URI: 
       # taz.de -- NGO-Referent zur Lage in der Ukraine: „Journalist*innen als Kriegspartei“
       
       > Im westukrainischen Lwiw wurde ein Zentrum für Pressefreiheit eröffnet.
       > Christopher Resch von Reporter ohne Grenzen über die Hintergründe.
       
   IMG Bild: Ein Journalist sucht am 6. März Schutz in Irpin, nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew
       
       taz: Herr Resch, Ihre Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat am
       Samstag ein Zentrum für Pressefreiheit im [1][westukrainischen Lwiw]
       eröffnet. Warum? 
       
       Christopher Resch: Wir wollten gerne [2][Solidarität zeigen]. Gleichzeitig
       haben wir auch ganz viel Unterstützung von Dritten angeboten bekommen, um
       als Mittelsmänner und -frauen zu den ukrainischen Journalist:innen vor
       Ort zu fungieren. Einzelpersonen, Institutionen und Organisationen wollten
       helfen und fragten uns an: Wie können wir unsere Hilfe zu denen bringen,
       die sie brauchen? Daraus ist die Idee zum Zentrum entstanden.
       
       [3][In einer Pressmitteilung] beschreibt ROG das Zentrum als „physische und
       digitale Anlaufstelle für Reporter:innen“. Was bedeutet das konkret? 
       
       Vor [4][Ort in Lwiw] arbeiten wir mit einer ukrainischen
       Partnerorganisation zusammen, dem Institut für Massenmedien. Die haben wir
       gefragt, was die Journalist:innen vor Ort für einen Bedarf haben. Es
       kam vor allem die Bitte um Schutzausrüstung, die gerade sehr knapp ist. Das
       hängt vor allem damit zusammen, dass aktuell europaweit wenige ballistische
       Schutzplatten zur Verfügung stehen. Die fügt man vorne und hinten in die
       Schutzweste ein, damit sie Kugeln abfangen. Es ist auch sehr schwer, solche
       Schutzwesten in die Ukraine zu bekommen, weil sie teilweise als Kriegsgüter
       gelten. Das macht die Einfuhr ins Land komplizierter. Das Zentrum soll aber
       auch ein Raum sein, in dem es schnelles Internet gibt und in dem man
       Livestreams senden kann. Es soll eine Anlaufstelle sein, bei der sich
       Medienschaffende untereinander vernetzen. Und es soll Schulungsangebote
       geben zu den Themen persönliche Sicherheit und erste Hilfe.
       
       An wen genau richtet sich das Angebot? 
       
       Vor allem an freie Journalist:innen, an ukrainische, aber auch an
       internationale. Die fliegen teilweise ohne Versicherungsschutz ins Land und
       gucken, dass sie gute Storys mitbringen – so schrecklich das ist
       angesichts des Krieges. Die Schutzausrüstung ist vor allem für sie
       wichtig. Die fest angestellten Kolleg:innen, etwa bei deutschen
       Mediengruppen, sind in dieser Hinsicht besser ausgestattet.
       
       Wie wird das Zentrum finanziert? 
       
       Es gibt seit Kriegsbeginn einige institutionelle Spender. Mit dem Netzwerk
       für Osteuropa-Berichterstattung haben wir zudem ein Crowdfunding
       aufgesetzt. Da gab es von Anfang an große Spendenbereitschaft, auch und vor
       allem von vielen engagierten Einzelpersonen.
       
       Wie ist die Situation für Journalist:innen in der Ukraine aktuell? 
       
       Es gibt noch keine große Fluchtbewegung aus dem Land. Innerhalb des Landes
       gibt es nach unseren Informationen wohl schon ein wenig Bewegung, weg von
       der ganz harten Frontlinie. Da sind auch noch einige Berichterstattende,
       aber es ist wirklich wahnsinnig gefährlich. Genaue Zahlen haben wir aber
       nicht.
       
       Wie hat sich der [5][Tod des US-Journalisten Brent Renaud] auf die
       journalistische Arbeit vor Ort ausgewirkt? 
       
       Der Krieg ist auch ein Kampf um Informationen. Journalist:innen müssen
       deshalb damit rechnen, als Teil einer Seite betrachtet zu werden. Wenn eine
       Kriegspartei der Ansicht ist, dass ein:e Journalist:in auf der
       gegnerischen Seite steht, dann wird sie in deren Logik zum Ziel. Das ist
       dann die Rechtfertigung dafür, Medienschaffende anzugreifen. Obwohl das
       nach der Genfer Konvention als Kriegsverbrechen gilt. Die Zahl der
       verletzten und getöteten Kolleg:innen steigt aktuell. Das geschieht auch
       bewusst.
       
       Wie kann Ihre Organisation in so einer Situation Einfluss nehmen? 
       
       Wir betrachten das Ganze vor allem mit Blick auf die Verantwortung der
       Auftraggeber:innen. Da gibt es die Kritik: „Die schönen Themen nehmt ihr
       immer gerne, aber dann lasst ihr uns im Kriegsgebiet alleine.“ In solchen
       Situationen gehen wir als Organisation rein und sagen, dass sich da etwas
       verändern muss. Es muss für die Sicherheit der Journalist:innen gesorgt
       werden.
       
       Können Sie sich vorstellen, das Zentrum in Lwiw zu verlagern, sollte die
       Lage vor Ort eskalieren? 
       
       Da müsste man dann gucken. Die Gefahr ist leider real.
       
       16 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Russlands-Angriff-auf-Ukraine/!5840964
   DIR [2] /Magazin-stellt-Ukrainerinnen-ein/!5836681
   DIR [3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/zentrum-fuer-pressefreiheit-in-lwiw-nimmt-arbeit-auf
   DIR [4] /Lemberg-als-Fluchtort/!5840667
   DIR [5] /!5838448/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Meyer-Oldenburg
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Reporter ohne Grenzen
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Ukraine
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Schwerpunkt Russia Today
   DIR Kolumne Krieg und Frieden
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Katapult-Magazin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pressefreiheit und Ukrainekrieg: Keine Spur von Reporterin
       
       Die ukrainische Journalistin Irina Dubtschenko ist seit dem 26. März
       verschwunden. Wurde sie von russischen Militärs entführt?
       
   DIR Journalist:innen in Russland: „Permanente Anspannung“
       
       Wegen des Ukrainekriegs verschärft Russland die Unterdrückung der freien
       Presse. Einige Journalist*innen verlassen deswegen ihre Heimat.
       
   DIR Interview über russische Medien: „Auch ein Informationskrieg“
       
       Der Medienpolitiker Thomas Hacker fordert ein deutsches Gegenmedium zu
       Russia Today auf Russisch. Auch wünscht er sich mehr Förderung von
       Exil-Journalist*innen.
       
   DIR Lemberg als Fluchtort: Eine Stadt zum kurz Durchatmen
       
       Bis Kriegsbeginn war das westukrainische Lemberg ein Touristenmagnet. Jetzt
       ist das Zentrum leer, die Stadt aber ist voller Flüchtlinge.
       
   DIR Russlands Angriff auf Ukraine: Vorwurf von Kriegsverbrechen
       
       Die Kämpfe und Angriffe werden immer intensiver. Aber auch die Gespräche
       der Kriegsparteien.
       
   DIR Magazin stellt Ukrainer*innen ein: Journalismus fördern von unten
       
       Das Magazin „Katapult“ reagiert solidarisch auf den Ukrainekrieg. Mit dem
       Erlös neuer Spezialabos stellt es ukrainische Journalist*innen ein.