstätte, sondern dort wären auch Frauen- und
       Nachwuchsländerspiele möglich. Zudem seien auch die Footballer der Hamburg
       Sea Devils interessiert. Altona 93 hat jedoch kein Interesse daran.
       
       Die für Sport zuständige Hamburger Innenbehörde gibt sich bislang
       zurückhaltend. Baulich sei eine größere Sportstätte kaum machbar, hieß es
       zunächst. Mit der Idee riskiere der HFV zudem das gesamte Projekt. „Und der
       Fußballverband bringt den Fußballverein Altona 93 in eine möglicherweise
       existenzbedrohliche Lage“, sagte Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD).
       
       Doch der HFV gibt keine Ruhe. „In der Politik fehlen die visionären
       Punkte“, beklagte sich HVF-Präsident Christian Okun in der Hamburger
       Morgenpost. „Wir brauchen einen Sportgipfel, der den Sportstätten-Bedarf
       übergreifend klärt“, fordert Okun nun.
       
       Derzeit nimmt Teutonia erst mal selbst den Druck raus: Der Auftakt zur
       Aufstiegsrunde bei der zweiten Mannschaft von Holstein Kiel ging am
       Sonnabend mit 0:3 daneben.
       
       6 Mar 2022
       
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