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       # taz.de -- Indiens Reaktionen auf Putins Krieg: Delhi in der Zwickmühle
       
       > Indien will seinen Waffenlieferanten Russland nicht verprellen und
       > enthält sich im UN-Sicherheitsrat. Sorge um Inder:innen in der Ukraine
       > ist groß.
       
   IMG Bild: Delhi, 6. Dezember 2021: Premier Modi begrüßt mit Russlands Putin Indiens größten Waffenlieferanten
       
       Mumbai taz | Die Sorgen vor den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine
       reichen bis in die Slums indischer Megastädte. Der Krieg erzeugt Abscheu,
       doch ist die Angst vor steigenden Preisen für Benzin, Gas und alles was
       damit transportiert wird, einschließlich der Grundnahrungsmittel, größer,
       sagt die Gewerkschafterin Nirmala Sungan aus der westindischen
       Wirtschaftsmetropole Mumbai.
       
       Zudem stecken mehr als 10.000 Inder:innen in der Ukraine fest. Die
       meisten von ihnen sind Studierende. Sie berichten im TV, dass sie keine
       Hilfe von Behörden bekommen würden. Einige Hundert versuchen sich über die
       Grenze zu Polen und Rumänien in Sicherheit zu bringen. Berichten zufolge
       gab es in der Kälte Fälle von Schikanen, in einigen Fällen sollen die
       Flüchtenden auch geschlagen worden sein. Auch von Bestechungen wird
       berichtet.
       
       Videos von rassistischen Vorfällen kursieren in sozialen Medien und füllen
       Zeitungsspalten. Dazu gibt es Berichte von jungen Inder:innen, die in
       U-Bahnschächten und Kellern mit wenig Vorräten versuchen Hilfe zu bekommen.
       Indiens Regierung forderte ihre Landsleute auf, Kiew per Zug zu verlassen.
       
       Medizinstudierende zögerten vor Kriegsausbruch, das Land zu verlassen, da
       sie ihr Studium nicht gefährden wollten. Nun sind sie in Indien zu einem
       Thema geworden, während dort zugleich in einigen Staaten [1][Lokalwahlen]
       stattfinden.
       
       ## Vier Minister sollen indische Studierende zurückholen
       
       Die hindunationalistische Regierung von Premierinister Narendra Modi hat
       jetzt vier Minister zur „Operation Ganga“ in Ukraines Nachbarländer
       Rumänien/Moldawien, Polen, Ungarn und Slowakei entsandt, um
       Staatsangehörige zurückzuholen. Auch sollen auf Ersuchen der Ukraine
       medizinische Hilfsgüter und humanitäre Hilfe folgen.
       
       Damit rückt die Haltung der Regierung zu dem Konflikt in den Mittelpunkt.
       Modi hatte zwar zu einer „sofortigen Beendigung der Gewalt und einer
       Rückkehr zum Dialog“ aufgerufen. Im UN-Sicherheitsrat hatte sich Delhi aber
       am Samstag zum zweiten Mal innerhalb einer Woche bei der Abstimmung über
       eine Resolution im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine
       enthalten.
       
       Der Botschafter der Ukraine in Delhi äußerte sich „tief enttäuscht“.
       Russlands Botschaft twitterte dagegen, dass sie „Indiens unabhängige und
       ausgewogene Position bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat am 25. Februar
       sehr zu schätzen weiß“.
       
       Der frühere Diplomat Shashi Tharoor von der oppositionellen Kongresspartei
       kritisierte Indiens offizielle Position: „Nach unserer Stimmenthaltung
       bedauerten viele, dass Indien sich auf die ‚falsche Seite der Geschichte‘
       gestellt habe“. Freunde wie Indien und Russland müssten ehrlich miteinander
       umgehen.
       
       ## Kritik aus der oppositionellen Kongresspartei
       
       „Indien hat nicht einmal Einwände gegen Russlands 'Anerkennung’ der
       'Unabhängigkeit’ der beiden separatistischen ukrainischen Regionen Donezk
       und Luhansk“, so Tharoor. Er beharrt darauf: „Eine Invasion ist eine
       Invasion, das sollten wir unserem Freund Russland mitteilen“.
       
       Indien steckt in einer Zwickmühle zwischen dem Westen und Russland. Die USA
       sind ein wichtiger Partner bei Verteidigung, Handel und Technologie. Der
       Druck westlicher Staaten auf Delhi, Russland zu „isolieren“, wächst.
       
       Am Samstagabend telefonierte auch Außenministerin Annalena Baerbock mit
       ihrem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar, wohl um die Regierung
       Modi mit ins Boot zu holen.
       
       ## Putin war zuletzt im Dezember in Delhi
       
       Allerdings ist Russland Indiens größter Waffenlieferant. Laut dem
       schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI gingen zwischen 2016 und 2020
       geschätzte 23 Prozent aller russischen Waffenexporte nach Indien. Erst im
       Dezember wurden neue Geschäfte vereinbart, als Russlands Präsident Wladimir
       Putin persönlich zu einem Kurzbesuch nach Delhi kam.
       
       Moskau zeigte damit, dass es die Beziehungen zu Indien und China unabhängig
       von deren Rivalität pflegen kann. Damit könnte Indien schnell in einer
       Reihe mit seinen Gegnern Pakistan und China gesehen werden, die sich auf
       die Seite Moskaus gestellt haben. Pakistans Premier Imran Khan war am Tag,
       als der Angriff auf die Ukraine begann, zu Besuch in Moskau und verhandelte
       unter anderem über eine russische Gaspipeline.
       
       1 Mar 2022
       
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