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       # taz.de -- Hilfe für Flüchtende aus der Ukraine: Die Zivilgesellschaft packt an
       
       > In Hannover kommen die ersten Geflüchteten aus der Ukraine an.
       > Freiwillige Helfer*innen versorgen sie und bieten ihnen
       > Notschlafplätze.
       
   IMG Bild: Im Sportraum der Feuerwache warten Kleiderspenden und Essen auf die Neuankömmlinge
       
       Hannover taz | Auf dem Hof der Feuerwache 2 in Hannover-Stöcken fährt am
       frühen Dienstagmorgen ein Reisebus mit polnischem Kennzeichen vor. An Bord
       sind 16 Minderjährige, zehn Frauen und zwei Männer, die eine mehr als
       zwölfstündige Busreise von der polnisch-ukrainischen Grenze hinter sich
       haben.
       
       Die Notunterbringung für die Ankommenden ermöglicht und organisiert hat die
       Feuerwehr Hannover gemeinsam mit der Liberalen jüdischen Gemeinde. „Weil
       die Hälfte unserer Gemeindemitglieder aus der Ukraine und die andere Hälfte
       aus Russland und der Umgebung kommt, war klar, dass wir helfen wollen“,
       sagt Yevgen Brukman, stellvertretender Vorsitzender der Liberalen jüdischen
       Gemeinde, der taz.
       
       Der Besitzer eines Busses, der auch aus dem Umfeld der Gemeinde stammt, war
       an die Grenze gefahren und hatte die Flüchtenden kostenlos nach Hannover
       gebracht. Brukman schloss sich mit ukrainischen Aktivist*innen kurz und
       koordinierte eine mögliche Unterkunft. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche habe
       bereits eine Schlafplatzbörse geschaffen, erzählt er.
       
       Im Sportraum der Feuerwache warten Kleiderspenden und Essen auf die
       Neuankömmlinge. Koffer werden aus dem Bus ausgeladen und die neuen
       Schlafplätze bezogen. Behelfsmäßig sind 32 Feldbetten aufgebaut. Wie kleine
       Zimmer trennen Bauzäune mit Plastikplanen die Bereiche, in denen die
       Familien sich niederlassen. Ein Kind sitzt mit geweiteten Augen auf einem
       Feldbett. Zwei Frauen liegen sich weinend in den Armen. Eine
       Sozialarbeiterin beginnt, alle frisch angekommen zu registrieren. „Gibt es
       hier Wifi?“, fragt eine ältere Frau.
       
       Bereits 2015 war der Sportraum Notunterkunft. Brandschutzbezirksleiterin
       Christine Reime sagt der taz: „Wenn Not am Mann ist, dann richten wir
       Erstanlaufstellen ein. Die Sporthalle ist einfach eine schnelle Option.“
       Weitere Plätze seien bereits am Goetheplatz und in einer Halle der
       Deutschen Messe in Vorbereitung. Bis zum Wochenende soll die
       Aufnahmefähigkeit auf etwa 900 Schlafplätze erhöht werden, so Reime. Das
       schreibt die Stadt auch auf ihrer Website.
       
       ## Einreise dauert über 30 Stunden
       
       Doch nicht nur Schlafplätze sind vonnöten. Während die Freiwilligen kleine
       Wunden versorgen, steht Erhan Bayou am Rand des Treibens. Er sei sehr müde
       und habe Angst, sagt der 33-Jährige. „Ich weiß nicht, wie es weitergeht“,
       sagt er der taz. „Nur fünf Häuser neben meinem wurde bombardiert und ein
       mehrstöckiges Gebäude platt gemacht.“ Danach sei er mit seiner Frau und
       seinem zweijährigen Sohn geflohen. „Meine Frau war wie benommen“, erzählt
       Bayou. Er habe nicht mit einem Angriff auf Kyjiw gerechnet. Von dort sei er
       über Ungarn in die EU eingereist, das habe über 30 Stunden gedauert. Sehr
       viele Autos seien unterwegs und viele Brücken gesprengt.
       
       Er habe noch viele Freunde vor Ort und außerdem sein Geld, seine
       Habseligkeiten und seine Arbeit zurückgelassen. Kurzfristig kommt er bei
       einem entfernten Bekannten unter, einem kurdischen Mann aus Hannover. Der
       sagt, ein Freund habe ihn angerufen, dass der Freund der Cousine eines
       Freundes einen Schlafplatz benötige. Für ihn sei klar gewesen, dass egal
       wer bei ihm unterkommen könne: „Mensch ist Mensch.“ Zur Notunterkunft seien
       sie gekommen, weil sie den ganzen Tag versucht hätten herauszufinden, wo
       sich Bayou und seine Familie als Geflüchtete registrieren könnten. Weder
       die Polizei noch andere Stellen hätten geholfen.
       
       Der niedersächsische Flüchtlingsrat hat aktuelle Informationen auf seiner
       Website zusammengetragen. Von Bundesinnenministerin Nancy Faeser heißt es,
       man habe mit allen EU-Staaten eine Einigung auf eine schnelle und
       unbürokratische Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine erreicht.
       Geflüchtete müssten kein Asylverfahren durchlaufen und bekämen drei Jahre
       Schutz, so Faeser.
       
       Neben Hannover haben auch weitere Städte in Niedersachsen
       Aufnahmebereitschaft signalisiert und stellen sich auf Ankünfte ein.
       Ähnlich wie 2015 packt die Zivilgesellschaft tatkräftig mit an, um schnelle
       Lösungen zu finden. In der Nacht zum Dienstag waren neben der Leiterin der
       Feuerwache vor allem Freiwillige vor Ort, um die Neuankömmlinge zu
       versorgen.
       
       1 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Trammer
       
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